Claudia Stump hätte eigentlich ganz schön wütend sein können, weil die dritte Aufführung ihres Theaterstückes „Furien“ vor ein paar Tagen zu platzen drohte. Aber statt wegen der Erkrankung ihrer Partnerin Anja Balzer das Ereignis abzusagen, improvisierte die zierliche Person mit der faszinierenden Ausstrahlung und gewann für die unverzichtbaren Stellen die couragierte und talentierte Mikk Schunke. Die rettete mit Geschick, prima getarnten Spickzetteln und einer Souffleuse (Christel König) die Vorstellung.
Es wäre zu schade drum gewesen. Die 80 vorbereiteten Stühle waren besetzt, man sah und hörte gespannt und amüsiert den Auslassungen Stumps zu der Frage „Wie äußert sich weibliche Wut?“ zu. Das Thema bewegt sie schon seit Kindheitstagen. Zu sanfter Glasperlen-Musik hörte man zu Beginn die ausführliche Definition von Wut. Aus den drei mythologischen Furien waren sechs geworden: So viele interessierte Laienschauspielerinnen konnte Stump für ihren Chor der kommentierenden Sprecherinnen gewinnen. Im antiken Theater war es üblich, auf diese Weise das Innere der Darsteller hören zu lassen. Sie erschienen im Saal in schwarzen Rabenumhängen und deklamierten alle geläufigen Arten Wut, die jede Frau kennt: nicht sie selbst sein zu dürfen, sich immer wieder ein – und unterordnen zu sollen. Denn eines sei klar: Männliche Wut äußere sich anders, direkt, oft aggressiv oder ungebärdig.

Stump trat als Nemesis auf, die zürnende Göttin der Gerechtigkeit, und verteidigte ihre Haltung, wütend sein zu dürfen, gegenüber Aidos, der Göttin der Scham, deren Wesen mit dem von Nemesis untrennbar verbunden ist. Für Nemesis galt: „Wir haben unsere Wut, um unserer persönlichen Grenzen zu verteidigen“. In einer anderen Szene mimte Stump einen Dialog zwischen zwei Kolleginnen und wechselte dabei stets die Seiten, eine schöne Probe ihres Könnens. Ihrer Wut über die heuchelnde Neue ließ sie dabei (fast) freien Lauf. Mindestens ebenso herrlich geriet ihr Auftritt als fränkische Staatsanwältin, die die hundertjährige Emanzipation als Person anklagt.
Sie verwandelte kurzerhand die Jahnturnhalle in Birkenfeld in den Gerichtssaal, verteilte die Rollen der Richterin und der Verteidigerin ans Publikum und verbot sich streng jeden Beifall. Den konnte sie natürlich nicht unterdrücken, vor allem nicht den für ihre gegenemanzipatorischen „Beweismittel“ Barbara Schöneberger und „Trumelania“. Die Stimmung wechselte häufig zwischen ausgelassener Heiterkeit und großer Ernsthaftigkeit. Die Furien zeigten sich wütend über ungleichen Verdienst, die Beschneidung junger Mädchen, Hunger und Altersarmut. Starken Beifall gab es für den Satz: „Ich bin wütend, dass der Opa immer weiter nach Rechts rückt“. Sie wünschen sich Männer, die weinen können. Ob die kleine Alltagswut oder die über große gesellschaftliche Probleme: Ihre Antwort hieß: Humor, Gelassenheit und weibliches Selbstbewusstsein. Das zeigten sie köstlich im Schlussbild, Stump im frechen weißen, sehr sexy Body. Es gab starken Beifall für ein starkes Stück.