Privater Bahnbetreiber aus der Schweiz hat konkrete Pläne: Schienenverkehr ab Dezember zwischen Langenlonsheim und Morbach
Güterzüge sollen schon im Herbst wieder durch den Hunsrück rollen
Der CDU-Kreisvorsitzende Tobias Vogt (links) und der Fraktionsvorsitzende der Union im Simmerner Kreistag, Wolfgang Wagner, inspizierten einen Streckenabschnitt der Hunsrückquerbahn in Kirchberg-Denzen, wo das Gleis unmittelbar an Wohnhäusern vorbei verläuft. Foto: Werner Dupuis
Werner Dupuis

Hunsrück. Nachdem es für einen längeren Zeitraum ruhig war um die Reaktivierung der Hunsrückquerbahn zwischen Langenlonsheim und Morbach, kommt jetzt wieder Bewegung in die Diskussion. Aber anders als erwartet. Es geht nämlich nicht um Personenverkehr auf der Strecke, für deren Reaktivierung das Planfeststellungsverfahren seit sechs Jahren läuft. Die Schweizer WRS Widmer Rail Service AG will ab Dezember Güterzüge über den Hunsrück schicken. Das Unternehmen hat eine Niederlassung in Karlsruhe, beschäftigt rund 100 Angestellte und befördert insgesamt rund 1500 Güterzüge zwischen der Schweiz und Deutschland sowie noch einmal rund 600 Züge in den beiden Ländern selbst.

In einem Schreiben ans Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau sowie an die zuständigen Landräte hat die WRS über ihr Vorhaben informiert. Demnach will sie Schienengüterverkehr zwischen Langenlonsheim und Büchenbeuren sowie weiter bis nach Morbach und Hermeskeil betreiben. Ziel sei, dass dafür der Streckenabschnitt zwischen Langenlonsheim und Büchenbeuren genutzt werden soll, für den man im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens bereits mehrere Einwendungen beim Eisenbahnbundesamt in Saarbrücken gemacht habe. Den weiterführenden Abschnitt zwischen Büchenbeuren und Morbach/Hermeskeil will man von der DB Netz pachten. Weiter heißt es in dem Schreiben, dass das Unternehmen bereits mit potenziellen Frachtkunden Gespräche geführt habe und zuversichtlich sei, ab Dezember 2020 Güterzüge über die Strecke rollen zu lassen. Mit der IG Nationalparkbahn, die seit fünf Jahren einen Pachtvertrag mit der DB Netz für den Abschnitt Hinzerath–Morbach–Thalfang anstrebt, habe man vereinbart, dass die WRS sich um den gesamten Streckenabschnitt bemüht und man sich gegenseitig ergänzen wolle.

Drei Zugpaare täglich geplant

Angedacht sind jeweils drei Zugpaare, die von Montag bis Freitag verkehren sollen. Interessanterweise findet sich darunter auch eine Verbindung zwischen Simmern und Mailand-Smistamento, einem großen Bahndrehkreuz der norditalienischen Metropole. Die anderen Züge verkehren zwischen Morbach und Mannheim sowie zwischen Bingen und Simmern, alle jeweils hin und zurück.

Vertreter der WRS AG haben sich in Simmern mit Stadtbürgermeister Andreas Nikolay und den beiden Bürgermeistern der Verbandsgemeinden Simmern-Rheinböllen, Michael Boos, und Kirchberg, Harald Rosenbaum, getroffen. Alle drei Bürgermeister teilten auf Anfrage unserer Zeitung mit, dass sie bei dem Treffen den Eindruck gewonnen hätten, dass das Ansinnen ernst zu nehmen sei.

Alexander Neubauer, Niederlassungsleiter der WRS Deutschland GmbH in Karlsruhe, hat auf Anfrage unserer Zeitung signalisiert, dass aus seiner Sicht die Strecke betriebsbereit sei: „Somit können wir hier sofort fahren.“ Den ambitionierten Zeitplan hält Neubauer für umsetzbar. Die DB Netz AG habe eine Betriebspflicht: „Sie müssen jetzt schauen, was sie damit machen“, sagt Neubauer.

Hürden sieht er „maximal bei der Weiterführung ab Büchenbeu-ren und den Gleisanlagen in Ellern und Simmern“. Letztere seien aber in Klärung und könnten den Start verzögern. Ellern habe einen Gleisanschluss an einer Ladestraße, die entsprechend auch im Planfeststellungsantrag für Güterverkehr eingeplant sei, erläutert Neubauer. Der Bahnhof in Ellern böte sich ebenso für das Verladen von Holz an, wie vor allem auch die Station Zolleiche zwischen Hochscheid und Hinzerath, wo derzeit riesige Holzstapel lagern.

Dass die Züge bei unbeschrankten Bahnübergängen Signale geben müssen, räumt Neubauer ein. Teilweise würden die nach seiner Auskunft 100 bis 400 Meter langen Güterzüge unmittelbar an Wohnbebauung vorbei rollen. Beispiele dafür gibt es nahezu in allen Ortschaften entlang der Strecke. Es sollen aber ausschließlich moderne Waggons mit „leisen“ Flüsterbremsanlagen zum Einsatz kommen. „Altes Material ist nicht mehr zugelassen, das ist für uns maßgeblich“, sagt Neubauer.

Sobald die DB Netz signalisiere, dass die Strecke aus ihrer Sicht befahrbar sei, will WRS loslegen. Personal werde bereits geschult, sagt Neubauer. Er möchte dazu beitragen, dass die viel geäußerte Absicht, mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlegen, umgesetzt wird. „Es rollen ja immer mehr Lkw über den Hunsrück, jetzt ist sogar bei Argenthal noch eine teure neue Rastanlage im Bau. Die Leute müssen anfangen, neu zu denken“, fordert Neubauer.

In diese Richtung „neu“ denkt auch Simmerns Stadtbürgermeister. Andreas Nikolay verweist auf die bisherigen Bemühungen der Reaktivierung der Bahnstrecke, die im Koalitionsvertrag festgeschrieben sei. Dafür hat sich Nikolay in der Vergangenheit klar ausgesprochen. Zahlreiche kommunale Entscheidungsträger haben sich allerdings wegen ihrer Meinung nach mangelnder Wirtschaftlichkeit gegen eine Wiederaufnahme eines Zugverkehrs durch den Hunsrück ausgesprochen. Zuletzt hatte die CDU in der Region und im Land wiederholt die Landesregierung aufgefordert, endlich eine Entscheidung zu treffen, für oder gegen eine Reaktivierung. Die Hängepartie mit dem seit sechs Jahren dauernden Planfeststellungsverfahren wird von der Union scharf kritisiert. Diese Kritik seiner Partei greift auch Nikolay auf: „Wir haben leise Personenzüge gefordert, die niemanden belästigt hätten. Nichts ist passiert! Die Strecke wurde weder stillgelegt noch reaktiviert. Es gab keine Klarheit. Jetzt sollen Güterzüge kommen. W Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie angesichts der Klimasituation und der vollkommenen Überlastung unseres Straßennetzes die Landesregierung die zeitgemäße Reaktivierung der Hunsrückbahn nicht vorangetrieben hat. Nun muss das Land handeln: Lärmschutz an der Strecke, sichere Bahnübergänge und endlich ein Konzept für die Zukunft. Aber bitte für Menschen, nicht nur für Waren.“

Harald Rosenbaum sagte auf Anfrage unserer Zeitung, dass er das Konzept der WRS AG „schon sehr beeindruckend“ finde. Er sei nicht gegen Güterverkehre, aber wenn sie stattfinden sollten, dann müsse die Strecke so ertüchtigt werden, dass nicht an jedem Bahnübergang Gefahr drohe und die Züge ständig Signal geben müssten. Der Güterverkehr auf der Strecke sei im Planfeststellungsverfahren zur Reaktivierung bislang allenfalls ein Aspekt „unter ferner liefen“, wie Rosenbaum es ausdrückte. Wenn die Deutsche Bahn das Ansinnen der WRS Widmer AG ablehne, würde die DB schadenersatzpflichtig, denn es handele sich bei der Hunsrückquerbahn um eine bestehende Strecke, die nicht stillgelegt ist.

Holztransporte im Fokus

Wie zu hören ist, beabsichtigt das Schweizer Bahnunternehmen, in erster Linie Holz über die Strecke zu transportieren, aber auch Kerosin. Alexander Neubauer sagt auf Nachfrage unserer Zeitung: „Verschiedene Güter, die benötigt werden können. Holz gehört dazu, ebenso Materialien für die Holzverarbeitung. Mit dem Flughafen Hahn stehen wir in Gesprächen.“ Laut Auskunft von Andreas Nikolay habe WRS ihm berichtet, dass man die komplette Kerosinlieferung für den Flughafen Zürich abwickele. „Die Schweizer wollen auch an der Strecke investieren“, sagt Nikolay. Es sei angedacht, auf dem Gelände des ehemaligen Lokschuppens in Simmern eine Halle für die Wartung des rollenden Materials entstehen zu lassen. Das Simmerner Bahngelände hätten die WRS-Vertreter bei ihrem Besuch in Simmern bereits in Augenschein genommen, berichtet Nikolay.

Von unserem Redaktionsleiter Thomas Torkler

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