Ortschronist Hans-Jürgen München führte zwei Dutzend Interessierte über den jüdischen Friedhof von Hoppstädten
Gegen den importierten Antisemitismus: Führung über Hoppstädtens jüdischen Friedhof
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Bei der Führung auf dem Judenfriedhof gab es für die Teilnehmer viel Spannendes zu erfahren. Foto: Karsten Schultheiß
Karsten Schultheiß

Hoppstädten-Weiersbach. Premiere in Hoppstädten: Zwei Dutzend Interessierte nahmen an der Führung über den jüdischen Friedhof teil, die Hans-Jürgen München erstmals anbot. Solche Beiträge zur Erinnerungskultur seien umso wichtiger, als sich ein „importierter Antisemitismus“ in verhängnisvoller Weise mit den seit jeher in ganz Europa vorhandenen Ressentiments gegen Juden paare, sagte München.

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Trotz aller Vorurteile waren die jüdischen Einwohner in Hoppstädten früher ein integraler Teil des Dorfs und stellten zeitweilig ein Viertel der Bevölkerung. „Einige von ihnen gehörten zu den Gründungsmitgliedern des Sportvereins“, berichtete der pensionierte Studiendirektor: „In Hoppstädten gab es ein friedliches Miteinander.“ Nach seinen Erkenntnissen harmonierten die dominanten Katholiken mit den Juden besser als mit den evangelischen Christen: „Im Dritten Reich wurden bestehende Freundschaften zum Teil immer noch im Geheimen gepflegt.“

Weil sich Juden in Birkenfeld bis 1800 nicht ansiedeln durften, wichen viele von ihnen in der Nachbargemeinde aus, um dennoch von der Nähe zu den Märkten im Hauptort zu profitieren. „Da sie keinen Zugang zu den Zünften und zum Landkauf hatten, verdingten sie sich fast zwangsläufig in Berufen wie Viehhändler, Metzger oder Geldverleiher“, erläuterte der Ortschronist.

Hoppstädten war Sitz des Landesrabbiners

Als älteste und bedeutendste jüdische Gemeinde im Fürstentum Birkenfeld war Hoppstädten der Sitz des Landesrabbiners, der in der 1834 nach dreijähriger Bauzeit eröffneten Synagoge predigte: „Im Obergeschoss war der Betsaal mit Frauenempore, unten wohnte er mit seiner Familie.“ Den jüdischen Friedhof indes durfte er nicht betreten, da „die Toten im jüdischen Glauben den höchsten Grad der Unreinheit hatten“, betonte München, der sich weitgehend auf Patrick Willems' prämierte Facharbeit von 1993 stützte. Der heutige Abteilungsleiter der Kreisverwaltung konnte wiederum auf Karl-Josef Rumpels Dokumentation des Gottesackers aus den 1960er-Jahren zurückgreifen.

Belegt sei die Existenz des Friedhofs ab 1813, „vermutlich ist er aber viel älter“. Insgesamt 158 Grabstätten umfasst das nach drei Erweiterungen 2410 Quadratmeter große Areal, das sich überwiegend im Eigentum der auch für den Kreis Birkenfeld zuständigen Jüdischen Kultusgemeinde Bad Kreuznach befindet. Das älteste erhaltene Grabmal stammt von 1859, als letzte Überlebende der einst blühenden jüdischen Gemeinde wurde Fanny Loch 1958 dort bestattet. Den Wunsch des Synagogenvorstands, das Gelände mit einer Hainbuchenhecke einzufrieden, unterminierten Tiere, die die Setzlinge fraßen, sodass als praktikable Lösung ein Palisadenzaun blieb, den inzwischen ein Jägerzaun ersetzt hat.

Freie Sicht auf die Synagoge istVoraussetzung für die Standortwahl

Zur Wahl des Standorts sagte der Historiker, für die Juden sei eine freie Sicht auf die Synagoge unabdingbar; dafür überließen ihnen die Kommunen bevorzugt Ödland. Bei der Besichtigung ging er auf markante Gräber ausführlich ein. So wirkten Dr. Benedict Goldschmidt und der Landtagsabgeordnete Ferdinand Eppstein vier Jahrzehnte lang als Landesrabbiner respektive Lehrer in Hoppstädten. Leo Kahn, der 32-jährig 1916 seiner Verwundung im Ersten Weltkrieg erlag, zählt zu den fünf auf dem Kriegerehrenmal gewürdigten Gefallenen.

1942 erwarb ein Steinhauer aus Birkenfeld weit unter Wert die Grabsteine, die er nur teilweise abtransportiert, weil die beabsichtigte Wiederverwendung scheiterte. Die jetzigen Inschriften seien jünger, erkannte Fachmann Manfred Werle mit geschultem Blick. Auch fünf polnische Kriegsgefangene, die als Zwangsarbeiter bei einem Bombenangriff auf Neubrücke am 22. Januar 1945 ums Leben kamen, fanden unter den Juden ihre letzte Ruhestätte, „obwohl sie mit höchster Wahrscheinlichkeit katholisch waren“, wie Hans-Jürgen München anmerkte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verpflichtete die Besatzungsbehörde ehemalige NSDAP-Mitglieder, das verwahrloste und wiederholt geschändete Begräbnisfeld herzurichten.

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