Istanbul-Kovention auch regional Thema
Gewalt gegen Frauen: Weiter Unterstützung nötig
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Idar-Oberstein. Das unterstützen auch lokale Akteure wie das Idar-Obersteiner Frauenhaus und der Frauennotruf: Zum zehnjährigen Bestehen der Istanbul-Konvention fordert der Deutsche Frauenrat (DF) die konsequente Umsetzung des Gewaltschutzabkommens des Europarats für alle Frauen und Mädchen in Deutschland und in Europa. In Istanbul wurde der bedeutsame Frauenrechtsvertrag am 11. Mai 2011 zum ersten Mal unterzeichnet. 45 Staaten sind bis heute mit einer Unterzeichnung gefolgt. Doch es gibt gegenläufige Tendenzen: Durch den Austritt des Erstunterzeichners Türkei werden Erfolge im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt rückgängig gemacht. Der Deutsche Frauenrat fordert nach dem Austritt Konsequenzen für die Beziehungen Deutschlands und der EU zur Türkei. Innerhalb der EU dürfe es nicht zu Austritten von Mitgliedstaaten kommen. Die EU selbst müsse die Konvention endlich ratifizieren. Obwohl Deutschland Fortschritte in der Gewaltbekämpfung gemacht habe, klaffe auch hier weiter eine große Lücke zwischen Anspruch und Umsetzung von Gewaltschutz und Prävention. Der DF fordert deshalb auch mit Blick auf die Bundestagswahl eine politische Gesamtstrategie zur Verhütung und Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt, an der alle verantwortlichen Ministerien sowie alle staatlichen Ebenen beteiligt sind und die von allen verbindlich umgesetzt werden müsse.

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Die NZ fragte bei den Mitarbeiterinnen des Frauennotrufs Idar-Oberstein, Barbara Zschernack und Judith Varna, nach: „Corona hat natürlich die Entwicklungen zur Umsetzung und Ausgestaltung der Istanbul-Konvention nicht beschleunigt – eher das Gegenteil. Trotzdem findet kontinuierlich eine Arbeit an der Umsetzung statt: So haben wir in einer Arbeitsgruppe der Landesarbeitsgemeinschaft der Frauennotrufe Rheinland-Pfalz Wahlprüfsteine formuliert, die an die Parteien anlässlich der Landtagswahl im Frühjahr dieses Jahres im Rahmen eines Interventionsverbundes gesendet wurden und die Ziele der Konvention im Blick haben.“

Aktuell beschäftigt sich die Arbeitsgruppe weiter mit der Umsetzung, es sollen Strategien entwickelt werden. „Speziell im Idar-Oberstein sind wir in Gesprächen und in Planung zur Umsetzung des Projektes ,Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung' – als weiterer Baustein in der Versorgung von sexualisierter Gewalt betroffener Frauen. Bisher wird das vom Frauennotruf Frankfurt entwickelte Projekt in Rheinland-Pfalz bereits in Mainz, Worms, Koblenz und Trier umgesetzt.“ Idar-Oberstein soll bald folgen.

Als positives Signal werten es Zschernack und Varna, dass die rheinland-pfälzischen Notrufe 2021 durch das Ministerium eine „mehr als überfällige Erhöhung“, so Zschernack, der finanziellen Unterstützung für die Frauennotruf-Arbeit bekommen: „Wir sehen darin einen Zusammenhang zur Umsetzung der Konvention auf Landesebene.“ Rheinland-Pfalz habe in seinem Ministerium (Familie, Frauen, Kultur, Integration) eigens eine Koordinierungsstelle für die Konvention eingerichtet. Im Frühjahr 2018 haben sich Frauenrechtsorganisationen und weitere Bundesverbände mit dem Arbeitsschwerpunkt Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Bündnis Istanbul-Konvention zusammengeschlossen. Inzwischen sind rund 20 Organisationen Mitglied und werden von beratenden Experten unterstützt: „Ebenfalls ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“

Alle zu ergreifenden Maßnahmen müssten Gewalt gegen Frauen und Gewalt in engen sozialen Beziehungen effektiv und nachhaltig bekämpfen. Hierzu sei es zwingend erforderlich, dass sowohl der Bund als auch Länder und Kommunen ausreichende finanzielle Mittel für die Ausstattung aller Arbeitsbereiche der Fachstellen zur Verfügung stellen. Darüber hinaus seien weitere in der Istanbul-Konvention geforderte spezifische Fachstellen zu implementieren und zu finanzieren, sind sich die Notruf- und Frauenhaus-Teams einig. Andrea Konrad-Allmann vom Frauenhaus Idar-Oberstein ergänzt: „Ich bin mit der Istanbul-Konvention immer wieder mal beschäftigt – vor wenigen Wochen habe ich an einem internen Fachtag der Zentralen Informationsstelle für Frauenhäuser zum Thema teilgenommen. Regional haben wir im Rahmen des Regionalen Runden Tisches im Kreis Birkenfeld ebenfalls zum Thema gearbeitet. Es ging um die Auswertung eines Fragenkataloges an die Mitglieder des Runden Tisches. Leider waren wir als Frauenunterstützungseinrichtungen mit der Kreis-Gleichstellungsbeauftragten und Julia Reinhardt von der Täterarbeitseinrichtung fast unter uns. Die Auswertung dauert noch an. Andererseits kann ich den Fokus ob der ganzen anderen Bereiche, die beackert werden müssen, nicht so aufs Thema legen, wie ich das gern würde.“ Ganz allgemein gesagt, gebe es nach wie vor große Lücken, und ein effektiver Gewaltschutz von Frauen und Kindern sei nach wie vor nicht gewährleistet: „Auch bei uns hier vor Ort ist eine ressortübergreifende Gesamtstrategie noch längst nicht ausgereift.“

Von unserer Redakteurin Vera Müller

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