Der Idar-Obersteiner Nishit Agrawal ist Mitbegründer eines Start-ups in Berlin - Umwelt und Nachhaltigkeit liegen ihm sehr am Herzen
Junger Gründer aus Idar-Obersteiner: Die KI-Supernase riecht, wenn es schimmelt
Nishit Agrawal
Nishit Agrawal kommt aus Idar-Oberstein und hat nun mit einem Kumpel ein Start-up in Berlin gegründet, das auf KI setzt. Foto: Michael Berger
Michael Berger

Idar-Oberstein. Wie ein junger Unternehmer aus Idar-Oberstein gemeinsam mit einem Kumpel die Lebensmittelverschwendung reduzieren möchte, liest sich fast schon ein wenig wie ein Science-Fiction-Roman. Und doch ist das, was der 29-jährige Nishit Agrawal anbietet, bereits Realität. Das Berliner Start-up Skone Labs hat ein Gerät entwickelt, das mithilfe von Künstlicher Intelligenz den Verfall von Obst und Gemüse sowie anderen Lebensmitteln vorhersagen und somit einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in der Lebensmittelindustrie leisten kann. Darüber berichtete jüngst auch der „Tagesspiegel“, eine renommierte Berliner Zeitung.

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Agrawal hat die Grundschule Göttschied und das Gymnasium an der Heinzenwies besucht und dort 2014 sein Abitur abgelegt. Danach ging es an die Universität Mannheim. „Es ist einer der renommiertesten Universitäten in Deutschland für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik. Währenddessen habe ich als Berater bei SAP in Walldorf und Ernst & Young in München gearbeitet. Schon da merkte, ich, dass ich mehr in die Startup-Szene gehen wollte, weil ich in meiner Entscheidungsfindung und Gestalten des Projektes frei sein wollte“, erzählt er.

Danach studierte Agrawal in Kopenhagen an der Copenhagen Business School, gründete sein erstes Unternehmen vor der Corona-Zeit und meldete ein Patent an. Aus seiner Masterarbeit – die beste des Jahrgangs – entstand sein nächstes Unternehmen: „Jedoch war die Gesetzeslage kompliziert, und ich musste das Unternehmen schließen.“ Mit seiner ersten Firma produzierte er ein farbiges Desinfektionsmittel für Krankenhäuser und Restaurants.

Container voll Avocados

Danach entwickelte er in Dänemark ein Verfahren zum Nachweis von Gendefekten mittels DNA-Speichelprobe. Nun folgt Start-up Nummer drei. Seit ein paar Monaten wohnt der junge Mann, der gern Tischtennis und Badminton spielt, wieder in Idar-Oberstein – in erster Linie, um der Firma seines Vaters, der vor ein paar Monaten verstorben ist, zu unterstützen. Die Indo Gems Handels GmbH hat ihren Sitz gegenüber von Fissler.

Agrawal muss häufig nach Berlin oder andere Regionen in Deutschland, Frankreich und Portugal pendeln. Für Skone Labs ist er gern bei Kunden vor Ort.

Was steckt hinter seinem neuen Unternehmen? „Ein guter Freund von mir und Sid, mein Mitgründer, hat ein Sushi-Restaurant in Frankreich, und das größte Problem hatte er mit Avocados. Er wusste nie, wann die reif genug waren, um sie zu verzehren. Manchmal waren sie überreif und nicht mehr genießbar. Schlussendlich möchte der Kunde wissen, wie lange ein Produkt haltbar und genießbar ist. Am Anfang haben wir es mit Bilddaten probiert. Das heißt: Wir haben Bilder von Avocados geschossen in verschiedenen Reifestufen. Jedoch merkten wir schnell, dass das Problem viel größer ist und wir nicht einzelne Avocados, sondern einen Container voller Avocados analysieren müssen. Jedes frische Produkt emittiert Gase, und man kann anhand des Geruchs feststellen, in welchem Zustand das Produkt ist. Das gilt auch für größere Ladungen.“

Agrawal hatte kein Netzwerk in der Lebensmittelindustrie: „Wenn man eine gute Idee hat und ein Problem erkannt hat, heißt es nicht, dass man es auch verkauft bekommt. Vertrauen zum Kunden aufzubauen, ist das Entscheidende. Des Weiteren ist es wichtig, dass man sich nicht nur auf das Produkt fokussiert und etwas baut, was der Kunde nicht benutzen oder gebrauchen kann. Kapital einzusammeln von verschiedenen Investoren ist immer eine große Hürde, wenn man kein Netzwerk mitbringt. Niemand investiert in ein Unternehmen, dass er nicht kennt.“

Er liebe es, neue Sachen zu lernen und Prozesse mittels Technologie zu optimieren und dabei etwas Gutes für die Umwelt/Welt zu tun: „Meine Passion war es immer, etwas zu erfinden, was wirklich einen Nutzen für den Konsumenten schafft. Meistens befasse ich mich mit Themen, von denen wir alle wissen, dass es ein Problem gibt, es jedoch nicht wirklich viel Innovation in dem Bereich gibt.“

Agrawal hat ein kleines, achteckiges Gerät, das aus schmutzabweisendem PET-Kunststoff besteht und mittels eines 3 D-Druckers (geladen über einen USB-C-Anschluss) entwickelt. Es misst im Raum (egal ob Restaurant, Supermarkt oder landwirtschaftlicher Betriebe) Veränderungen von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Gasgehalt: „Es ist eine intelligente Nase“, erläutert er. Die von ihm uns seinem Mitgründer entwickelte Software dazu heißt Lime AI.

Auf Messen und Kongressen

Die gesammelten Daten werden in eine Cloud geladen und analysiert. Anhand von KI gibt es Daten, die Mitarbeitern per E-Mail übermitteln, wann etwas schlecht zu werden droht, egal ob Äpfel, Brot oder eben Avocados.

Der „Tagesspiegel“ berichtete: „Die beiden Gründer werben auf Messen und Kongressen für ihr Produkt. Gefördert wird Skone Labs von der Dieter-Schwarz-Stiftung (Lidl und Kaufland) und vom Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrum“ (K.I.E.Z.). Das Zentrum setzt sich für mehr Gründungen im KI-Bereich ein, es wird getragen von den Berliner Universitäten und der Charité und gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium und dem Land Berlin.“ Rund 30 Geräte sind bislang im Einsatz, einige bei der Berliner Tafel. Das Ziel: „Irgendwann mit bis zu 100.000 Geräten die Lebensmittelindustrie zu prägen.“

Was rät Agrawal jungen Start-up-Kollegen? „Man merkt schnell, ob etwas funktioniert oder nicht. Wenn etwas nicht funktioniert, sollte man sich die Frage stellen, liegt es daran, dass der Endkunde das Produkt nicht braucht, oder ist das Problem überhaupt groß genug? Es macht mehr Spaß, ein Unternehmen mit jemandem zusammen zu gründen. Man sollte aufpassen, dass man das private Leben und das geschäftliche Leben gut trennt. Wenn man keine Ahnung hat, wo man einen Mitgründer findet, gibt es verschiedene Plattformen, die einen unterstützen, den richtigen Partner zu finden. Nicht für jedes Unternehmen muss man eine Finanzierung von Banken nehmen. Jedoch sind Technologie-Unternehmen sehr kapitalintensiv. Es ist sogar besser, wenn man es schafft, ein Unternehmen aufzubauen – ohne Fremdkapital und langsam – und sicher skaliert.“

Das Start-up-Leben sei kein Hobby, sondern aus seiner Sicht ein Lebensstil: „Es ist mehr als ein Vollzeitjob, und es geht wirklich an die Nerven. Man muss es genießen wollen.“

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