Bingen/Frankfurt – Der Ton in der Debatte um Lösungsmöglichkeiten für die Hertie-Leerstände in über 30 deutschen Städten verschärft sich. In einem Schreiben an den Co-Vorsitzenden des Vorstands der Deutschen Bank in Frankfurt, Jürgen Fitschen, fordert der Binger Oberbürgermeister Thomas Feser für den Sprecherkreis der Bürgermeister und Oberbürgermeister der ehemaligen Hertie-Standorte Aufklärung zur der Frage, inwieweit das Unternehmen Einfluss auf die Verwertung der Immobilien nimmt.
Aktueller Hintergrund des erneuten Vorstoßes der „Wutbürgermeister“ mit Thomas Feser an der Spitze ist das Verhalten der Deutschen Bank im Falle der Hertie-Immobilie in Schleswig. Noch im November stand das Objekt zur Zwangsversteigerung an. Um diese zu verhindern, tätigte die Deutsche Bank kurzfristig eine Überweisung von 140 000 Euro. „Dieses Verhalten ist absolut entgegengesetzt zu dem, was uns noch anlässlich unseres letzten Treffens am 22. November in Frankfurt erklärt wurde“, zeigt sich OB Thomas Feser in seinem Brief an Fitschen enttäuscht. „Mit der Verhinderung der Zwangsversteigerung wird bewusst eine städtebauliche Entwicklung in Schleswig verzögert; ein solches Vorgehen kann auch jeden anderen Hertie-Standort treffen“, befürchtet Feser. Und damit auch Idar-Oberstein: Denn auch am hiesigen Amtsgericht läuft ein von der Stadt betriebenes Zwangsversteigerungsverfahren. Dazu hatte sie als Gläubigerin wegen nicht beglichener Steuerschulden im Rahmen der Insolvenz der Betreibergesellschaft das Recht.
In deutlichen Worten fordert Feser den Co-Chef der Deutschen Bank auf, diese möge endlich ihre Verantwortung akzeptieren, die sie mit dem Weiterreichen des Hertiepakets an Hatfield Philips International, den jetzigen Grundpfandrechtsinhaber, nach wie vor habe. Gleichzeitig erwarteten die Vertreter der Kommunen der ehemaligen Hertie-Standorte, dass die Deutsche Bank dafür Sorge trage, dass das Gefeilsche um die „Semiruinen“ in den Städten aufhört und Angebote von Investoren und der Städte zügig abgewickelt werden, wie es in der „Binger Erklärung“ vom 13. September gefordert wurde. „Wir werden alles in unserer Macht Stehende unternehmen, damit die Politik durch neue Regelungen im Baugesetzbuch für die Zukunft solche Immobilienspekulationen verhindert“, macht Feser für den Sprecherkreis deutlich. So soll ein Geldinstitut auch nach einer Verbriefung von Forderungen weiterhin Verantwortung tragen müssen.
Außerdem sei man entschlossen, die Öffentlichkeit auf die Ursachen der Millionenschäden aufmerksam zu machen, die durch die Verschleppung der Verwertung der Immobilien entstanden ist. Leider hätten die Gespräche in Bingen und Frankfurt nicht die Einsicht bewirkt, dass die Zeit des Versteckens und der Verantwortungsdelegation vor-bei ist", stellt der Binger OB bedauernd fest. Mit der Abwendung der Zwangsversteigerung in Schleswig habe die Bank ein hohes Maß an Vertrauen zerstört. Man erwarte nun von Fitschen, dass er sich – wie im Fall Stade – für eine umgehende Lösung für alle Hertie-Immobilien in den betroffenen Städten einsetze. Rainer Gräff