Bad Kreuznach
Hebammen kämpfen um ihre Existenz

Protestierten in Bad Kreuznach für ihre Anliegen: Hebammen aus dem ganzen Land und viele Sympathisanten. Foto: Gustl Stumpf

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Bad Kreuznach - Die Hebammen im Land gehen in die Offensive. Weil sie sich in ihrer Existenz bedroht sehen, demonstrierten sie am Samstag in Bad Kreuznach für entsprechende Absicherung und den Erhalt eines ganzen Berufsstandes.

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Von unserem Redakteur Gustl Stumpf

Vor allem die freiberuflichen Geburtshelferinnen stecken in einem Dilemma. Die Tarife für ihre zwingend notwendigen Haftpflichtversicherungen schnellten zuletzt in die Höhe. Schlimmer noch: Die Versicherer kündigten an, sich wegen unkalkulierbarer Regressrisiken bis Juli 2015 ganz aus dem Markt zurückzuziehen. Das wäre das Aus für alle selbstständigen Hebammen, die ohne Haftpflichtversicherung überhaupt nicht mehr arbeiten dürfen.

Ein Unding, findet Patricia Kühl aus Fürfeld. Die Mutter von fünf Kindern, die selbst zwei Hausgeburten erlebte, initiierte deshalb die landesweite Demo in Bad Kreuznach. Ihrem Aufruf folgten gut und gern 200 Hebammen und Sympathisanten, in der Mehrzahl Frauen, einige Kinder und Männer. „Toll, das hätte ich nie gedacht“, schilderte Kühl ihre Eindrücke hinsichtlich der Resonanz. Für die Fürfelderin war die extreme Verschärfung der Hebammensituation ausschlaggebend, um aktiv zu werden. „Wir Eltern müssen auf die Straße, weil wir von den Hebammen profitieren“, unterstrich sie am Samstag. Gynäkologen und Kinderärzte könnten deren Aufgaben beileibe nicht übernehmen.

Der enorme Anstieg von Kaiserschnitten, die Geburt als einen natürlichen Vorgang in ein unnatürliches Schema zu quetschen, das halten viele für den falschen Weg. Auch Bad Kreuznachs Oberbürgermeisterin Heike Kaster-Meurer, die die Demonstranten am Kornmarkt erwartete, äußerte sich entsprechend. „Das Thema liegt mir sehr am Herzen“, sagte sie. Allerdings müsse das Problem bundespolitisch gelöst werden. Ähnlich äußerte sich die CDU-Bundestagsabgeordnete Antje Lezius inmitten der Demo: „Ich verstehe die Hebammen.“ An Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe habe sie bereits ein Schreiben formuliert, verriet sie. Versicherungen, Krankenkassen und Staat müssten zusammen eine Lösung finden. Gabi Bauer, Vorsitzende des Hebammenlandesverbandes Rheinland-Pfalz, erklärte: „Gröhe hat Hilfe zugesagt, jetzt gilt es aufzupassen, wie die einzelnen Schritte verlaufen.“

Aufmerksamkeit erzeugen, genau das wollten die Demonstranten. Lautstark, mit Trillerpfeifen, Blasinstrumenten und Ratschen ausgestattet, zogen sie vom Bad Kreuznacher Bahnhof aus durch die Fußgängerzone. Auf zahlreichen Bannern und Transparenten stand zu lesen, was den Protest ausmacht: Leben braucht einen guten Anfang, Gebären in Geborgenheit, ohne Hebammen geht das nicht. Oder: Hände weg von meinen Hebammen, rettet die Hebammen. Die kleine Valérie, siebenjährige Tochter von Initiatorin Patricia Kühl, signalisierte mit einem Herz aus Pappe um den Hals, wer dabei war, als sie das Licht der Welt erblickte: Meine Hebammen heißen Maria und Dorothea, hieß es da.

Die Vorsitzende des Hebammenkreisverbandes Bad Kreuznach, Kirn, Idar-Oberstein, Mariangela Bonsignore Scheuffele aus Guldental, forderte die Frauen auf, ihre Rechte auf freie Geburt und Hebammenbetreuung geltend zu machen. Gerade im ländlichen Bereich müsse dies flächendeckend gewährleistet sein.

Solidarität erfuhren die Hebammen nicht nur von Gleichgesinnten wie Susanne Höss aus Bingen und Natascha Dannenberg aus Bad Kreuznach, von Müttern wie Laura Eckes aus Windesheim und Stefanie Schwan aus Hergenfeld, sondern auch von berufsnahen Kolleginnen wie Isabella Liebig aus Waldböckelheim, die als Kinderkrankenschwester im St. Marienwörth arbeitet. „Ich unterstütze die Anliegen der Hebammen, die bei uns angestellt sind oder freiberuflich arbeiten“, sagte sie und bedauerte, dass „der Anfang des Lebens keine Lobby hat“.

Auch aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis und der Region Mainz waren Demoteilnehmer angereist. Sie alle präsentierten sich in Bad Kreuznach als große Familie, die sich zu wehren beginnt gegen das Risikogespenst und ein schleichendes Berufsverbot.

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