Landeswahlleiter Hürter hatte vor wenigen Wochen die Empfehlung ausgesprochen, die überarbeitete Bundeswahlordnung (BWO) in Rheinland-Pfalz derart anzuwenden, dass Wahllokale in Gemeinden mit weniger als 300 Stimmberechtigten mit größeren Nachbargemeinden zusammengelegt werden sollten. Davon betroffen wären im Nationalparklandkreis weit mehr als die Hälfte der insgesamt 96 Orte. So hätten die Wähler etwa aus Wirschweiler nach Allenbach, die aus Meckenbach nach Achtelsbach und jene aus Leitzweiler nach Hahnweiler zum Wählen gehen beziehungsweise fahren müssen – wenn sie nicht, wie es immer mehr Menschen tun, vorab per Briefwahl abgestimmt haben. Das hatte zu einem Sturm der Entrüstung und des Protests in den Dörfern geführt bis hin zu Wahlboykottaufrufen. Kritiker befürchteten, dass die Wahlbeteiligung durch diesen Schritt noch weiter sinken würde. Zudem werde die ohnehin gegenüber den Ballungsräumen schlechter gestellte ländliche Region damit noch weiter benachteiligt. Hintergrund der Änderung der Bundeswahlordnung war die Sorge um das Wahlgeheimnis, wenn weniger als 50 Stimmzettel in der Urne landen.
Spontane Entscheidung geht nicht
Klöckner hatte wie viele andere Kommunalpolitiker auf Dickes eingewirkt, die die Empfehlung Hürters zunächst eins zu eins umsetzen wollte, eine entsprechende Anordnung hatte sie bereits auf den Weg gebracht. Eine Liste der zusammenzulegenden Wahllokale lag den Verwaltungen und Entscheidungsgremien bereits vor. Doch jetzt kommt es doch anders: Denn nach Paragraf 8 der Bundeswahlordnung gibt es in Fällen, in denen weniger als 50 Stimmen am Wahlsonntag in der Urne landen, die Möglichkeit, „mobile Wahlvorstände“ zu bilden: Die schnappen sich nach 18 Uhr das noch versiegelte Behältnis und bringen es zu jenem benachbarten Wahllokal, mit dem man hätte zusammengelegt werden sollen. Dort wird dann gemeinsam gezählt. Alternativ kann das auch in der Verbandsgemeindeverwaltung oder dort, wo die Briefwahl ausgezählt wird, geschehen. „Der Zeitverlust ist hinnehmbar“, begrüßt Julia Klöckner diese Vorgehensweise. Einzige Einschränkung: Dieses Prozedere kann nicht am Wahlabend spontan entschieden werden – etwa, wenn weniger Stimmzettel in der Urne gelandet sind als erwartet. Dickes: „Die Einrichtung des mobilen Wahlvorstandes muss vorher angekündigt sein und kann nicht erst nach 18 Uhr entschieden werden.“
Damit können die Wahllokale in allen Gemeinden erhalten werden, wenn das gewünscht ist. Zusammenlegungen aus organisatorischen oder personellen Gründen, wenn etwa zu wenige Wahlhelfer gefunden werden, sind weiterhin möglich. Nächste Woche soll es eine Videokonferenz mit dem Landeswahlleiter und allen Landkreisen geben, bei der die Vorgehensweise und die gemäß BWO zur Verfügung stehenden Möglichkeiten noch einmal genau besprochen werden.
Erleichterung bei Schneider
Für den Unmut in den betroffenen Dörfern habe sie „durchaus Verständnis“, sagte Bettina Dickes gegenüber unserer Zeitung: „Wahlen haben etwas mit Tradition und Selbstverständnis zu tun.“ Hier spiele das Gefühl, ohnehin bei vielen Themen wie ÖPNV oder Internetversorgung benachteiligt zu sein, eine wesentliche Rolle.
Landrat Matthias Schneider freut sich über die Kehrtwende: „Es ist gut, dass die rechtlichen Möglichkeiten der Bundeswahlordnung nun voll ausgeschöpft werden.“ Das Zusammenlegen von Wahlbezirken „hätte wahrscheinlich zu großem Wahlverdruss in den Ortschaften geführt“. Das habe die Kreiswahlleiterin nun korrigiert: „In jedem Ort kann nun ein Wahlbüro eingerichtet werden, nur die Stimmzettel müssen eben an dem bereits bestimmten zentralen Ort ausgezählt werden. Ob die Ortsgemeinden von dieser Lösung Gebrauch machen, bleibt nun ihnen überlassen.“