Stadtrat Idar-Oberstein
Grundsteuer B: SPD scheitert mit Antrag
Die Grundsteuer B war erneut Thema im Stadtrat. Ein Antrag der SPD sorgte für eine sehr intensive und auch emotionale Diskussion.
Jens Büttner. picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Die umstrittene Grundsteuerreform in Rheinland-Pfalz beschäftigte den Idar-Obersteiner Stadtrat: Es kam zu einer sehr intensiven Debatte mit Blick auf einen Antrag der SPD-Fraktion.

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Schwierig und komplex ist das Thema, Gerechtigkeit ist schwer herzustellen. Darin waren sich fast alle einig bei der intensiven und auch gelegentlich emotional geführten Debatte zur Grundsteuer B im Stadtrat Idar-Oberstein.

SPD-Fraktionschef Moritz Forster liegt das Thema seit Langem am Herzen. Nach intensiver Einarbeitung in die Thematik, erläuterte er, bringe seine Fraktion nun einen Antrag in die Stadtratssitzung ein: die Einführung differenzierter Hebesätze für die Grundsteuer B rückwirkend ab dem 1. Januar 2025. Dabei soll der Hebesatz für Wohngebäude auf 650 Prozent und für Nicht-Wohngebäude auf 1350 Prozent festgesetzt werden. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Der Antrag scheiterte.

Ein Gegenantrag von Frederik Grüneberg (CDU) setzte sich mit deutlicher Mehrheit durch: Das Thema soll in der ersten Hauptausschusssitzung nach den Sommerferien noch einmal erörtert werden, dann mit konkreten Zahlen und Bewertungen der Verwaltung zu den einzelnen Punkten und im Kontext mit anderen haushaltsrelevanten Themen.

„Wir würden Privathaushalte extrem entlasten.“
SPD-Fraktionschef Moritz Forster

Doch vorher legte Forster dar, wie der SPD-Antrag zu verstehen ist: Ziel sei es, den durch die Grundsteuerreform verursachten, nicht beabsichtigten Lastenverschiebungen zwischen privaten Haushalten und Gewerbetreibenden entgegenzuwirken. Die Umsetzung erfolge aufkommensneutral, solle also insgesamt keine zusätzlichen Einnahmen für die Kommune generieren – aber die Verteilung gerechter gestalten.

Durch die Anwendung des Bundesmodells der Grundsteuerreform – ohne landesspezifische Korrektur der Messzahlen – habe sich in der Stadt eine überproportionale Entlastung des nicht-wohnwirtschaftlich genutzten Immobilienbestands ergeben. Die Messbetragssumme im Bereich Nicht-Wohngebäude habe sich um rund 68 Prozent reduziert. Die Messbetragssumme im Bereich Wohngebäude sei hingegen lediglich um etwa 11 Prozent gesunken.

Moderate Gestaltung ist das Ziel

Diese deutlichen Unterschiede resultierten aus der neuen Art der Bewertung im Rahmen der Grundsteuerreform, die stark auf Lage und individuelle Bebauung abziele. Damit entstünden erhebliche Unterschiede innerhalb einer Kommune – abhängig von der Nutzung und Struktur der Grundstücke.

„Bei einem einheitlichen Hebesatz müsste die Differenz zwangsläufig von den privaten Haushalten getragen werden. Die Privathaushalte würden damit zur ,finanziellen Reparaturkolonne‘ einer Steuerreform, die ursprünglich Aufkommensneutralität versprach. Gleichzeitig entstünde eine massive Entlastung für die gewerbliche Wirtschaft, ohne dass dies wirtschaftspolitisch begründet oder kommunalpolitisch gesteuert wäre“, heißt es in dem Antrag.

Die vorgeschlagenen differenzierten Hebesätze in Höhe von 650 Prozent für Wohngebäude und 1350 Prozent für Nicht-Wohngebäude seien nicht nur aufkommensneutral kalkuliert, sie führten sogar zu einer leichten Entlastung der nicht wohnwirtschaftlich genutzten Grundstücke im Vergleich zum Jahr 2024: Wollte man eine tatsächliche Aufkommensneutralität innerhalb beider Nutzungsarten erreichen – also bezogen auf das jeweilige Jahr 2024 und getrennt nach Wohn- und Nicht-Wohngebäuden – müsste man, so Forster, Hebesätze in folgender Höhe ansetzen: Wohngebäude 572 Prozent, Nicht-Wohngebäude 1754 Prozent.

Forster führt weiter aus: „Vor dem Hintergrund gesamtwirtschaftlicher Erwägungen und der Wettbewerbsfähigkeit unserer Region halten wir es jedoch für sinnvoll, einen leicht abgemilderten Weg zu gehen. Wir befinden uns im Wettbewerb mit anderen Mittelzentren im ländlichen Raum. Eine moderate Gestaltung der Hebesätze soll verhindern, dass gewerbliche Investitionen behindert oder neue Ansiedlungen erschwert werden. Gleichzeitig schützen wir die privaten Haushalte vor übermäßigen Belastungen.“

„Verkürzt und einseitig dargestellt“

Die Stadt Idar-Oberstein sei mit diesem strukturellen Ungleichgewicht nicht allein. Auch Städte wie Kaiserslautern und Bitburg sähen sich mit ähnlichen Verschiebungen konfrontiert und hätten daher mit der Umsetzung differenzierter Hebesätze begonnen. Dieses Instrument sei bewusst vom Landesgesetzgeber geschaffen worden, um regionalen Disparitäten entgegenzuwirken – und werde nun mit gutem Grund genutzt.

Es folgte massive Kritik vonseiten der Sozialdemokraten: „Wir nehmen mit deutlicher Irritation zur Kenntnis, dass in einer internen Stellungnahme der Verwaltung die tatsächlichen Zusammenhänge differenzierter Hebesätze verkürzt und einseitig dargestellt wurden. Zur Bewertung wurden insbesondere Lobbyorganisationen wie die IHK sowie politisch geprägte Verbände wie der Städtetag und der Gemeinde- und Städtebund zitiert.“ Beide zuletzt genannten Organisationen seien von hauptamtlichen Vertretern kommunaler Verwaltungen besetzt, die qua Amt als Verwaltungsleitungen auch den bürokratischen Aufwand im Auge behielten.

Nur Vermutungen?

Da es sich nun im ersten Moment um einen einmaligen zusätzlichen Verwaltungsaufwand handele, neue Bescheide zu verschicken und womöglich Widersprüche zu behandeln, seien beide Organisationen dagegen. Es würden, um Aufwand abzuwenden, Zweifel gesät, die allein aufgrund von wagen Vermutungen und Befürchtungen bestünden.

Dabei bleibe unerwähnt, dass im rheinland-pfälzischen Landtag mehrere verfassungsrechtliche Gutachten eingeholt wurden, die alle zur Bewertung kamen, dass differenzierte Hebesätze rechtssicher umsetzbar seien. Auf dieser Grundlage hätten auch alle Landtagsfraktionen einstimmig der Möglichkeit differenzierter Hebesätze zugestimmt – als Werkzeug, um lokale Ungleichheiten auszugleichen.

„Wir erkennen den Mehraufwand in der Verwaltung an. Aber: Verwaltungsaufwand darf nicht als Vorwand genutzt werden, um strukturelle Ungerechtigkeiten aufrechtzuerhalten. Es geht um die faire Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Finanzierung unserer Stadt und insbesondere darum, dass wir Privathaushalte nicht über Gebühr beanspruchen“, betonte Forster.

Forster übt Kritik

Im Vorfeld der Antragseinbringung seien durch einzelne Repräsentanten der Stadt „einseitige Darstellungen, verkürzte Argumentationen und teilweise sogar Tatsachenverdrehungen“ in der öffentlichen Diskussion verbreitet worden: „Solches Verhalten trägt nicht zu einem respektvollen demokratischen Austausch bei, sondern gefährdet das Vertrauen in unsere kommunalpolitische Kultur.“

Die SPD-Fraktion stellt klar: „Die kommunale Selbstverwaltung steht nicht unter Kuratel einzelner Akteure, sondern handelt in eigenständiger Verantwortung – insbesondere, wenn es um die faire Belastung der Menschen vor Ort geht.“ Forster betonte: „Wir hatten doch verärgerte Bürger hier, die die Belastungen nicht mehr stemmen können. Das kann man nicht ignorieren.“

Mit der beantragten Einführung differenzierter Hebesätze für die Grundsteuer B leiste man einen „sachlich fundierten und sozial gerechten“ Beitrag zur Umsetzung der Grundsteuerreform in Idar-Oberstein: „Wir handeln im Einklang mit dem Gesetzgeber, mit anderen Kommunen und mit dem Gerechtigkeitsempfinden unserer Bürger.“

OB: „Das weise ich zurück“

OB Frank Frühauf ärgerte sich sichtlich über die Kritik an der Verwaltung: „Ich weise diese Vorwürfe aufs Schärfste zurück.“ Kämmerer Carsten Stützel gab einen Einblick in die Thematik: Man habe durchaus Verständnis für den Antrag. Auch der damit verbundene Aufwand sei nicht das Problem. Dennoch: So einfach sei es nun einmal nicht. Erforderliche Schritte für eine Einführung der differenzierten Hebesätze seien: die Festlegung eines Hebesatzes für unbebaute Grundstücke, Wohngrundstücke und Nichtwohngrundstücke, Definition eines Lenkungszweckes (also eine Begründung), Begründung für unterschiedliche Hebesätze, die eine Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen rechtfertigt sowie die Festsetzung der differenzierten Hebesätze je Grundstückskategorie in einer Satzung. Das erfordere einen Nachtragsetat und eine Grundsteuerhebesatzung.

Grüneberg warnte vor einem Schnellschuss: „Eine schwierige Sache, die man mit Zeit und Fingerspitzengefühl behandeln sollte. Auch sollte man die Erfahrungen anderer Kommunen abwarten und nutzen.“ Bernhard Zwetsch (FDP) befürwortete, dass das Thema auf der Agenda stehe, man die Bürger sensibilisiere und informiere. Allerdings: „Die Spaltung, die vorliegt, ist so gewollt. Darüber muss man sich im Klaren sein.“

Aufwand und Nutzen

Christina Schwardt (CDU) sieht den SPD-Antrag aus vielerlei Gründen als problematisch. „Stehen Aufwand und Nutzen im vernünftigen Verhältnis? Sollte man in der aktuellen Lage Gewerbetreibende noch zusätzlich belasten?“ Nikolaus-Peter Manstein (AfD) meinte, das Problem liege im Bundesmodell. Man solle über den Tellerrand schauen und abwarten. Wohnen dürfe nicht teurer werden, man begrüße den SPD-Antrag deshalb, stimme aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu. Die AfD möchte – „wie auch schon auf Landesebene gefordert“ – eine Bürgerschutzklausel in die Grundsteuer einbauen. Diese stelle sicher, dass auf Wohngrundstücke kein höherer Hebesatz festgesetzt wird als auf Nichtwohngrundstücke.

Von Eduard Erken (Bündnis 90/Die Grünen) erhielt Forster Rückendeckung: „Der Vorschlag ist sinnvoll.“ Frank Schnadthorst (Freie Liste) mahnte: „Wir kriegen keine absolute Gerechtigkeit in dieser Sache.“ Karl-Heinz Totz (CDU) war der letzte Redner auf der Liste: „Um eine gerechte Lösung müssen wir ringen. Und in aller Ruhe ein Paket schnüren.“

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