Kreisverband von Bündnis 90/Grüne ruft mit Forderung eines Baustopps der Ortsumgehung Rhaunen diverse Reaktionen hervor
Hunsrückspange ist keineswegs unumstritten: Kreisverband von Bündnis 90/Grüne fordert Baustopp der Ortsumgehung Rhaunen
Verkehrsminister Volker Wissing (rechts) war im Juni 2019 nach Rhaunen gekommen, um den offiziellen Spatenstich für den Bau der Ortsumgehung Rhaunen vorzunehmen. Die Maßnahme hat allerdings nach wie vor zahlreiche Kritiker.
Reiner Drumm (Archiv)

Rhaunen. Der vom Kreisverband Bündnis 90/Grüne geforderte Baustopp der Ortsumgehung Rhaunen – eines Teilstücks der Hunsrückspange – sorgt bei Kommunal- und Bundespolitikern für Unverständnis, etwa bei dem Liberalen Matthias Keidel (die NZ berichtete), teilweise aber auch für Zustimmung. Stefan Molz, Ortsbürgermeister in Bruchweiler, und der SPD-Bundestagsabgeordnete Joe Weingarten haben sich ebenfalls mit dieser Thematik befasst.

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„Schade, dass der Kreisverband von Bündnis 90/Grüne erst seit gestern existiert“, sagt etwa Stefan Molz, Ortsbürgermeister in Bruchweiler, mit Blick auf die noch gar nicht so lang zurückliegende Gründung des Kreisverbandes. „Ich hätte mir in meiner politischen Vergangenheit (von 2004 bis 2009) als Fraktionsvorsitzender der LUB-Kreistagsfraktion und Mitglied des VG-Rates der ehemaligen VG Herrstein solche politisch Gleichgesinnte zum Thema Hunsrückspange gewünscht“, betont er. „Heute, wo die Bauarbeiten der Brücke bei Rhaunen bereits begonnen haben und die ersten Fundamente stehen, frage ich mich, wo Bündnis 90/Grüne all die Jahre zuvor war.“

Die in dem Bericht der NZ vom 17. Dezember aufgeführte Problematik der Umgehung von Rhaunen und die Dreiteilung der Streckenführung mit dem völlig offenen Ergebnis der Trassenführung zwischen Rhaunen und der Anbindung an die B 50/B 327 sowie am anderen Ende (beziehungsweise am Anfang) der Hunsrückspange im Fischbachtal (zwischen Herrstein und Breitenthal) sei für Molz schon damals im Kreistag und im VG-Rat bedenklich gewesen. 2006 hatte die LUB-Fraktion diese Bedenken mit Elke Kiltz – sie war zwischen 1994 und 1996 Mitglied des Landesvorstands der rheinland-pfälzischen Grünen und von 1996 bis 2006 Mitglied des rheinland-pfälzischen Landtags – bei einem Vororttermin besprochen und sie um ihre Unterstützung gebeten.

„In meiner Funktion als Fraktionsvorsitzender, VG-Ratsmitglied, seit 2009 als Gemeinderatsmitglied und ab 2014 Ortsbürgermeister der Ortsgemeinde Bruchweiler kämpfte ich für die Fortführung einer direkten Verbindung ohne Ortsdurchfahrten von der B 41 bei Fischbach bis zur B 327 bei Morbach, nach Plänen aus den 90er-Jahren, wovon die Umgehungen Fischbach, Niederwörresbach und Herrstein bereits realisiert wurden“, erklärt Molz. Durch eine weitere Umgehung von Kempfeld und Bruchweiler hätte man eine kostengünstigere und naturverträglichere Alternative zur Hunsrückspange ohne große Brückenbauwerke und von Morbach bis zur Anbindung an den Hochmoselübergang eine schon jetzt dreispurig ausgebaute B 327.

Diese Variante sei nach wie vor der Wunsch der betroffenen Gemeinden aus Kempfeld und Bruchweiler und bereits 2008 durch einstimmige Beschlüsse beider Ortsgemeinderäte zum Ausdruck gebracht worden. Mit den eingesparten Millionen (keine teuren Brückenbauwerke, nur eine circa zwei Kilometer lange Umgehung von Kempfeld und Bruchweiler als Straßenneubau) hätte man eine praktikablere Streckenführung für die Ortsgemeinde Rhaunen planen und zeitnah umsetzten können, sagt Molz.

SPD-Bundestagsmitglied Joe Weingarten bezeichnet in einer Pressemitteilung die Vorstellungen der Grünen zur Ortsumgehung von Rhaunen indes als reichlich naiv: „Die Forderung des Grünen-Kreisverbandes Birkenfeld nach einem Baustopp der Ortsumgehung Rhaunen als Teil der geplanten Hunsrückspange offenbart eine reichlich naive Vorstellung von Wirtschafts- und Verkehrspolitik“, teilt Weingarten mit. Der Bau der Ortsumgehung Rhaunen sei im Gegensatz zu den Vorstellungen der Birkenfelder Grünen ein vernünftiges Beispiel moderner Verkehrspolitik, da dort die Interessen des ganzen Kreises mit denen der Anwohner in Rhaunen zusammengebracht würden. Weingarten verweist darauf, das der begonnene Teil der Hunsrückspange zwischen dem Flughafen Hahn und dem Kreis Birkenfeld langfristig dem ganzen Kreis diene. „Ob mit Flugbetrieb oder ohne – wir haben am Hahn eines der größten und am besten erschlossenen Gewerbegebiete in ganz Südwestdeutschland. Dort erhalten auf Jahrzehnte Firmen die Möglichkeit der Ansiedlung und der Schaffung von Arbeitsplätzen.“ Davon könne und müsse auch der Kreis Birkenfeld profitieren. „Das geht“, so sagt der Bundestagsabgeordnete weiter, „nur mit vernünftigen und leistungsfähigen Verkehrsverbindungen und der Umgehung von Ortsdurchfahrten, so wie in Rhaunen.“

Die Vorstellung der Grünen, anstelle von Straßenverbindungen nur auf den Ausbau des schnellen Internets zu setzen, sei gleichfalls „reichlich naiv“: Die Produktionsbetriebe sowohl im Kreis Birkenfeld als auch auf dem Hunsrück rund um den Hahn bräuchten konkurrenzfähige Anbindungen, um Güter und Menschen schnell transportieren zu können: „Wir können keine Maschinenteile durchs Glasfasernetz schicken.“ Dass gerade in den ländlichen Räumen der parallele Ausbau von Glasfasernetzen notwendig ist, sei unbestreitbar, erklärte der SPD-Digitalpolitiker. Aber es sei die falsche Alternative, die eine Standortvoraussetzung gegen die andere auszuspielen: „Wir brauchen beides: Glasfaser und Straßen- oder auch Schienenverbindungen.“

Die Ortsumgehung Rhaunen sei im Hinblick auf einen sparsamen Flächenverbrauch konzipiert und entlaste die von Verkehr stark belastete Ortslage, betont der Abgeordnete. „Dass hier endlich nach Jahrzehnten etwas passiert, ist auch im Interesse Rhaunens.“ Weingarten verweist darauf, dass der ländliche Raum selbstverständlich Teil eines aktiven Klimaschutzes im Verkehr sein müsse.

„Dass auf unseren Straßen in den nächsten Jahrzehnten ganz andere Fahrzeuge fahren sollten als heute, sei doch klar, betont Weingarten. „Wir brauchen einen emissionsfreien Verkehr auf Elektro- und Wasserstoffbasis, auch um unsere Natur und das Klima zu schützen.“ Aber auch das modernste, schadstofffrei fahrende Fahrzeug brauche in Zukunft leistungsfähige Straßen, um der Naheregion und ihren Dörfern und Städten eine Zukunft zu sichern, betont der Bundestagsabgeordnete abschließend.

„Weltfremd und gegen die Interessen der Region gerichtet“, nennt der Sprecher der Verkehrsinitiative Viscon, Wolfgang Hey, in einer Mitteilung an die Presse die Forderung des Grünen-Kreisverbandes nach einem Baustopp für die Umgehung Rhaunen: „Dieses Projekt als Teil der Hunsrückspange wurde seit Jahrzehnten von der Gemeinde Rhaunen als Vertreter der Bürgerschaft gefordert und in einem öffentlichen und rechtsstaatlichen Verfahren festgelegt. Jeder Bürger hatte die Gelegenheit, zu widersprechen oder Änderungsvorschläge einzubringen.“ Mitten in der Baumaßnahme nun mit der Forderung nach einem Baustopp und mit Alternativvorschlägen zu kommen, spreche dafür, dass sich die Verfasser über das Projekt zuvor nicht informiert hätten: „Dabei wurde es der Grünen-Fraktion der VG Herrstein-Rhaunen vor einigen Monaten ausführlich erläutert. Das Vorhaben als alt und überholt zu bezeichnen, geht an der Realität vorbei. Die Hunsrückspange ist als eine den Wirtschafts- und Verkehrsanforderungen der Region angemessene Verbindung zwischen der Naheregion und dem Hunsrück (B 41 und B 50) gedacht. Der Bedarf dafür besteht für die Entwicklung der Region zeitlos. Das hatten sogar schon die Römer erkannt, als sie diese beiden Regionen mit mehreren überregionalen Straße verbanden. Der Hunsrückspange kommt außerdem die Aufgabe zu, den Wirtschaftsraum Idar-Oberstein/Kirn an das nördliche Autobahnnetz anzubinden, was von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung ist“, betont er.

Durch den Zusammenschluss der Verbandsgemeinden Herrstein und Rhaunen werde sie zudem zu einer „Lebensader“. Die jetzigen Straßenverhältnisse zwischen den beiden Orten seien dafür nicht annähernd akzeptabel. Den Anschluss eines leistungsfähigen Netzes als Alternative darzustellen, lasse keinen Realitätssinn erkennen. Güter und Menschen brauchten auch eine gute Straßenanbindung an die wirtschaftlichen Schwerpunktregionen des Umfeldes. Der jetzt erreichte Ausbau- und Planungsstand der Hunsrückspange habe erhebliche Anstrengungen der Region erfordert: „Wir sollten die Zukunftschancen unseres Heimatraumes nicht durch solche Aktionen gefährden.“ ni/red

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