Heckengesellschaft Veitsrodt
Kassierer unterschlägt mehr als 150.000 Euro
Am kommenden Wochenende beginnt der Veitsrodter Prämienmarkt. Doch derzeit beherrscht ein ganz anderes Thema das Dorfgespräch.
Hosser

Am kommenden Wochenende beginnt der Veitsrodter Prämienmarkt. Doch derzeit beherrscht ein ganz anderes Thema das Dorfgespräch.

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Helle Aufregung herrscht eine Woche vor Eröffnung des Veitsrodter Prämienmarktes in der kleinen Marktgemeinde am Rande von Idar-Oberstein (Kreis Birkenfeld) : Offenbar wurde in die Kasse der Heckengesellschaft gegriffen, der gefühlt jeder zweite Veitsrodter angehört. Der Schaden beträgt mehr als 150.000 Euro. Die hat offenbar der langjährige Kassierer über 40 Jahre abgegriffen, in Summen zwischen 2000 und 5000 Euro pro Jahr. Das ging, weil er gleichzeitig Kassenführer und Angestellter der Hausbank der Heckengesellschaft war und so über vielfältige Zugriffsrechte auf die Konten verfügte.

„Als wir von dieser Summe erfuhren, hat es uns den Boden unter den Füßen weggezogen.“
Frank Schröder, Vorsitzender der Heckengesellschaft Veitsrodt

Unter anderem hat der Mann wohl Kontoauszüge gefälscht, um die Kassenprüfer Jahr für Jahr hinters Licht zu führen. Und er legte ein Kontokorrentkonto im Namen der Heckengesellschaft an, von dem diese nichts wusste und von dem er sich dann bediente. 

Der mutmaßliche Täter war einer der angesehensten Veitsrodter Bürger und lange Jahre Beigeordneter im Ort. Die ganze Sache ist aufgeflogen, nachdem der 77-Jährige im April überraschend starb und die Heckengesellschaft bei ihrer Hausbank nach den Rücklagen schauen wollte...

Einigung mit der Familie

Eine Strafverfolgung scheidet nach dem Tode des Mannes aus. Für die Heckengesellschaft wäre da nur der Weg des Zivilrechts geblieben, wobei unklar ist, in welcher Größenordnung der Schaden geltend gemacht werden kann. Inzwischen hat man sich aber nach Informationen der Nahe-Zeitung mit den Hinterbliebenen geeinigt, die zwei Drittel des Schadens begleichen wollen.

„Als wir von der fehlenden Summe erfuhren, hat es uns den Boden unter den Füßen weggezogen“, sagt der Erste Vorsitzende der Heckengesellschaft, Frank Schröder. Er sei nach dem Todesfall routinemäßig bei der Hausbank vorstellig geworden, wo dann nach und nach die Unregelmäßigkeiten ans Tageslicht kamen: Statt der von der Gesellschaft erwarteten Rücklage von fast 200.000 Euro waren nur gut 40.000 Euro auf dem Konto. Auf seine Frage „Und wo ist der Rest?“ habe er zunächst nur Achselzucken geerntet. Die Bank habe daraufhin eine Untersuchung eingeleitet. Als die Mitarbeiter dann die von den Veitsrodtern vorgelegten Belege sahen, war schnell klar: „Das sind Fälschungen...“

Im Sechs-Augen-Verfahren alle Belege geprüft

„Ich bin aus allen Wolken gefallen“, bekundet Schröder. Wie es der Zufall wollte, erfuhr er nur zwei Stunden vor einer routinemäßig nach dem Tod des Schatzmeisters angesetzten Vorstandssitzung von dem Betrug, bei der thematisiert werden sollte, wie es mit dem Posten weitergehen soll. „Wir haben dann einen Wirtschaftsprüfer und einen Bankfachmann aus den Reihen der Gesellschaft herangezogen und im Sechs-Augen-Verfahren alle Belege geprüft.“ Dabei hatte die Bank Unterlagen bis ins Jahr 2010 zur Verfügung gestellt, obwohl die gesetzliche Aufbewahrungsfrist nur zehn Jahre beträgt. Schnell wurde das Ausmaß des Betrugs offenbar, und die Heckengesellschaft holte sich anwaltlichen Rat. Das Ergebnis der Prüfungen war mehr als ernüchternd...

„Nachdem der gesamte Schaden aufgedeckt war, hat sich die Familie des Verstorbenen bereit erklärt, dass sie im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten Schadensersatz leisten will“, berichtet Schröder. Man habe dann sehr schnell einen Vergleich getroffen, dem aber noch die Vollversammlung – bei der Heckengesellschaft heißt das „Gemeindetag“ – , die Ende August tagt, zustimmen muss. „Aus meiner Sicht ist eine solche Einigung auf jeden Fall besser als ein langwieriger Prozess“, sagt Schröder.

Wie konnte es so weit kommen?

Wie konnte es so weit kommen? Und wieso fällt einer Heckengesellschaft, die übrigens rein rechtlich kein Verein, sondern eine „Miteigentümergesellschaft“ ist, nicht auf, wenn über die Jahre solch hohe Summen „verschwinden“? Zum einen sei der Schatzmeister sehr geschickt vorgegangen, habe den vermeintlichen Kassenstand Jahr für Jahr auf gefälschten Kontoauszügen fortgeschrieben, die, wie auch die Bank bestätigt, von Originalen kaum zu unterscheiden waren. Zuletzt hatte der Kassierer beim Gemeindetag 2024 196.000 Euro „auf der hohen Kante“ vermeldet. „Für uns bestand überhaupt kein Anlass, an der Kassenführung zu zweifeln. Das sah alles völlig korrekt aus und wurde jährlich durch wechselnde Kassenprüfer bestätigt.“

Zum anderen sei es nicht ungewöhnlich, dass eine große Heckengesellschaft wie die Veitsrodter solch hohe Summen (sie stammen in erster Linie aus dem Holzverkauf) auf dem Konto vorhält. „Unser Bann geht über gut 200 Hektar“, erläutert Schröder. Bei einem Windwurf rechne man mit 1000 Euro pro Hektar Schaden für Beräumung und Aufforstung. 

Heckengesellschaften

Die Veitsrodter Heckengesellschaft ist eine der größten im Landkreis Birkenfeld. Es gibt sie überall, wo Ortsgemeinden über eigenen Wald verfügen. Die Gründung dieser Gesellschaften geht auf die französische Besatzung der linksrheinischen Gebiete (1783 bis 1826) zurück, als der vorher in herrschaftlichem Besitz befindliche Wald an die Gemeinden verteilt wurde. Die Heckengesellschaften sind kein Verein, sondern eine sogenannte Miteigentümergesellschaft und eigentlich ein Wirtschaftsbetrieb. In anderen Teilen Deutschlands heißen diese Körperschaften Waldgemeinschaften. sc

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