In ehemaliger Erken-Praxis sollen Patientinnen betreut werden - Unterdessen verschärft sich Hausarzt-Problematik
Gynäkologisches Versorgungszentrum in Idar-Oberstein geplant – Ärztemangel spitzt sich dennoch zu
Symbolbild

Kreis Birkenfeld. Es ist seit Jahren ein Thema, bei dem immer wieder Handlungsbedarf ausgemacht wird, sich aber letztlich nichts Entscheidendes tut: der Ärztemangel im Kreis Birkenfeld. Die Problematik spitzt sich zu, sagen auch einige Mediziner, die aber gern anonym bleiben und sich nicht aus dem Fenster lehnen wollen.

Die NZ fragte unter anderem bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz nach. Aktuell seien im Mittelbereich Idar-Oberstein/Birkenfeld sieben freie Arztsitze für die Arztgruppe der Hausärzte zu verzeichnen. In der Kreisregion Birkenfeld sind 1,5 freie Arztsitze für die Arztgruppe der Frauenärzte vorhanden. Eine weitere Hausarztpraxis in Idar-Oberstein, die nach unseren Informationen rund 2000 Patienten betreute, schließt wohl im Sommer.

Suche ohne Erfolg

Dazu kommt ein weiterer Fakt: Auch Menschen aus Kirn und Umgebung haben in den vergangenen Monaten händeringend nach einem neuen Arzt gesucht, auch in Idar-Oberstein und dem gesamten Kreis Birkenfeld: Der Kirner Arzt Dr. Berno Wischmann hatte über Jahre nach einem Kollegen gesucht, der seine Hausarztpraxis übernimmt. Ohne Erfolg. Im November 2021 schloss er seine Praxis. Seine mehr als 1500 Patienten machten sich auf die Suche nach einem neuen Hausarzt. Und wurden oft abgewiesen: Aufnahmestopp.

So ergeht es auch vielen Patienten, die nun nach der Schließungsankündigung eines weiteren Hausarztes in Idar-Oberstein auf die Suche gehen. Oft bleibt das ohne Erfolg. Die KV sagt: Grundsätzlich stehe es jeder Arztpraxis frei, wie viele Patienten sie aufnimmt und behandelt. Anders sehe es bei Notfällen aus. Als Notfall gelte, wenn aus medizinischen Gründen eine umgehende Behandlung des Patienten notwendig sei und ein Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden könne.

Der um Hilfe ersuchte Arzt habe die ihm möglichen Interventionsmaßnahmen zu unternehmen und dafür auch die laufende Sprechstunde zu unterbrechen. Sofern nach seiner Einschätzung sein Tätigwerden nicht ausreicht, habe er sicherzustellen, dass der Patient die richtige notwendige Versorgung erhalte, indem er zum Beispiel eine Krankenhauseinweisung ausstelle und für den nötigen Transport sorgt: „Wenn Lebensgefahr besteht oder wenn ohne unmittelbare Behandlung bleibende gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, ist der Rettungsdienst unter der Telefonnummer 112 zu verständigen.“

Die KV unterstütze Patienten zum einen über den Praxisfinder auf ihrer Internetseite bei der Arztsuche. Zum anderen biete der Patientenservice 116.117 eine telefonische Vermittlung an die nächstgelegene Arztpraxis an, die kann in vielen Fällen weiterhelfen. Grundsätzlich sei dazu anzumerken, dass Patienten mit einem akuten Behandlungsbedarf eine entsprechende Versorgung erhielten. Termine für aufschiebbare Untersuchungen könnten aufgrund des Ärztemangels jedoch mit längeren Wartezeiten verbunden sein.

Diese Erfahrung machte jüngst das Ehepaar K. (Name ist der Redaktion bekannt) aus Idar-Oberstein. Die Ehefrau, Geburtsjahr 1963, habe im Januar versucht, einen Termin für die Vorsorgeuntersuchung bei ihrer Frauenärztin in Idar-Oberstein zu erhalten. „Leider musste sie erfahren, dass die Ärztin ihre Praxis zum 31. Dezember 2021 aufgegeben hat. Es wurde in der Bandansage aber darauf hingewiesen, dass man hoffe, bald eine entsprechende Nachfolge zu finden. Da sich aber bis Mitte Februar an der Bandansage nichts geändert hatte, versucht meine Frau jetzt seit mehreren Wochen, einen Termin bei den Frauenärztinnen im Kreis Birkenfeld zu bekommen. Leider, wie bei vielen Arztpraxen, war sehr viel Geduld nötig, bis sie jemand erreichte.

Leider ohne Erfolg. Ausnahme bei einer Terminvergabe machen die Frauenärztinnen anscheinend nur bei Frauen, die schwanger sind“, schildert der Ehemann. Man habe sich dann auch im Kreis Birkenfeld umgehört, aber auch da nur Absagen erhalten. „Bei der letzten Praxis, die wir kontaktierten, wurde sogar ein Terminservice übers Internet angeboten. Als wir dann einen Termin buchten, kam der Hinweis, dass zurzeit keine Terminvergabe stattfinden kann.“

Nach Rücksprache mit der Krankenkasse hat sich das Paar Hilfe suchend an die KV gewandt, mit der Bitte um eine zeitnahe Terminvergabe bei einer Frauenärztin. Auf der Internetseite der KV wird dieser Service angeboten. Es habe auch einen Anruf vonseiten der KV gegeben, die Ehefrau war nicht daheim, aus datenschutzrechtlichen Gründen wurde dem Ehemann nicht erlaubt, einen Termin zu machen: Das Gespräch endete im Streit. Der Ehemann kritisiert: Die KV müsse ihrem Versorgungsauftrag nachkommen. Dem Serviceversprechen, der Ehefrau einen zeitnahen Termin bei einer Ärztin in zumutbarer Entfernung anzubieten, sei die KV bis dato ebenfalls nicht nachgekommen.

Mittlerweile hat die Frau einen Termin zur Krebsvorsorge: nicht im Kreis Birkenfeld oder im Kreis Bad Kreuznach, sondern im Saarland. Zudem hat der Ehemann, langjähriger Mitarbeiter einer Krankenkasse, Kontakt zum SPD-Bundestagsabgeordneten Joe Weingarten aufgenommen, um ihn auf diese Missstände hinzuweisen.

Auch ein Schreiben ans Gesundheitsministerium hat der besorgte Ehemann abgeschickt. Eine Antwort kam dieser Tage: Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz und die gesetzlichen Krankenkassen förderten die Weiterbildung junger Ärzte im ambulanten Bereich. Wer einen Teil der fünfjährigen Facharzt-Weiterbildung in einer vertragsärztlichen Praxis verbringe, baue Bindungen auf und sei häufig daran interessiert, sich nach Abschluss der Facharzt-Weiterbildung in der Region niederzulassen und eine frei werdende Praxis zu übernehmen.

Beratung für Kommunen

Durch Einrichtung von Weiterbildungsverbünden gemeinsam mit regionalen Krankenhäusern könne diese Bindung an die Region noch verstärkt werden. Wichtig sei auch, Ärzte für die Versorgung zurückzugewinnen, die ihren Beruf derzeit nicht ausüben. Das Land finanziere daher Wiedereinstiegskurse für Ärzte, die zum Beispiel aufgrund einer Elternzeit längere Zeit nicht praktiziert haben. Aber auch die Kommunen könnten ihren Beitrag leisten. Auf Initiative und mit Fördermitteln des Landes wurde daher bei der Kassenärztlichen Vereinigung eine Beratungsstelle für Kommunen geschaffen, die sich im Bereich der ambulanten Versorgung engagieren möchten. Die Beratungsstelle unterstütze bei der Entwicklung und Umsetzung von Ideen und Förderprogrammen und ermögliche so den Akteuren vor Ort, sich einzubringen und einen Beitrag zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung zu leisten, schreibt ein Mitarbeiter des Ministeriums in seiner Antwort an den Mann.

Doch hier scheint sich möglicherweise eine Lösung abzuzeichnen: Unter der Regie des Krankenhausbetreibers SHG soll in der ehemaligen Frauenarzt-Praxis Erken in Göttschied ein gynäkologisches MVZ (medizinisches Versorgungszentrum) entstehen. Drei Gynäkologinnen aus dem Klinikum wollen ihre Arbeitszeit in der Klinik reduzieren und im Zusammenspiel einen Praxisbetrieb in den gut ausgestatteten Räumen anbieten.

Entsprechende Pläne gibt es seit September, eine Entscheidung der KV steht allerdings noch aus, sodass nicht vor Juli mit einem laufenden Praxisbetrieb gerechnet werden kann. Wobei Hendrik Weinz, Verwaltungsdirektor des Klinikums Idar-Oberstein, gute Nachrichten hat, wie er gegenüber der NZ betont: „Die Vertragsunterzeichnung steht bevor.“

Mit Blick auf die hausärztliche Versorgung sagt Karoline Hautmann-Strack, Obfrau der Kreisärzteschaft: „Es gibt Kontakte, es kommen junge Ärzte nach, die sind aber noch nicht so weit. Das dauert. Die Praxen sind voll, die Situation bleibt erst mal noch zwei, drei Jahre problematisch.“

Von unserer Redakteurin Vera Müller

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