Gebietsreform Morgen wird die gemeinsame Zukunft von Herrstein und Rhaunen besiegelt
Fusion: Steiniger Weg zur Vertragsunterzeichnung

Mit ihrer Sargaktion wollen die Mitglieder der Initiative Bürger pro Hunsrück am 4. April 2017 symbolischen den Bürgerwillen beerdigen und gleichzeitig den VG-Rat zum Umdenken bewegen – ohne Erfolg.

Reiner Drumm

Herrstein/Rhaunen. Vor gut eineinhalb Jahren sind Herrsteins VG-Bürgermeister Uwe Weber und sein Rhauner Amtskollege Georg Dräger von Staatssekretär Günter Kern – nicht unbedingt überraschend – dazu aufgefordert worden, zügig Gespräche miteinander aufzunehmen, um auf freiwilliger Basis einen Zusammenschluss der beiden Verbandsgemeinden möglichst zum 1. Dezember 2019 umzusetzen. Morgen, Donnerstag, werden die Beteiligten in Herrstein die Fusionsvereinbarung unterzeichnen. Doch nicht alle Akteure wollten sich den Wünschen und Vorstellungen des Innenministeriums fügen. Ein Rückblick.

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Unerwartet kommen die Pläne des Innenministerium im Frühjahr 2016 nicht. Nach der Kommunal- und Verwaltungsreform 2010 war es nur eine Frage der Zeit, bis sich die VG Rhaunen mit dem Thema Fusion befassen musste. Schließlich gehört sie mit nur gut 7000 Einwohnern zu jenen Verbandsgemeinden, bei denen die Landesregierung aufgrund ihrer Größe einen Gebietsänderungsbedarf sieht. Verbandsfreie Gemeinden mit weniger als 10.000 sowie Verbandsgemeinden mit weniger als 12.000 Bürgern sollten keine eigene Verwaltungseinheit mehr bilden. Um Herrstein (rund 13.000 Einwohner) und Rhaunen die gemeinsame kommunale Zukunft schmackhaft zu machen, wird die sogenannte Hochzeitsprämie – jeweils 1 Million Euro für jede VG – in Aussicht gestellt. Der Weg zu einer neuen Verbandsgemeinde Herrstein-Rhaunen mit dann gut 20.000 Einwohnern und einer Fläche von 330 Quadratkilometern ist offenbar vorgezeichnet.

Projekt „Fusion“ findet schon früh nicht nur Befürworter

Mitte Juli 2016 werden das Projekt „Fusion“ und die weitere Vorgehensweise in Sulzbach vorgestellt. Doch schon dort findet diese Idee keineswegs nur Befürworter. Horbruchs Ortsbürgermeister Klaus Hepp prophezeit, dass es gerade im Norden der VG Rhaunen Ortsgemeinden gebe, die eher in Richtung Mosel tendieren – nach Simmern, Kirchberg oder auch Bernkastel-Kues. Er sollte recht behalten. Schnell wird auch deutlich, dass der finanzielle Aspekt eine große Rolle spielt. So befürchten die Bürger der VG Rhaunen, künftig mehr Gebühren für Wasser und Abwasser zahlen zu müssen, die Orte der VG Herrstein wollen sich nicht mit einer – wahrscheinlich – höheren VG-Umlage als bisher abfinden. Fiktive Zahlen werden von den Verantwortlichen genannt und doch schnell wieder relativiert. Schließlich könne niemand in die Zukunft blicken, heißt es als Begründung, doch die Zweifel an einer gütlichen Einigung sind gesät.

Ende September 2016 beschließen beide VG-Räte, Gespräche miteinander aufzunehmen und einen gemeinsamen Lenkungsausschuss zu bilden, der im Oktober auch seine Arbeit aufnimmt. Ärger gibt es über seine Zusammensetzung. Die Ortsbürgermeister seien nicht berücksichtigt worden, der Großteil der Mitglieder stamme aus den beiden Verwaltungen, wird kritisiert.

Die Ortsgemeinden Oberkirn, Schwerbach, Gösenroth Krummenau, später auch Hausen, machen dann deutlich, dass sie einen Wechsel über die Kreisgrenze hinweg in Richtung VG Kirchberg bevorzugen – hauptsächlich auch wegen der räumlichen Nähe dorthin. Mit einem Besuch im Kirchberger Rathaus untermauern die Ortsbürgermeister ihren Wunsch und werden mit offenen Armen empfangen. Noch vor Weihnachten wird die Initiative Bürger pro Hunsrück gegründet. Fortan macht sie mit teils spektakulären Aktionen auf ihre Pläne aufmerksam.

Der Birkenfelder Landkreistag reagiert schon früh auf die Bemühungen der Abwanderungswilligen und beschließt, keine Ortsgemeinde über die Kreisgrenze hinweg ziehen zu lassen. Das Votum des Kreistags hat zwar keine Entscheidungskraft, ist aber ein deutlicher Fingerzeig. Ein knappes Jahr später erneuert und bekräftigt der Kreistag seinen Beschluss. Es sei sinnvoller, sich für einen starken Nationalparklandkreis einzusetzen, heißt es in der Kreisstadt.

Initiative bereitet für vier Dörfer Bürgerentscheide vor

Unbeirrt aber geht die Bürgerinitiative pro Hunsrück ihren Weg weiter, Bürgerentscheide werden in Oberkirn, Schwerbach, Gösenroth und Krummenau für den 19. März anberaumt. Knapp zwei Wochen vorher geben die im VG-Rat Rhaunen vertretenen Fraktionen eine öffentliche Erklärung ab. „Wir respektieren die Wünsche der Ortsgemeinden für einen Wechsel in eine andere Verbandsgemeinde.“ Gleichwohl geben die Fraktionen zu bedenken, dass die VG-Ratsmitglieder – anders als die Räte oder Bürger in den einzelnen Dörfern – die Auswirkungen aus Sicht der gesamten VG-Bevölkerung mit derzeit 16 Ortsgemeinden beachten müssen. Deshalb sei auch an die gesetzliche Ausgangslage erinnert. Und das Land sagt in diesem Punkt klipp und klar: Eine freiwillige Fusion kommt nur komplett und innerhalb bestehender Kreisgrenzen infrage. Von dieser Meinung wird im Innenministerium auch keinen Deut abgewichen.

Doch in Oberkirn, Schwerbach, Gösenroth und Krummenau gibt es scheinbar kein Zurück. Bei den Bürgerentscheiden spricht das Votum der Einwohner von Schwerbach (89,4 Prozent), Oberkirn (90,0 Prozent), Krummenau (97,1 Prozent) und Gösenroth (96,0 Prozent) eindeutig für einen Wechsel in die Verbandsgemeinde Kirchberg. Die Wahlbeteiligung ist dabei in allen Dörfern enorm. Später zieht auch Hausen ähnlich eindrucksvoll nach.

Ungeachtet dessen bleibt der VG-Rat Rhaunen auf seinem Kurs und verabschiedet am 4. April die vom Lenkungsausschuss erarbeitete Fusionsvereinbarung einstimmig. Auch eine Aufsehen erregende Sargaktion vor der entscheidenden Sitzung, mit der die Initiative pro Hunsrück den Bürgerwillen symbolisch zu Grabe trägt, kann daran nichts ändern. Der VG-Rat Herrstein folgt diesem Vorbild. Nun gilt es, in den insgesamt 50 Ortsgemeinden die erforderlichen Mehrheiten zu erhalten. Die Bürgermeister Dräger und Weber begeben sich auf einen Sitzungsmarathon durch die Ortsgemeinden, erläutern die Entwicklung und erreichen schließlich eine breite, wenn auch nicht ungeteilte Zustimmung. Die Bedingungen für die freiwillige Zwangshochzeit, wie die Fusion gern auch genannt wird, sind somit erfüllt.

Einwohner der gesamten VG Rhaunen sollen abstimmen

Die Initiative Bürger pro Hunsrück sieht nun nur eine Möglichkeit, eventuell doch noch in die VG Kirchberg abwandern zu können: einen Bürgerentscheid auf VG-Ebene. Ein Ergebnis im Sinne der Initiative könnte den Beschluss des VG-Rates Rhaunen noch kippen. Die notwenigen Unterstützungsunterschriften sind schnell zusammen und werden der Verwaltung am 3. August übergeben. Derweil schreibt Landrat Matthias Schneider alle 16 Ortsbürgermeister der VG Rhaunen an und bittet sie um Unterstützung einer freiwilligen Fusion. Zu dem Bürgerbegehren kommt es dann doch nicht, die Initiative zieht ihren Antrag am 15. November wegen gegen null tendierender Erfolgsaussichten zurück. Aus dem gleichen Grund nimmt auch Horbruch, das insgeheim mit einer Zukunft in der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues geliebäugelt hatte, von diesen Plänen Abstand.

Dem vorausgegangen waren zahlreiche Gespräche sämtlicher Parteien im Innenministerium, Tenor der Landesregierung in Mainz bleibt stets: Entweder es gibt eine freiwillige komplette Fusion oder eine komplette Zwangsfusion ohne die 2 Millionen Euro Entschuldungshilfe und eine stark geschwächte VG Rhaunen, die nicht nur bei der Namensgebung für die neue Verbandsgemeinde hinten runterfallen würde. Aber dieses Szenario bleibt aus. Stattdessen geht nun alles ganz schnell. In Rekordtempo einigen sich die Parteien darauf, morgen, Donnerstag, 7. Dezember, im Wappensaal der VG Herrstein den Fusionsvertrag zu unterzeichnen. Wie hatte Bürgermeister Dräger schon im Frühjahr 2016 vorausgesagt? „Das wird ein Tag von historischer Bedeutung.“ Er wird wohl recht behalten.

Von unserem Redakteur
Andreas Nitsch

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