Derzeit sind nur die beiden Aperetivo-Pioniere Stefan Marquis vom Ratsstübchen am Marktplatz und Tony Coniglio vom Eiscafé San Marco in der Fußgängerzone bereit, sich an der Organisation und an den Kosten zu beteiligen. Alle anderen Gastronomen haben abgewunken, wie Marquis im Gespräch mit der Nahe-Zeitung berichtet. Einige seien enttäuscht gewesen von den Umsätzen im Vorjahr, als die Aperetivo-Abende noch unter den Nachwirkungen der Corona-Krise litten und nicht an den großen Erfolg der Veranstaltungen vor der Pandemie anknüpfen konnten.
Bis 2019 waren die lauen Donnerstagabende im Herzen der Stadt Treffpunkt für viele Idar-Obersteiner, Touristen und Besucher aus dem Umland. Es gab Cocktails und Livemusik, die Stimmung war hervorragend, überall nur fröhliche Menschen. Dann im Vorjahr die Ernüchterung: Es gab weniger Programm, die Werbung ließ zu wünschen übrig, am Ende waren viele unzufrieden. Schon 2020 waren die Aperetivo-Abende Corona-bedingt mit gebremstem Schaum abgelaufen, 2021 dann aufgrund der Beschränkungen komplett ausgefallen.
Nur Absagen im Vorfeld
Eigentlich war geplant, in diesem Jahr am Donnerstag vor Ferienbeginn, also am 22. Juni, mit den Cocktail-Abenden zu beginnen. Doch dann die Ernüchterung: „Als wir begannen, mit den Kollegen in die Abstimmungsgespräche zu gehen, wer was wie macht, haben uns alle gesagt: Das lohnt sich nicht, wir sind dieses Jahr nicht dabei“, berichtet Stefan Marquis. Er und Coniglio können das nicht verstehen. „Es ist doch so: Wenn wir nichts tun, ist auch nichts los in der Innenstadt“, sagt Tony Coniglio. „Ich verstehe nicht, dass das nicht alle so sehen!“
Und auch Marquis sagt: „Wir müssen den Leuten wieder Lust machen auf die Innenstadt. Sonst gehen hier die Lichter ganz aus“, spielt der Gastwirt auf die vielen Leerstände und das ziemlich trostlose Ambiente gerade in der dunklen Jahreszeit an. Jetzt im Sommer kommen die Touristen wieder, und die Fußgängerzone ist wieder voller – aber nur tagsüber. „Abends könnte deutlich mehr los sein“, weiß Marquis. Denn schließlich ist der Marktplatz am Fuße der Felsenkirche einer der schönsten gastronomischen Spots weit und breit – gerade an lauen Sommerabenden.
Aber dafür bräuchte es mehr Veranstaltungen: „Maimarkt, Stadtfest, Weihnachtsmarkt – das gibt es ja alles nicht mehr“, zählt der Gastronom auf. Einzig der Edelsteinschleifer- und Goldschmiedemarkt am ersten Augustwochenende sorge noch für Belebung – „aber das alleine reicht ja nicht...“ Nachdem die Interessengemeinschaft Oberstein kurz vor der Auflösung stehe und von der Stadt wenig Hilfe zu erwarten sei, könne man sich nur selbst aus der Patsche helfen, wissen Marquis und Coniglio. Sie sehen aber auch nicht ein, dass sie alleine die Organisation und Finanzierung der Aperetivo-Abende stemmen und sich die Gastro-Kollegen dann ins gemachte Nest setzen.
Rund 150 Euro pro Betrieb seien in guten Aperetivo-Jahren an den Gastronomen hängen geblieben: „Das ist doch nicht die Welt. Das dürfte doch jeder wieder eingespielt haben“, sagt Marquis und schüttelt ein weiteres Mal den Kopf, dass hier eine große Chance liegen gelassen wird: „Die Aperetivo-Abende haben ja einen guten Namen. Wenn wir da ordentlich trommeln, ist die Stadt wieder voll“, sind sich Marquis und Coniglio sicher – und hoffen, dass die Kollegen ihre Meinung doch noch ändern.
Stadt begrüßt „jegliche Initiative“
Auch von der Stadtverwaltung wünschen sich die beiden verbliebenen Aperetivo-Macher mehr Unterstützung. Gebühren würden erhoben, ansonsten komme da nicht viel, kritisiert Marquis. Das will Michael Brill, der Sprecher der Stadtverwaltung, so nicht stehen lassen: „Im vergangenen Jahr hat unsere Wirtschaftsförderung das Gespräch mit den Veranstaltern gesucht, um die Möglichkeiten für eine Unterstützung auszuloten. Denn natürlich begrüßen wir jegliche Initiative in der Innenstadt und überprüfen auch gerne die Unterstützung im Rahmen des ,Förderprogramms Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren'. Letztlich wurde davon aber seitens der Veranstalter kein Gebrauch gemacht. In diesem Jahr haben die Veranstalter bisher keinen Kontakt zu unserer Wirtschaftsförderung aufgenommen. Vielleicht sollten sie das zunächst einmal tun, bevor von einer fehlenden Unterstützung der Stadt gesprochen wird.“