Nahe-Zeitung
Gefährlicher Eiswurf? Brocken am Windrad geben Rätsel auf

Karlheinz Gisch (rechts) und Volkmar Pees im Dezember 2002 am Eschelbacher Hof: Damals hatte ein Eisbrocken Landwirt Gisch nur knapp verfehlt.

Kreise Birkenfeld/Rhein-Hunsrück - Eiswurf von Windrädern kann verheerende Folgen haben. Bislang sind in Deutschland nur Sach- und keine Personenschäden bekannt geworden. Aber immer wieder wurden in den Wintermonaten der vergangenen Jahre Beschwerden verunsicherter Bürger laut, die auf Spaziergängen in der Nähe von Windrädern mehr oder weniger große Eisbrocken gefunden haben - wie jüngst im Rhein-Hunsrück-Kreis.

Von Volker Boch und Kurt Knaudt

Deutlich dramatischer aber war ein Vorfall, der sich im Dezember 2002 im Windpark Mettweiler ereignete. Damals hatte ein Eisbrocken einen Landwirt nur knapp verfehlt.

Vergleichsweise harmlos ist dagegen die Episode im Nachbarkreis: Hanni Karbach-Langen aus Klosterkumbd hatte in der letzten Dezemberwoche beim Spaziergang im Wald auf Neuerkircher Gemarkung drei große Eisbrocken gefunden. Die rund 30 Zentimeter langen Stücke lagen etwa 150 Meter von einem der Windräder entfernt an einem der breit geschotterten Windkraftwege im Wald. Kurz nachdem sie die Brocken entdeckt habe, seien in der Nähe der betreffenden Anlage kleine gelbe Warnschilder aufgestellt worden. „Achtung Eiswurf“ steht darauf.

Im Kreis Birkenfeld ist seit der spektakulären Beinahe-Katastrophe vor elf Jahren zumindest keine Beschwerde mehr an die Kreisverwaltung in Birkenfeld herangetragen worden, berichtet der zuständige Dezernent, Regierungsdirektor Jürgen Schlöder, auf Anfrage der Nahe-Zeitung. Was wohl vor allem an den „Sicherheitstechnischen Nebenbestimmungen“ liegt: Sie sind inzwischen Bestandteil der von der Kreisverwaltung erlassen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen zum Betrieb von Windkraftanlagen. „Die Windenergieanlage ist mit funktionssicheren technischen Einrichtungen auszustatten, die einen Eisabwurf von den Rotorblättern verhindern“, heißt es darin unter anderem unmissverständlich.

Eine gängige Variante ist, die Rotorblätter zu erwärmen. Ein solches Enteisungssystem soll die Rotorblätter der Anlagen komplett eisfrei halten. Einer der führenden Anlagenhersteller setzt beispielsweise auf ein Verfahren, bei dem mittels Ventilator erwärmte Luft durch das Rotorblatt gepumpt wird. Die Temperatur wird dadurch konstant auf vier Grad gehalten.

Allerdings ist dies auch eine kostspielige Angelegenheit: Eisbildung gibt es nur bei stehenden Rotoren. In diesem Zustand wird aber kein Strom erzeugt, sondern über das Heizsystem nur verbraucht. Zudem kostet die Installation eines solchen Systems Geld – mindestens eine hohe fünfstellige Summe. Anlagen müssen – wenn es kein Heizsystem gibt – mit Sensoren ausgestattet sein, die eine Unwucht der Rotorenblätter feststellen, wenn sich Eis gebildet hat. Ist dies der Fall, wird das Rad so lange abgestellt, bis das Eis auf natürlichem Wege getaut ist. Dann muss eine Sichtprüfung erfolgen, die einer der regionalen Windparkbetreuer vornimmt. Das Rad darf erst wieder laufen, wenn es keine Eisbildung mehr gibt.

Dort, wo das Eis bei Neuerkirch gefunden wurde, ist ein solcher „Störungsfall“ aber nicht registriert worden. Vielmehr hält es der dazu befragte Projektentwickler für möglich, dass das Eis von einem Baum gefallen ist. Eindeutig war hingegen die Beweislage bei dem Eiswurf Anfang Dezember 2002 am Eschelbacher Hof bei Baumholder. Dort schlug damals ein Eisklotz von einer Anlage der Windkraftwerke Obere Nahe knapp neben Landwirt Karlheinz Gisch ein. Dieser „kam rasant angeflogen und schlug mit voller Wucht eineinhalb Meter neben ihm auf den Boden – dabei stand er etwa 150 Meter vom Windrad entfernt“, bestätigte der damalige VG-Bürgermeister Volkmar Pees als prominenter Zeuge. Ihn hatte Gisch vorher darüber informiert, dass seine Wiese von Eisbrocken übersät war.

Pees war gerade mit zwei Polizisten zur Beweissicherung erschienen, als sich der dramatische Zwischenfall ereignete. „Das Eisstück war so dick wie ein Arm. Hätte es mich am Kopf getroffen, wäre ich wohl tot“, ereiferte sich seinerzeit der Landwirt. Die Kreisverwaltung reagierte umgehend: Sie verfügte, dass die Windkraftanlage, deren Baugenehmigung das Verwaltungsgericht Koblenz zuvor bereits aufgehoben hatte, an Frosttagen ab sofort abgeschaltet werden müsse. Das fruchtete offenbar: „Danach haben wir davon nichts mehr gehört“, berichtet Dezernent Jürgen Schlöder.

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