Teil eins der Recherche unserer Zeitung zum AfD-Kreisverband Birkenfeld behandelte die Finanzunregelmäßigkeiten innerhalb der parteieigenen Kasse unter dem Vorsitz von Claudia von Bohr. Doch das ist nicht das erste Mal, dass die heutige Kreisvorsitzende im Mittelpunkt von Kontroversen innerhalb der AfD steht.
Bereits bei von Bohrs erstem Eintrittsversuch in die AfD soll es Probleme mit einer möglichen vorherigen Mitgliedschaft in der rechtsextremen Partei Deutsche Volksunion (DVU) gegeben habe. Die DVU fusionierte 2011 mit der NPD, heute „Die Heimat“.
Aufgrund dieser Mitgliedschaft hatte die damalige Kreisvorsitzende Gabriele Bublies-Leifert Claudia von Bohr 2016 als AfD-Mitglied abgelehnt. Das bestätigt Bublies-Leifert gegenüber unserer Zeitung. „Das ist der Sachstand, der sich mir damals präsentiert hat, und ich stehe auch heute zu dieser Entscheidung“, sagt die ehemalige Kreisvorsitzende der Birkenfelder AfD.
Von Bohr hat nach Informationen unserer Zeitung trotz der ersten Ablehnung weiter AfD-Veranstaltungen im Kreis Birkenfeld und in ganz Rheinland-Pfalz besucht und den Kontakt zu der Partei gesucht. Laut dem früheren AfD-Landtagsabgeordneten Jens Ahnemüller gab sie dabei wiederholt auch gegenüber ihm selbst an, wenige Monate Mitglied in der DVU gewesen zu sein, wie aus einem unserer Zeitung vorliegenden Schreiben hervorgeht. Ahnemüller bestätigte dies im Telefonat mit unserer Zeitung.
Später habe von Bohr die Geschichte abgewandelt, wie Ahnemüller es darstellt. Sie sei minderjährig und über familiäre Hintergründe in Kontakt zur DVU gekommen und in diesem Zeitraum im Rahmen einer DVU-Veranstaltung von einer anderen Person bei der rechtsextremen Partei als Mitglied angemeldet worden. Von Bohr selbst bestreitet, Mitglied in der DVU gewesen zu sein: „Mein AfD-Aufnahmeantrag stammt aus dem Jahr 2019. Es gab einen früheren Aufnahmeantrag, der nie zur Bearbeitung kam, in dem ich fälschlicherweise eine Mitgliedschaft in der DVU angegeben hatte und der von mir zurückgezogen wurde“, teilt sie auf Anfrage unserer Zeitung mit.
Kreisvorsitzende soll Kontakt zu rechtsextremer Szene unterhalten haben
Kontakt zu Personen aus der rechtsextremen Szene soll sie – so stellt es Ahnemüller dar – jedoch auch als AfD-Mitglied unterhalten haben. So unter anderem zum Neonazi Sascha Wagner, ehemaliges Mitglied im Landesvorstand der NPD in Rheinland-Pfalz. 2015 gründete Wagner die Gruppe „Saarländer gegen Salafisten“. Aktuell organisiert Wagner gemeinsam mit dem rechtsextremen Steuerberater Michael Dangel das „Thing der Titanen“, ein jährliches Treffen der rechtsextremen Szene an verschiedenen Orten, bei dem unter anderem schon der neurechte YouTuber Christian „Outdoor“ Illner, der Rechtsaußen-Aktivist Tomislav Sunić, Frank Kraemer, Frontmann der Rechtsrockband Stahlgewitter, sowie der für seine antisemitischen Thesen bekannte emeritierte US-Professor Kevin B. MacDonald auftraten.
Die Bekanntschaft zu Wagner hat schon mehrere Parteiausschlussverfahren in der rheinland-pfälzischen AfD zur Folge gehabt, zum Beispiel gegen die ehemalige Landesvizechefin Christiane Christen. Ahnemüller selbst wurde 2018 zuerst aus der AfD-Fraktion im Landtag und dann 2019 auch aus der Partei selbst ausgeschlossen. Der Grund: unter anderem seine Verbindungen zu Sascha Wagner. Genannt wurde im Parteiausschlussverfahren gegen Ahnemüller unter anderem der von dem ehemaligen Landtagsabgeordneten organisierte Trauer- und Friedensmarsch der „Patriotischen Friedensbewegung“ am 1. September 2018 in Hermeskeil. Dort habe Wagner Ahnemüller bei der Organisation geholfen, es soll zu einem Treffen in Ahnemüllers Trierer Büro gekommen sein. Wohl eine der Hauptzeuginnen im Verfahren gegen Ahnemüller war nach Informationen unserer Zeitung die heutige Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Birkenfeld, Claudia von Bohr.
Doch von Bohr habe selbst enge Kontakte zu Wagner gepflegt, wie Ahnemüller, der auch nach seinem Parteiausschluss seine eigene Verbindung zu dem Neonazi bislang bestritt, nun angibt. Sie habe mindestens im Jahr 2018 für mehrere Monate einen „freundschaftlichen Kontakt“ zu Wagner unterhalten. Im Sommer 2018 soll die heutige Kreisvorsitzende gemeinsam mit Wagner zu einem Treffen im Wahlkreisbüro des ehemaligen Landtagsabgeordneten anlässlich der Organisation des Trauer- und Friedensmarsches in Hermeskeil erschienen sein, wie Ahnemüller angibt. Neben Wagner, von Bohr und Ahnemüller nahmen an dem Treffen auch Mitglieder der mittlerweile aufgelösten Identitären Bewegung (IB) Trier teil, darunter Christian Illner. Mitglieder der IB Trier nahmen auch als Ordner an dem Trauermarsch in Hermeskeil teil.
Auch wenn die AfD-Kreisvorsitzende Claudia von Bohr angibt, dass alles im Kreisverband Birkenfeld in bester Ordnung sei: Offene Fragen liefern unter anderem die Kasse – und auch womöglich bestehende oder ehemalige Kontakte in die rechte Szene.Angeblich verschwundene Spenden und Barauszahlungen belasten Kreisvorsitzende
Sie habe Sascha Wagner „vor sieben oder acht Jahren zweimal persönlich getroffen, ohne von seiner Vita Kenntnis zu haben“, gibt von Bohr gegenüber unserer Zeitung an. Sie bestätigt, dass sie bei dem Treffen im Jahr 2018 anwesend war. „Zweck meines Besuches war einzig und allein der Wunsch, den AfD-Abgeordneten Ahnenmüller kennenzulernen“, erklärt die heutige AfD-Kreisvorsitzende.
Claudia von Bohr soll Landtagskandidatin der AfD werden
Ein Foto, das der AfD-Kreisverband Birkenfeld am 6. Februar 2025 auf seiner Facebook-Seite postete, wirft ebenfalls Fragen auf. Dort ist neben von Bohr und MdB Nicole Höchst sowie weiteren Mitglieder der AfD im Kreis Birkenfeld auch der Birkenfelder Hartmut Heinrich zu sehen. Heinrich gehört gemeinsam mit dem regionalen Dichter Frank Dumke, der mittlerweile auch bei der vergangenen Ausgabe des „Thing der Titanen“ im Jahr 2024 als Redner auftrat, zu den Organisatoren des Hunsrück Forum. Das Hunsrück Forum fand unter anderem am 8. März 2024 im Kreis Birkenfeld statt. Als Redner geladen war damals der rechtsextreme Steuerberater Michael Dangel aus Heilbronn, der unter dem Titel „Buntland ist abgebrannt“ referierte. Auch Wagner war vermutlich an der Organisation des Hunsrück Forums beteiligt. Heinrich sei dem AfD-Kreisverband als „Gast im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen“ bekannt und habe nach einem gemeinsamen Foto gefragt, schreibt von Bohr auf Anfrage unserer Zeitung.
Trotz der nicht geklärten Fragen bei den Finanzen des AfD-Kreisverbandes Birkenfeld und der möglichen Verbindungen in die rechte Szene scheint von Bohr allerdings das Vertrauen der rheinland-pfälzischen AfD-Führung zu genießen. Bei einem Landesparteitag im Juni in der Messe Idar-Oberstein soll die 51-Jährige als Kandidatin der AfD für die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz im Jahr 2026 bestätigt werden und nach Informationen unserer Zeitung auf Platz zehn kandidieren.
Unsere Zeitung erhielt in den vergangenen Monaten Insider-Informationen aus AfD-Kreisen, die den Kreisverband der Partei und die Kreisvorsitzende Claudia von Bohr betreffen. Wie und warum wir uns dem Thema genähert haben.Darum recherchieren wir zum Kreisverband Birkenfeld