Eine bekannte Melodie klingt aus einem Lautsprecher durch die alte Schule in Mittelbollenbach. Es ist das Lied „Blue (Da Ba Dee)“ von der Musikgruppe „Eiffel 65“. Der Liedtext fehlt, stattdessen gibt eine ruhige, aber bestimmte Stimme Anweisungen. Acht Tänzer bewegen sich im Takt. Der Clubabend der „Rock Church Dancers“ ist in vollem Gange. Wie lange hier noch Square Dance getanzt wird, ist ungewiss: Wenn sich keine neuen Tänzer finden, steht der Club vor dem Aus.
„Corona hat das Vereinsleben kaputtgemacht. Viele Mitglieder kommen seitdem nicht mehr“, erzählt Dieter Bremm, der Caller (Ansager) des Clubs. Viele hätten Angst, sich nach dem pandemiebedingten Tanzverbot zu blamieren. Einige Tänzer pausierten aus gesundheitlichen Gründen. Von 19 Mitgliedern tanzen nur noch neun aktiv. Nicht immer sind die „Rock Church Dancers“ deshalb tanzfähig.
Beim Square Dance wird weltweit nach denselben Regeln getanzt
Für den Tanz im Quadrat werden acht Personen gebraucht – vier Tanzpaare bilden einen Square (Quadrat). Wenn es eng wird, gibt es manchmal Unterstützung aus benachbarten Clubs: An diesem Abend sind zwei Bad Sobernheimer Tänzerinnen, Inge Kergel und Rosemarie Panier, zu Gast.
Ohne Probleme können die beiden bei den „Rock Church Dancers“ mittanzen, denn überall auf der Welt sind die Regeln im Square Dance gleich. Eine feste Choreografie gibt es nicht. Es ist immer eine Überraschung, welche Tanzfiguren aufeinanderfolgen. Das entscheidet allein der Caller – ohne den könne die Gruppe nicht tanzen, betont die Club-Vorsitzende Claudia Litzenberger.

Dieter Bremm steht außerhalb der Tanzgruppe, in der rechten Hand hält er ein Mikrofon. Aufmerksam verfolgt er die Tänzer. „Circle left“, lautet die nächste Anweisung: Alle Tänzer nehmen sich an den Händen und bewegen sich im Kreis nach links. „Gedanklich tanze ich mit. Ich bin den Tänzern im Square aber immer eine Figur voraus.“
Bremm muss genau wissen, wie die Tanzenden zum Stehen kommen, um die nächste Figur ansagen zu können. Square Dance sei eine Konzentrationsgeschichte und habe viel mit dem Kopf zu tun, erklärt der Club-Caller. „Wenn man in den Square geht, kann man noch so viel Stress haben, den vergisst man beim Tanzen.“ Körper und Geist würden vereint. Die Clubvorsitzende Litzenberger sagt: „Die geistige Herausforderung wird hier großgeschrieben. Man muss denken und gleichzeitig laufen. Ich möchte den Club nicht missen.“
„Wenn es den Club nicht mehr gibt, wissen wir nicht, wo wir hingehen sollen.“
Karin Decker, Vizepräsidentin der „Rock Church Dancers“
Der erste Tanz des Abends ist fast geschafft. Die vier Männer – alle tragen dunkle Jeans, Hemden im Westernstil mit Halstuch oder Krawattenschnur – achten genau auf den Takt. Die Petticoat-Röcke der vier Tänzerinnen schwingen zur Musik.
Rüschen, Spitze, Blümchenmuster oder bunter Stoff: Einige der Frauen nähen ihre Röcke selbst. „Square Dance ist ein Hobby, bei dem ich vieles verbinden kann“, sagt Karin Decker. Die Vizepräsidentin der „Rock Church Dancers“ und ihr Mann Gerhard Decker kommen seit 14 Jahren wöchentlich aus Thallichtenberg bei Kusel nach Mittelbollenbach. Die beiden haben die weiteste Anfahrt.

„Wenn es den Club nicht mehr gibt, wissen wir nicht, wo wir hingehen sollen“, sagt Vizepräsidentin Decker. Im Laufe der Jahre seien außerdem enge Freundschaften entstanden. Viele Mitglieder sind bereits seit der Club-Gründung im Jahr 2007 mit dabei und haben viel zusammen erlebt. Besonders die Besuche bei anderen Clubs seien in Erinnerung geblieben.
Horst Litzenberger, Kassenwart der „Rock Church Dancers“, denkt an seine erste Square-Dance-Reise nach Südfrankreich zurück: „Beim Tanzen habe ich gemerkt, dass niemand Deutsch spricht, das war völlig egal. Square Dance verbindet.“ Es ginge um den gemeinsamen Tanz.

Beim zweiten Tanz des Abends sind nun die Gäste dran – einige Interessierte möchten den amerikanischen Volkstanz kennenlernen und sind zum Probetanzen da. Michaela Bossert ist mir ihrer Mutter, Monika Bank, und ihrer Schwester, Alexandra Duran, da. „Am Anfang fand ich es kompliziert, später hat es Spaß gemacht. Man denkt an nichts anderes während dem Tanzen“, sagt Bossert.
Zwei Squares kommen mit den Gästen zustande. Die erfahrenen Tänzer schnappen sich jeweils einen Anfänger und schon geht es los. „Do sa do“, „Allemande left“ oder „Dancers circulate“: Im Übungsteil erklärt Bremm alle Ansagen Schritt für Schritt. Danach werden die Anweisungen zur Melodie des Liedes im „Singing Call“ gesungen: Die Tänzer müssen die Figuren erkennen und schnell mit den Füßen umsetzen. Weiß ein Anfänger mal nicht weiter, weisen die Profis geduldig den richtigen Weg. Club-Caller Bremm betont: „Wir kennen keinen Wettbewerb, es gibt nur ein Miteinander.“
Square Dance lernen mit den „Rock Church Dancers“
Der Idar-Obersteiner Square-Dance-Club bildet neue Tänzer aus. Ein Kurs für Anfänger findet ab sofort in der alten Schule in Mittelbollenbach statt. Jeden Mittwochabend von 19.30 bis 21.30 Uhr lernen die Anfänger in der sogenannten „Class“ die Grundlagen des amerikanischen Volkstanzes. Die Ausbildung dauert circa sechs Monate. Pro Woche lernen die Tänzer ein bis zwei neue Tanzschritte, bis sie am Ende die 70 Figuren des Grundprogramms (Mainstream) können. „Irgendwann gehen die Figuren in Fleisch und Blut über“, sagt Dieter Bremm, Mitbegründer und Club-Caller der „Rock Church Dancers“. Square Dance sei relativ leicht zu erlernen, auch Singles seien herzlich willkommen. „Ein Tanzpartner findet sich schnell unter den anwesenden Tänzern.“ Zwar sind die Ansagen alle auf Englisch, doch Bremm betont, dass Sprachkenntnisse nicht nötig seien, um mittanzen zu können. „Als Anfänger muss man nichts als gute Laune mitbringen.“ Anmeldungen sind bei Claudia Litzenberger möglich, Tel.: 06784/6570.