Brieftauben-Reisevereinigungen sind Zusammenschlüsse von Brieftaubenvereinen, die die Aufgabe haben, die „Rennpferde des kleinen Mannes“ bei Wettflügen an ihren Startort zu bringen, von wo aus sie dann zum heimischen Schlag zurückfliegen sollen. Im Jahr finden von April bis Juli bis zu zwölf Wettflüge für Altvögel über eine Distanz zwischen 200 und mehr als 1000 Kilometern statt. Bei einjährigen Tauben sind es drei bis vier Flüge bis zu 200 Kilometern. Bei diesen Wettflügen kommt es regelmäßig zu Verlusten von Tieren.
„Die Verantwortlichen nehmen billigend in Kauf, dass sehr viele Tauben sterben“, begründet Dr. Christian Arleth, Rechtsanwalt der Peta, die Anzeigen. „Tierquälerei ist kein Kavaliersdelikt. Vögel aus Profitgier und Prestigegründen zu missbrauchen, passt nicht in unsere Gesellschaft. Ein Verbot von Taubenwettflügen ist längst überfällig.“ Obwohl Taubenwettflüge dem Tierschutzgesetz widersprächen, so Peta, werde der gesamte Brieftaubensport in Deutschland nicht veterinärbehördlich kontrolliert. „Bei Wettflügen sterben zahlreiche Vögel an Flüssigkeitsmangel, Hunger, Erschöpfung oder Verletzungen“, prangert Peta an.
Die 22 Reisevereinigungen aus ganz Deutschland, die von Peta angezeigt wurden, sind diejenigen, so erklärte die Tierschutzvereinigung auf unsere Nachfrage, bei denen die Verluste in der vergangenen Wettflugsaison am höchsten gelegen haben, in dieser Negativliste gehöre die Brieftauben-Reisevereinigung Obere Nahe mit einer „Setzverlustrate“ von 71 Prozent zu den bundesweiten Spitzenreitern.
Allerdings liegt in der Größe „Setzverlustrate“ auch eine Tücke in der Argumentation von Peta. Die Tauben, die von ihren Züchtern für Wettflüge gemeldet werden, kommen auf eine Setzliste, wobei die Tauben vom ersten Wettfliegen der Saison an dabei sein müssen und auch keines auslassen dürfen, um in die diversen Wertungen zu kommen, die bei diesem Sport vorgesehen sind. Es liegt also in der Natur der Sache, dass die Setzliste im Lauf der Saison immer kürzer wird. Diese Verluste allerdings, so erläutert Rüdiger Fett, der Vorsitzende der Brieftauben-Reisevereinigung Obere Nahe, können ganz unterschiedliche Ursachen haben.
„Etliche Tauben werden Opfer von Raubvögeln, immer häufiger auch von Windrädern“, erklärt er. Früher habe es auch sogenannte „Katastrophenflüge“ gegeben, bei denen – in der Regel durch Unwetter bedingt – fast das gesamte Starterfeld verloren gegangen sei. „So etwas gibt es heute aber nicht mehr“, betont Fett, der selbst in der Funktion des Flugleiters für Transport und Start der Vögel verantwortlich ist. „Dank der sehr präzise gewordenen Prognosen können wir mit fast 100-prozentiger Genauigkeit den Wetterverlauf auf einer Route voraussagen. Und wenn kein sicherer Flug prognostiziert werden kann, dann wird ein Wettkampf abgesagt. Ebenso bei Temperaturen von über 30 Grad.“
Die angebliche Verlustquote von 71 Prozent oder in absoluten Zahlen von 645 Tieren, den Peta der Reisevereinigung Obere Nahe nachsagt, beziehe sich auf die Setzliste bei den Jungvögeln. „Bei unserem ersten Jungtierflug im Jahr 2017 sind 973 Tauben von 18 Züchtern gestartet“, erklärt er. „Beim letzten Flug waren es dann 328 Vögel von sechs Züchtern. Viele Züchter sind entweder ausgestiegen, weil ihre Tauben keine Siegchancen mehr hatten oder, was um die Jahreszeit üblich ist, in die Mauser gekommen sind.“
Was aus der Strafanzeige von Peta wird, ist bislang noch unklar. „Wenn sich ein Anfangsverdacht bestätigen sollte, dann werden wir auch die Ermittlungen aufnehmen“, erklärte Michael Brandt, leitender Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach, auf unsere Nachfrage.