Glück im Unglück hatte Gina, jene Jungstörchin, die im vergangenen Sommer in Schmißberg geschlüpft ist und dort von den Storchenfreunden um Tom Sessa beringt wurde. Denn im vergangenen Jahr schaffte Gina zwar die lange und nicht ungefährliche Reise bis nach Marokko. Doch hier verhedderte sie sich in eine Plastikschnur, die sich um ihren Schnabel wickelte, als sie auf der Müllkippe von Kenitra in Marokko nach Nahrung suchte.




Die offenen Müllkippen in dem nordafrikanischen Land sind ein beliebter Treffpunkt für Störche, die sich auch von Aas und Essensresten ernähren. Dem Tierarzt Dr. Mustapha Abidi fiel auf, dass Gina ernste Probleme hatte. Ihre Herkunft konnte er anhand des Rings an Ginas Fuß ablesen. Er nahm daraufhin Kontakt mit Tom Sessa auf und berichtete ihm von Ginas misslicher Lage. Mit seinem Helfer Youness fing der Tierarzt das Storchenkind ein und päppelte es über mehrere Wochen auf. Mit Happy End.
Nur jeder zweite Storch überlebt sein erstes Lebensjahr
Nicht nur, dass Gina nichts mehr fressen konnte, sie hatte sich auch noch verletzt. Doch nach mehreren Wochen intensiver Pflege konnte sie auskuriert und aufgepäppelt wieder in die Freiheit entlassen werden. Dabei war es großes Glück, dass die beiden Männer zur rechten Zeit am rechten Ort waren und auch noch wussten, wie man dem armen Vogel helfen kann.
Schließlich überlebt nur jeder zweite Storch sein erstes Lebensjahr. Daran sind nicht nur die offenen Müllkippen schuld, sondern es lauern vielfältige Gefahren auf Meister Adabar: von Stromleitungen über Windräder, und in manchen Ländern landen sie gar im Kochtopf. Zudem geht immer mehr von ihrem Lebensraum verloren: Feuchtgebiete werden für die intensive Landwirtschaft entwässert und Pestizide großflächig ausgebracht. Und dann lauert auch bei uns der Tod durch all den illegal entsorgten Müll in Wald und auf Wiesen. Die Elterntiere verfüttern Plastikschnüre und Gummiringe an ihren Nachwuchs, die sie mit Würmern, kleinen Schlangen oder Insekten verwechseln. Und da die Nestlinge erst ab der dritten Lebenswoche Fremdkörper wieder hervorwürgen können, verenden sie elendig.
Otto Lilienthal studierte schon den Flug der Störche
Dabei sind Störche nicht einfach nur prächtige Vögel, ohne sie hätte es wahrscheinlich wesentlich länger gedauert, bis sich auch der Mensch in die Lüfte erhoben hätte. Schließlich hielt sich der Luftfahrtpionier Otto Lilienthal vier Störche auf seinem Grundstück und studierte ausgiebig deren Flugkünste, um schließlich zu resümieren: „Fast möchte man dem Eindrucke Raum geben, als sei der Storch eigens dazu geschaffen, um in uns Menschen die Sehnsucht zum Fliegen anzuregen und uns als Lehrmeister in dieser Kunst zu dienen.“
Seine Studien über das Konzept der Tragflächen und seine Gleitflüge bildeten die Grundlage für den Bau moderner Verkehrsflugzeuge. Viele seiner Erkenntnisse aus Theorie und Praxis haben bis heute Bestand. Selbst die sogenannten Winglets, die hochgestellten Flügelenden an den Tragflächen moderner Flugzeuge, haben ihren Ursprung beim Storchenflügel. Sie reduzieren die Verwirbelungen, sorgen so für weniger Luftwiderstand und sparen somit Treibstoff ein. Ein Natur-Patent, das Störche mit ihren aufgespreizten Flügel-Endfedern schon seit Jahrmillionen nutzen. Auch ihnen hilft das, Energie zu sparen bei ihren weiten Reisen.
Doch all das muss man nicht wissen, um sich am Flug eines Storches zu erfreuen. Und so danken Tom Sessa und seine Storchenfreunde aus Schmissberg Dr. Abidi und seinen Helfern von Herzen. Alle hoffen nun, dass Gina vielleicht schon in diesem Sommer, spätestens im nächsten Jahr, wieder wohlbehalten in Schmissberg landet und vielleicht sogar für neuen Nachwuchs sorgt.