Denn im Birkenfelder Land haben erstmals seit 190 Jahren wieder Storchenbabys das Licht der Welt erblickt. Das betonen Ortsbürgermeister Rudi Weber sowie Tom Sessa und Andreas Damm von der Interessengemeinschaft (IG) Storchenfreunde Schmißberg im NZ-Gespräch. In ihre Nachforschungen zum früheren Vorkommen der stattlichen Vogelart war unter anderem Willi Weitz, der Hobbyornithologe und Vorsitzende des Pollichia-Kreisverbands, aus Hoppstädten-Weiersbach involviert. Letztmals sei 1830 aus Meckenbach von Storchennachwuchs berichtet worden.
Einen kleinen „Makel“ haben die Babys von Lotte und Bernie. „In der Wissenschaft zählen nur Wildbruten, nicht aber solche im Gehege“, erläutert Sessa. Das Schmißberger Pärchen lebt aber in einem von den Storchenfreunden mit Unterstützung der Ortsgemeinde aufgestellten Voliere. „1740 Arbeitsstunden an Eigenleistung stecken in diesem Projekt“, betont Weber.
„Piratenpaar“ brütet ebenfalls
Allerdings ist es gut möglich, dass in unmittelbarer Nähe schon in den nächsten Tagen Weißstorchküken schlüpfen, deren Eltern in freier Natur leben. Oberhalb des Geheges gibt es ein weiteres Nest, das von einem anderen Pärchen besetzt wird. „Piratenstörche“ werden sie in Schmißberg genannt, weil sie im April ein vorher dort beheimatetes Einzeltier vertrieben haben. Auch im Nest der Piratenstörche wird gebrütet. „Wir können aber nicht tief genug hineinsehen, um zu wissen, wie viele Eier dort liegen“, sagt Sessa.
Wie auch immer: Die Freude darüber, dass zumindest bei Bernie und Lotte eine schöne Liebesgeschichte ihren Höhepunkt gefunden hat, ist in Schmißberg groß. Das Pärchen ist im September 2019 dorthin umgezogen. Ursprünglich kommen die beiden Störche aus Theisbergstegen im Landkreis Kusel. Die beiden Tiere waren vor 20 Monaten von einem Betreuer des Vereins Storchenfreunde Glantal zu ihrem neuen Zuhause im Hunsrückort gebracht worden.
Lotte, das Weibchen, kann nach einer Verletzung dauerhaft nicht mehr fliegen. Auch ihr Partner Bernie war zunächst verletzt, ist mittlerweile aber wieder flugfähig. Allerdings hatte es in Theisbergstegen bei der ursprünglich geplanten Auswilderung von Bernie Probleme gegeben, weil er nicht für sich alleine sorgen konnte und bei Lotte bleiben wollte. Aus diesem Grund fanden die beiden Tiere in Schmißberg eine neue Heimat und werden dort gemeinsam ihr Leben verbringen, bis dass der Tod sie scheidet.
Ihr Nachwuchs wird aber nicht im Gehege bleiben. „Die Tiere werden selbstverständlich in die Freiheit entlassen, wenn sie dafür groß genug sind“, betont Sessa. „Zunächst hoffen wir aber natürlich, dass alle auch gesund bleiben und durchkommen“, ergänzt Weber. Ein wenig Sorge mache diesbezüglich das nasse und für die Jahreszeit etwas zu kühle Wetter.
Zweimal täglich Zusatzfütterung
Am Montagabend waren zunächst zwei Küken geschlüpft, das dritte folgte am Dienstag, ein viertes Ei ist angepickt, und es gibt zudem noch ein fünftes Ei im Nest. Weil die Eltern in der Voliere nur ein begrenztes Nahrungsangebot vorfinden, wird das Team der IG in den ersten Wochen die Storchenbabys noch zufüttern, damit sie sich vernünftig entwickeln können. Diese Aufgabe übernimmt Andreas Damm. Essenszeit ist um 9 und um 17.15 Uhr.
„Ich füttere die Storchenbabys mit klein geschnittenen Eintagsküken und Ährenfischen, die nur drei bis vier Zentimeter groß sind. Dabei muss das Futter auf Storchenkörpertemperatur von 40 Grad bringen“, erklärt der ehrenamtliche Tierpfleger, warum er das Essen in einer Thermoskanne in die Voliere bringt.
Während er auf eine Leiter steigt, um im Nest die Küken zu füttern, postiert sich Sessa davor und hält einen weißen Regenschirm in die Höhe. So kann Damm in Ruhe arbeiten. Und Lotte und Bernie werden davon abgehalten, zum Nest zu fliegen und die Zusatzfütterung zu stören.
„Es war richtig was los, sie essen gut“, sagt Damm im Anschluss an seinen Einsatz, den die NZ am Dienstagnachmittag verfolgt hat. Ebenso wie Sessa und Weber ist er von den in unserer Region lange ausgestorbenen Tieren fasziniert. „Man kann sich eigentlich kaum vorstellen, dass aus einem Ei, das nicht viel größer als ein Entenei ist, in so schneller Zeit ein stattlicher Vogel mit einer Flügelspannweite von mehr als zwei Metern werden kann“, sagt Sessa.
Mitte August geht es nach Afrika
Denn schon nach etwa zwölf Wochen werden die aktuellen Winzlinge so groß wie ihre Eltern Lotte und Bernie sein. Wenn sie dann in die freie Natur entlassen werden, steht ihnen schon bald eine große Reise bevor. „Jungtiere machen sich normalerweise etwa Mitte August auf den Weg nach Süden. Doch wer weiß: Vielleicht werden die jetzigen Babys, sofern sie ihre Anfangszeit und den ersten Zug ins Winterquartier in Afrika überleben, im nächsten Frühjahr wieder in ihrer Heimat im Hunsrück landen.