Weil Amerikaner nur teilweise berücksichtigt werden, lässt der Landrat die Erfolgsaussichten einer Beschwerde in Karlsruhe prüfen
Inzidenzzahlen ein Fall fürs Verfassungsgericht? Kreistag verabaschiedet Resolution
Bevor der Kreistag über die Unstimmigkeiten bei den Inzidenzzahlen diskutierte, mussten dessen Mitglieder erst einen Corona-Schnelltest machen. Hier führt Bernhard Alscher von der Freien Liste dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Hans Jürgen Noss ein Stäbchen in die Nase ein. Foto: Kreisverwaltung

Idar-Oberstein. Der Kreis Birkenfeld fühlt sich bei der Berechnung der Corona-Inzidenzzahlen durch das Robert Koch-Institut (RKI) nach wie vor benachteiligt. Er habe deshalb den Rechtsanwalt Oliver Conradt (Idar-Oberstein) gebeten, die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karls- ruhe zu prüfen, teilte Landrat Matthias Schneider in der Kreistagssitzung am Montagabend in der Messehalle in Idar-Oberstein mit.

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Dort wurde bei zwei Gegenstimmen eine Resolution verabschiedet, in der darauf gepocht wird, dass die Inzidenzwerte, die für jegliche Einschränkungen maßgeblich sind, „den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst und wahrheitsgemäß berechnet werden“.

Kritikpunkt ist, dass im Kreisgebiet rund 8500 Amerikaner – Soldaten und ihre Angehörigen – leben. Weil aber viele davon nicht hier gemeldet sind, berücksichtigt das RKI derzeit gerade mal 2702. Das führe zu einer höheren Inzidenzzahl von im Schnitt rund zehn Punkten, hat der Landrat ausrechnen lassen. Bereits vorige Woche hat er deshalb in einem Schreiben an Gesundheitsminister Jens Spahn gefordert, dass die Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte bei der Sieben-Tage-Inzidenz voll anerkannt werden. In der zweiten Pandemiewelle entstanden laut Schneider „eklatante Differenzen“, da Infektionen in den Kampfeinheiten der Garnison Baumholder die Inzidenz pro 100.000 Einwohner „enorm in die Höhe trieben“. Am 23. Januar beispielsweise habe es einen errechneten Unterschied von etwa 16 Punkten gegeben. Der statistische Fehler schlage sich sogar doppelt nieder, wird in der Resolution kritisiert. Einerseits würden positive Fälle von Streitkräfteangehörigen, die hier nicht mit Wohnsitz gemeldet sind, einbezogen, andererseits Abertausende gesunde Menschen, die hier leben, aber nicht meldepflichtig sind, nicht eingerechnet.

Diese Benachteiligung betrifft neben dem Kreis Birkenfeld auch die Kreise Kusel und vor allem Kaiserslautern, dessen Kreistag laut Landrat eine gleichlautende Resolution verabschiedet hat. Dort sei man ebenfalls nicht mehr bereit, die durch statistische Verzerrungen bedingte Einschränkung der Grundrechte mitzutragen. Deshalb werde nach mehreren vergeblichen Vorstößen bei Land und Bund laut Schneider jetzt von mehreren Bürgern ebenfalls eine Verfassungsbeschwerde erwogen.

Nach Meinung des Landrats sollte der Zahlenwirrwarr, den Kirsten Beetz (CDU) als „Idiotie“ bezeichnete, im Interesse von Bürgern und Unternehmen höchstrichterlich ein für allemal aufgelöst werden. „Denn das ist sicher nicht die letzte Pandemie, die wir erleben.“ „Es bedarf einer Regelung für die Zukunft“, pflichtete ihm Wolfgang Augenstein (LUB) bei.

Es könne für Firmen aber auch jetzt schon wichtig sein, ob sie aufgrund der Zahlen eine Woche früher oder später öffnen dürfen, gab Andreas Pees (SPD) zu bedenken. Susanne Alfs (Grüne) hingegen verwies darauf, dass die Amerikaner das Pandemiegeschehen offenbar gut im Griff hätten. In den vergangenen Wochen habe es von dort nur noch vereinzelte Infektionsmeldungen gegeben. Zu denken gibt ihr hingegen, dass generell bei einigen Infizierten für jeweils nur eine weitere Person Quarantäne angeordnet worden sei: „Darauf sollte man ein Auge halten.“ Es sei nichts dagegen einzuwenden, auf eine korrekte Berechnung der Inzidenzzahlen zu drängen. „Aber das bringt uns immer noch nicht unter 100.“

Bernhard Alscher (Freie Wähler) hält die Resolution gar für „komplett überflüssig“. Schwerpunktmäßig infiziert seien inzwischen Kinder, Schüler und junge Erwachsene: „Da liegt unser Problem.“ Der Bürgermeister der VG Birkenfeld sieht erheblichen Handlungsbedarf beim Gesundheitsamt: „Wenn alles gut gelaufen wäre, hätten wir die jetzige Situation mit den anhaltend hohen Inzidenzzahlen nicht.“ Er plädiert unter anderem für eine konsequentere Nachverfolgung der Fälle, auch mithilfe der Luca-App, und mehr Schnelltests.

Alschers Antrag zu Beginn der Sitzung, die Resolution von der Tagesordnung abzusetzen, wurde aber von der Mehrheit des Kreistags abgelehnt. „Der Kreistag Birkenfeld unterstützt den Landrat bei allen Bemühungen, die zu einer Korrektur der offensichtlich falschen Berechnung durch das RKI führen“, heißt es in dem Papier. „Dazu gehören ausdrücklich auch juristische Schritte und die Unterstützung bei deren Vorgehen.“

Von Kurt Knaudt

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