Auch der Jazztage-Sonntag bot ein hochklassiges Programm
Genuss mit geschlossenen Augen: Das war der Jazztage-Sonntag
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Die Whiskydenker sorgten wieder für viel Spaß auf und vor der Bühne.
Gerhard Ding

Prächtiges Wetter, voller Schleiferplatz: Für das Quartett der Gospel Soul Notes, seit Jahren Stammgast bei den Jazztagen in Idar-Oberstein, ein toller Zuspruch, den sie mit den singenden und mitklatschenden Menschen bei vielen der bekanntesten Gospels feierten.

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Vertrauen in Gott, in Zeiten von Krisen und Klimakatastrophen, daneben die Kraft der Musik waren ihre Botschaft, die sich in den schlichten Worten von „Swing low, Sweet Chariot“ spiegelten. Den emotionalen Höhepunkt setzte das leise interpretierte und von allen innig aufgegriffene „We Shall Overcome“ mit seiner inständigen Bitte um Frieden. Am Ende gab es großen Beifall für alle, die diese tröstliche Feier möglich gemacht hatten.

Mit klarer Bühnenaufteilung ging es auch am Sonntag weiter: Während die Bühne am Marktplatz dem großen Finale mit Meret Becker vorbehalten blieb, war der Nachmittag auf dem Schleiferplatz der tanzbaren Variante der Jazzmusik vorbehalten: die Mama Shakers mit ihrem zweiten Auftritt und zuvor die Whiskydenker mit ihren lustigen Texten und einer Mischung aus Folk, Ragtime und Polka grenzten sich deutlich vom Programm der beiden Hauptstraßenbühnen ab.

Am Maler-Wild-Platz gab es zunächst mit Hypnagogia fast schon hypnotisierende Klänge zu hören: mit Bassklarinette, einem wirklich selten zu hörenden Rhythmusinstrument, Flügelhorn und einer Mbira, einem südafrikanischen Saiteninstrument mit sehr metallischem Klang, transportierten die drei Musiker aus Südafrika ungewöhnliche Motive aus ihrer früheren Heimat in den deutschen Mai. Mit gewohntem Hörverständnis ist die Musik nur schwer zu erfassen. Am besten wirkt sie, wenn man keinerlei Ablenkungen zulässt, mit geschlossenen Augen einfach nur zuhört – dann fällt es am Ende eines solchen Konzertes fast schwer, in die Realität zurückzukehren.

Danach folgte an gleicher Stelle ein weiterer Höhepunkt der diesjährigen Jazztage: Aus Portugal war das Julio Resende Trio angereist. Ihr Musikstil: Fado, aber ohne Gesang und auf dem Flügel gespielt mit Trompete und von fein ausgearbeitetem Schlagzeug begleitet. Resende hat sein Konzert wie schon seine letzte CD dem 50. Jahrestag der Nelkenrevolution gewidmet, jenem fast unblutigen Volksaufstand, der sowohl den Bürgern von Portugal als auch seinen bis dahin noch bestehenden letzten zwei Kolonien die Freiheit brachte. Freiheit nimmt er sich auch, wenn er tief versunken in seinen Flügel diese wunderbare Annäherung von Stolz und Demut, von Lust und Leid interpretiert.

Kein Zuhörer verließ während des Konzertes seinen Platz, obwohl gleichzeitig auf der Bühne in der oberen Fußgängerzone die wohl insgesamt am höchsten dekorierten Musiker des gesamten Festivals, allesamt mit klassischer Ausbildung, Gypsy Jazz präsentierten. Sandro Roy tut das, weil er seine Wurzeln in dieser Welt hat. Ansonsten wird er trotz seiner Jugend als der vielversprechendste Violinist Deutschlands gehandelt. Zusammen mit seinem Pianisten, der auch fantastische Saxofonsoli spielt, hat er mit vielen bedeutenden Orchestern Europas zusammengearbeitet.

Danach konnte man konstatieren: Das waren vielleicht von der musikalischen Qualität die besten Jazztage aller Zeiten – unfassbar, welche Perlen aus dem riesigen Angebot von Geheimtipps Annette Strohm und ihr Team da wieder gefischt haben. Ohne große Superstars wurde in Idar ein Programm geboten, das mit den europaweit besten Jazzfestivals mithalten kann. Unverständlich, dass da nach wie vor Besucher eine Kostenbeteiligung in Form der Förderbuttons zu umgehen versuchen ...

Die Jazztage bedeuten auch außerhalb des musikalischen Angebots drei Tage Kulturgenuss – dazu gehört auch die Verpflegung. Und da hatten die Jazztage 2024 viel zu bieten: Foodtrucks, Vereine, ein seit Jahren treuer Metzger und die ortsansässigen Gastronomen boten wirklich für jeden etwas. jug/dws

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