Lediglich die drei Parlamentarier der LUB stimmten dem Zahlenwerk nicht zu – vor allem wegen der umstrittenen Straßenprojekte B 269 (geplanter dreistreifiger Ausbau bei Hattgenstein) und K 56 (geplante Abstufung zur Gemeindestraße). Erstmals seit vielen Jahren trug dafür die Linke den Haushalt 2023 mit.
Trotz des enormen Einnahmezuwachses gelingt es dem Kreis – anders als der Stadt Idar-Oberstein nach dem Gewerbesteuerregen im Jahr 2021 – nicht, sich auf einen Schlag zu entschulden. Das hofft man, 2024 zu erreichen – wenn die Einnahmequelle nicht versiegt. Die Entschuldung – da ist man sich im Kreistag fraktionsübergreifend einig – hat oberste Priorität, in diesem Jahr werden schon mal 70 Millionen vom 122-Millionen-Berg abgeschmolzen.
Und dennoch eröffnet der warme Regen unerwartete Möglichkeiten: So soll in den Ausbau der Kreisstraßen und des Radwegenetzes investiert und die Jugendherberge Idar-Oberstein (nun abgekoppelt vom Abfallwirtschaftsbetrieb) saniert werden, in den Katastrophenschutz und in den Breitbandausbau investiert werden und die Hallen „Auf der Bein“ in Idar-Oberstein und „Am Berg“ in Birkenfeld saniert werden.
Im Landkreis Birkenfeld ist längst nicht alles im grünen Bereich.
Bernhard Alscher (Freie Wähler)
Neu ist ein Förderprogramm zur Ansiedlung von Ärzten, das mit der Stadt Idar-Oberstein und den Verbandsgemeinden realisiert werden soll. „Hier müssen Details noch ausgearbeitet werden“, sagte der Erste Kreisbeigeordnete Bruno Zimmer. So ist unklar, ob einmalig eine Summe X ausgezahlt werden soll oder ein monatlicher Mietkostenzuschuss, oder ob man sich nicht besser gleich auf kommunale Medizinische Versorgungszentren (MVZ) konzentrieren sollte.
Der nun beschlossene Haushalt soll noch diese Woche der Aufsichtsbehörde ADD in Trier vorgelegt werden. Zimmer hofft auf eine Genehmigung noch vor Weihnachten. Damit hätte man im Rennen um Fachkräfte die Nase vor anderen Kommunen im Land. Denn der neue Haushalt beinhaltet auch knapp 41 neue Stellen – was nicht ohne Kritik in der Aussprache blieb, auch wenn allein elf davon Mitarbeiter der vom Kreis übernommenen Schulen in Herrstein und Birkenfeld sind. Vor allem Stellen in der Bauverwaltung und im Jugendamt, aber auch in der IT-Abteilung sind derzeit aufgrund des Fachkräftemangels schwer zu besetzen, deshalb möchte man früh ausschreiben.
Zimmer wies in seiner Haushaltsrede (in Vertretung des weiterhin erkrankten Landrats Matthias Schneider) auf die immensen Mehrkosten hin, die der Landkreis zu stemmen hat: Die Übernahme der Schulen kostet jährlich 1,6 Millionen Euro, der neue, bessere ÖPNV 5 Millionen. Hinzu kommen die steigenden Energiekosten – der Kreis rechnet hier mit mehreren Hunderttausend Euro. Und auch in den Teilhaushalten Soziales und Jugendhilfe gibt es erneut deutliche Steigerungen von mehreren Millionen Euro. Der Beigeordnete machte deutlich: „Ohne die zusätzlichen Einnahmen wären wir gezwungen gewesen, die Kreisumlage anzuheben.“ Stattdessen kann die „Steuer für Kommunen“ nun – da atmen sicher viele Ortsbürgermeister auf – von 44,3 auf 41,0 Prozentpunkte abgesenkt werden.
39 Prozent? Keine Mehrheit für Keidel-Antrag
Matthias Keidel (FDP) hätte die Umlage gern noch weiter unten gesehen. Sein Antrag, sie auf 39,0 abzusenken, erhielt aber nur fünf Jastimmen aus der eigenen und der Fraktion der Linken. Auch ein weiterer Antrag Keidels (auf Einrichtung einer halben Stelle Sexualpädagogik/Sexuelle Bildung an Grundschulen) wurde mehrheitlich abgelehnt. Aber nicht, weil der Kreistag dagegen wäre, sondern weil man dem Vorschlag der Verwaltung folgte, der da hieß: Haushalt so beschließen, wie er vorliegt, damit er aus genannten Gründen schnell beschlossen werden kann.
Stattdessen wurde einstimmig beschlossen, einen Sonderposten („Zusätzliches Budget“) über 5 Millionen Euro, mit dessen Hilfe dann all jene Maßnahmen abgearbeitet werden können, die die Fraktionen im Lauf der (in diesem Jahr sehr späten Haushaltsberatungen) noch vorgelegt hatten. Als da wären:
- Ausbau von Straßen und Radwegen,
- Sanierung von Toilettenanlagen an Schulen,
- Unterstützung von Vereinen,
- Rücknahme der im Vorjahr erfolgten Gebührenerhöhung bei der Kreisvolkshochschule,
- Verbesserung der Teilhabe von älteren Menschen,
- Personalaufstockung im Bereich der Sexualpädagogik,
- förderfähige Klimaschutzmaßnahmen.
Die Punkte Klimaschutz und Radwegekonzept im BIR-Kreis wurden von mehreren Rednern angesprochen. Es sei ein Armutszeugnis, dass sich im Haushalt des Nationalparklandkreises, der sich im Vorjahr als Klimaschutzregion ausgerufen hat, keine einzige Maßnahme zu diesem Themenfeld finde, sagte zum Beispiel Hans-Joachim Billert (Grüne). Zimmer erinnerte an die im Kreisausschuss abgesprochene Vorgehensweise: Den Haushalt aus den genannten Gründen schnell verabschieden, die gewünschten Maßnahmen könnten 2023 trotzdem problemlos verwirklicht werden, da finanzielle Deckung bestehe: Wenn der Kreistag eine Maßnahme beschließt, könne die auch umgesetzt werden.
Die Haushaltsmappe ist der Wunschzettel, das Christkind ist der Kreistag.
Matthias Keidel (FDP)
Das war die vergangenen 20 Jahre anders, als solche Wünsche stets von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden mussten. Notfalls müsse man später einen Nachtragshaushalt verabschieden, könne aber auch mit „außerplanmäßigen Ausgaben“ agieren, sagte Zimmer. Auch die im Beschluss genannten 5 Millionen Euro seien nicht bindend: „Das kann auch mehr werden.“ Jetzt gehe es aber erst mal ums Tempo ...
Spannende Frage: Wie kam die Zahl 41,0 zustande?
Unverständnis gab es von mehreren Rednern über die Art und Weise, wie der neue Umlagesatz zustande kam. Denn in den Kreisgremien wurde darüber nie beraten, kritisierte Matthias Keidel. Vielmehr habe die Zahl 41,0 plötzlich im Raum gestanden – nach einem Treffen der Kreisbeigeordneten mit Idar-Obersteins Oberbürgermeister Frank Frühauf ...
Zeitenwende, das Wort des Jahres 2022, ist auch für den heute zu verabschiedenden Haushalt die beste Überschrift.
Hans-Jürgen Noss (SPD)
Der meldete sich als CDU-Kreistagsmitglied am Ende der Debatte selbst zu Wort und wies wie schon zuvor Thomas Roland darauf hin, dass die Stadt, die 85 Prozent der Kreisumlage trägt, von einer Absenkung am stärksten profitiere – und das ja derzeit gar nicht nötig habe. Wie Zimmer empfahl Frühauf, erst einmal auf die Entwicklung 2023 zu schauen, um dann gegebenenfalls im Etat 2024 noch einmal nachzujustieren.
Auf einen Blick: Der Haushalt 2023 des Nationalparklandkreises Birkenfeld
Ergebnishaushalt
Gesamtbetrag der Erträge 241.932.233 Euro (Vorjahr: 140,7 Mio)
Gesamtbetrag der Aufwendungen 175.028.270 Euro (Vorjahr: 149,7 Mio)
Jahresabschluss 66.903.963 Euro (Vorjahr: minus 8,97 Mio)
Finanzhaushalt
Saldo ordentliche Ein-/Auszahlungen 71.196.516 Euro (minus 4,59 Mio)
Tilgung Investitionskredite 30.000.000 Euro (2,9 Mio)
Saldo Finanzhaushalt 40,812 Mio Euro (minus 7,49 Mio)
Investitionsplan
Einnahmen (Zuschüsse) 6,51 Mio Euro (7,82 Mio)
Ausgaben (Investitionen) 26,38 Mio Euro (14,3 Mio)
Kreditaufnahme 0 Euro (6,61 Mio)
Tilgung 30 Mio Euro (2,9 Mio)
Eigenkapital Stand 31.12.2021 minus 113.209.333 Euro
Voraussichtlicher Stand 31.12.2022 minus 122.181.918 Euro
Voraussichtlicher Stand 31.12.2023 minus 55.277.955 Euro