Partys, kulturelle Angebote und Treffpunkte: Viele junge Menschen sehnen sich nach attraktiven Freizeitangeboten – in ländlichen Regionen meist vergebens. Das wollen Jugendliche und junge Erwachsene in der Verbandsgemeinde (VG) Herrstein-Rhaunen ändern. Hier gibt es einen Jugendbeirat – den einzigen im gesamten Landkreis.
Sommerparty, Graffiti-Workshop, Mainz-Fahrt: Der Jugendbeirat plant abwechslungsreiche Aktionen. „Uns geht es in erster Linie darum, dass junge Menschen Spaß in der Region haben“, erklärt Jule Sohns. Die 21-jährige Vorsitzende des Vereins lebt in Mainz, wo sie Soziale Arbeit studiert. Ihre Jugend hat sie auf dem Land verbracht. Deshalb weiß sie, wie herausfordernd das sein kann.
Jungen Menschen fehlen oft attraktive Freizeitangebote in ländlicher Region
„Auf dem Land ist es zum Beispiel normal, nicht feiern zu gehen. Meistens sind wir im Auto rumgefahren oder haben einfach Musik gehört“, erinnert sich Jule Sohns, die schon seit mehr als sechs Jahren im Jugendbeirat aktiv ist. Die Mobilität sei für viele ein großes Problem. Elterntaxi oder Schulbus – ohne Führerschein sei man auf dem Land meist aufgeschmissen.
Der 17-jährige Bennet Hennrich, zweiter Stellvertreter, sehnt sich nach dem Stadtleben. „In der Stadt gibt es viel zu tun, man ist mitten im Geschehen“, sagt der Oberstufenschüler. Beide engagieren sich im Jugendbeirat, weil sie das Landleben für junge Menschen attraktiver machen wollen. „Meist gibt es hier nur Dorffeste mit Schlagermusik und Alkohol“, sagt Jule Sohns. Damit sich das ändert, nehmen die beiden die Planung abwechslungsreicher Aktionen selbst in die Hand – Alkohol soll dabei nicht im Fokus stehen. Damit sind die beiden nicht allein.

Derzeit engagieren sich im Jugendbeirat 14 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 15 und 23 Jahren. „Es motiviert, wenn man merkt, dass man nicht allein ist mit dem Veränderungswillen“, sagt Jule Sohns. Der Jugendbeirat setze sich seit den Wahlen Ende vergangenen Jahres aus vielen neuen, jungen Mitgliedern zusammen. „Wir haben viele neue Sichtweisen und Ideen. Die Dynamik verändert sich dadurch“, erklärt Jule Sohns.
Junge Erwachsene opfern viel Freizeit für die Arbeit im Jugendbeirat
Wie organisieren die jungen Menschen ihre Arbeit? Einmal im Monat tagt der Jugendbeirat, zumindest im Idealfall, sagt Jule Sohns. Manchmal gelinge es auch nur alle zwei Monate. Die Arbeit ruhe in der Zwischenzeit aber nicht. In Arbeitsgruppen eingeteilt, planen und organisieren die Mitglieder Aktionen und Projekte, die in nächster Zeit anstehen. Bennet Hennrich ist zum Beispiel Teil der Gruppe, die sich um einen Ausflug nach Mainz kümmert: „Wir brauchen die passenden Zugverbindungen für die Hin- und Rückreise. Außerdem würden wir gern den Landtag besuchen. Das alles ist mit vielen Nachfragen verbunden.“
Manche Projekte nähmen mehr Zeit in Anspruch als andere, erklärt Jule Sohns. Das sei bei allem so, das zum ersten Mal organisiert werde. Lena Reidenbach, die als Jugendpflegerin der Verbandsgemeinde eng mit den jungen Menschen zusammenarbeitet, wünscht sich mehr Wertschätzung: „Viele Menschen meckern über die Jugend. Aber die Jugendlichen hier wollen etwas machen. Und man darf nicht vergessen: Die machen das alles ehrenamtlich, zusätzlich zur Schule oder zum Studium.“ Bennet Hennrich und Jule Sohns wünschen sich mehr Engagement auch in anderen Gegenden der VG.
„Es motiviert, wenn man merkt, dass man nicht allein ist mit dem Veränderungswillen.“
Jule Sohns, Vorsitzende des Jugendbeirats der VG Herrstein-Rhaunen
„In manchen Orten gibt es Leute, die engagieren sich extrem viel, das sind meistens dieselben. Andere engagieren sich gar nicht“, sagt Bennet Hennrich. Umso mehr freuten sie sich darüber, wenn zum Beispiel der Jugendraum in Veitsrodt mit ihnen kooperiert oder sie mit den Schülern gymnasialer Oberstufen zusammenarbeiten. Letztere hätten die Bewirtung auf Festen übernommen, um etwas für die Abikasse dazuzuverdienen.
Der Jugendbeirat komme bei solchen Veranstaltungen meist auf null heraus. „Uns geht es nicht darum, Profit zu machen. Wir wollen etwas schaffen, wo jeder hinkommen kann“, sagt Bennet Hennrich. Reidenbach erklärt, dass die VG dem Jugendbeirat ein Budget zur Verfügung stellt. Außerdem gibt es für manche Aktionen Sponsoren, und die Teilnahme an Wettbewerben habe die Kasse des Jugendbeirats nicht nur einmal mit Preisgeld gefüllt.
Politische Themen sind den jungen Menschen wichtig
Beim Jugend-Engagement-Wettbewerb Rheinland-Pfalz hat der Jugendbeirat mit seinem Projekt „Kleidertauschparty“ gewonnen und ein Preisgeld in Höhe von 500 Euro erhalten. Bereits zum dritten Mal in Folge habe der Jugendbeirat zu den ausgezeichneten Projektträgern gehört, erzählt Reidenbach. Sohns erklärt: „Bei der Kleidertauschparty geht es darum, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, vor Ort shoppen zu können, ohne viele Kilometer fahren zu müssen.“ Außerdem sei die Kleidung günstig und man tue beim Second-Hand-Shopping etwas Gutes für die Umwelt.

Politische Themen spielen im Jugendbeirat immer wieder eine Rolle. „Wir lassen politische Themen in unsere Arbeit mit einfließen. Zum Beispiel haben wir uns viel mit dem Klimaschutz beschäftigt oder mit dem Thema ,Meine Zukunft in der VG’“, erklärt die 21-jährige Vorsitzende des Beirats. Bennet Hennrich und Jule Sohns sind beide politisch interessiert. Über die aktuellen politischen Entwicklungen – vor allem im ländlichen Raum – machen sie sich viele Gedanken.
„Wenn das Bewusstsein da ist, kann es mit der Demokratie funktionieren – auch in der Jugend.“
Bennet Hennrich, stellvertretender Vorsitzender des Jugendbeirats der VG Herrstein-Rhaunen
Die demokratischen Werte spielen für die jungen Erwachsenen eine große Rolle – für das Handeln des Jugendbeirates sind sie Grundvoraussetzung und deshalb in der Satzung verankert. „Unsere Aktionen sind immer demokratisch wertvoll. Demokratie ist im Jugendbeirat unser Grundwert. Wir stimmen über alles demokratisch ab“, erklärt Bennet Hennrich. Die Abstimmungen verliefen immer reibungslos. Durch das Miteinander lernten sie, wie Demokratie und ein gutes Miteinander funktionieren. „Wenn das Bewusstsein da ist, kann es mit der Demokratie funktionieren – auch in der Jugend.“ Die drohende Zersplitterung der Gesellschaft bereitet den Jugendlichen Sorgen.
Jugendbeirat der VG Herrstein-Rhaunen ist der einzige im Landkreis
Der Jugendbeirat der Nationalparkverbandsgemeinde Herrstein-Rhaunen zählt derzeit 14 Mitglieder im Alter zwischen 15 und 23 Jahren: Hailey Michelle Biegel, Mira Engbarth, Greta Gehres, Mareike Gehres, Bennet Hennrich (Zweiter Stellvertreter), Pascal Kaya, Clara Knieling, Niklas Krug, Max Leonhard (Erster Stellvertreter), Lilli Meiren, Jule Sohns (Vorsitzende), Alisha Stumm, Maite Wagner und Layla Aileen Weite. Mitmachen können alle, die ihren Erst- oder Zweitwohnsitz in der VG haben und zwischen 14 und 25 Jahre alt sind. Gewählt wird der Jugendbeirat alle fünf Jahre. Die jüngste Wahl fand Ende vergangenen Jahres statt. Um Ideen einzubringen, müsse man kein Mitglied sein, erklärt Jugendpflegerin Lena Reidenbach. „In öffentlichen Sitzungen können junge Menschen erfahren, was ein Jugendbeirat ist und wie die Arbeit der jungen Erwachsenen abläuft.“