Der Beginn des dritten Verhandlungstags wegen des Mordversuchs in Baumholder am Landgericht Bad Kreuznach startete mit Rätseln. Und endete auch so. Einige Fragen stellte die Vorsitzende Richterin am Landgericht, Dr. Claudia Büch-Schmitz, in Richtung der Anklagebank. Bedeutungsvoll war dabei die Frage, wie der Angeklagte sich seine Verteidigung insgesamt vorstellt.
An den drei bisherigen Verhandlungstagen wurde er von Pflichtverteidiger Johannes Hollinka (Bretzenheim) in der Wahrnehmung seiner Rechte vertreten – offenbar zu seiner Zufriedenheit, auch wenn Rechtsanwalt Hardy Hollinka ihn wegen einer Terminüberschneidung kurzzeitig vertreten musste. Es gibt offenbar aber auch noch einen Wahlverteidiger aus dem Sauerland. Nur ist jener bislang noch nicht im Schwurgerichtssaal 7 aufgetaucht...
Andererseits will ein Wahlverteidiger auch bezahlt werden. Die Kosten eines Pflichtverteidigers fließen hingegen grundsätzlich in die spätere Gesamtrechnung des Verfahrens ein – falls der Angeklagte rechtskräftig verurteilt wird, wobei dessen Gebühren zunächst vom Staat getragen werden. So will der Rechtsstaat eine Art von Waffengleichheit zwischen Justiz und Angeklagten sicherstellen.
Verfahrensbeschleunigung im Blick
Die Vorsitzende entlockte dem Angeklagten schließlich die Aussage, dass auch das Mandat des Wahlverteidigers fortbestehe. Pflichtgemäß diktierte die Vorsitzende Richterin nach Abfrage ins Sitzungsprotokoll, dass sämtliche Verfahrensbeteiligten im Selbstleseverfahren weitere Akteninhalte, vor allem Urkunden und Gutachten, zur Kenntnis genommen hätten. Eine für die Öffentlichkeit schwierige Ausgangslage, weil sie während der Beweisaufnahme von elementaren Erkenntnissen zunächst einmal ausgeschlossen bleibt – um sich so ein eigenes Bild zu machen.
Andererseits dient dies der Verfahrensbeschleunigung. Bislang blieb unklar, wie das im Prozess vorgelegte mutmaßliche Tatmesser mit Klingenlänge 18,5 Zentimeter zu bewerten sei – das Tatopfer hatte es jedenfalls nicht identifiziert. Nun herrscht dazu Klarheit – der Hauptsachbearbeiter der Kripo Trier und ein Schutzpolizist im Einsatzteam der Polizei Baumholder sind jetzt vernommen. Auf eine Herausgabe der Tatwaffe wurde insoweit gleich zu Beginn verzichtet. Ein klarer Hinweis dahingehend, dass unter den Prozessbeteiligten die Tatwaffe als solche unstreitig feststeht. Es steht zu erwarten, dass Oberstaatsanwältin Nicole Frohn spätestens in ihrem Plädoyer auf die im Selbstleseverfahren angedeutete gutachterliche Spurenauswertung Bezug nehmen wird.
Ob es auch im sogenannten Adhäsionsverfahren in der Frage des Einvernehmens betreffend Schmerzensgeld einen Fortschritt gibt? Die Nebenklagevertreterin, Rechtsanwältin Laura Becker (Freisen), blieb hier verständlicherweise einsilbig („Es bestehen Kommunikationsprobleme zum Mandanten“). Die sollen nach den Vorstellungen des Tatopfers und zum Leidwesen der Nebenklagevertreter wohl über seine 15-jährige Tochter geregelt werden – zum Missfallen der Oberstaatsanwältin, die in Richtung des Geschädigten sagt: „Sie ist nicht seine Sekretärin.“
Aussagen waren nicht stimmig
In der Vernehmung des 35-jährigen Hauptkommissars aus Trier wurden die ersten Probleme der zeugenschaftlichen Tatnachbereitung deutlich: Die Aussagen des 48-jährigen Tatopfers und seiner Noch-Ehefrau waren nicht konstant stimmig und verwirrend. Unmittelbare Tatzeugen in der Tatnacht auf 28. Dezember, gegen 3.10 Uhr, gibt es keine. So soll der Angeklagte am Fenster vom Tatopfer identifiziert worden sein. Der Noch-Ehemann sei daraufhin in den Flur gegangen, habe dort aus einer Schublade etwas genommen und sei dann ins Freie gegangen. Später sei ihr Liebhaber in die Wohnung ihres Noch-Ehemannes gekommen, habe sie zu Boden geworfen. Wo der Ehemann zu der Zeit gewesen sei, konnte sie gegenüber den Polizisten nicht sagen. Aus Angst habe sie darum gebeten, zur Toilette gehen zu dürfen, nachdem der Liebhaber ihr mit der Tötung gedroht habe.
Mögliche Liebesbeziehungen zu Ehemann, Freund und einer etwaigen weiteren Person seien ebenfalls unklar, so der Kriminalist. In Chats in Russisch sei zwischen Täter und der Ehefrau „ein Schreibstil wie in toxischen Beziehungen unter Jugendlichen“ vorherrschend gewesen. Da fanden sich Sätze wie „Ich liebe Dich“ und „Dein Mann hat recht, Du bist eine Hure“. Es wurden im Gerichtssaal andererseits Fotos der Verliebten gezeigt. Vollends verwirrend war der Bericht der Ermittler, wonach das Tatopfer den Angeklagten zuerst mit einem Messer angegriffen haben soll – durch einen Stich in den Oberschenkel des Täters. Den es aber bei einer Nachschau nicht gab…
Alle wiesen hohe Promillewerte auf
Fakt war die starke Alkoholisierung aller Beteiligten: zwischen rund 1,53 (Frau) und 1,94 Promille (Angeklagter). Die Alkoholisierung des Opfers war den Polizisten nicht präsent, sei aufgrund verwaschener Sprache aber deutlich gewesen. Und eben das Auffinden des sichergestellten Tatmessers mit möglichen Blutspuren daran. Beim Eintreffen am Tatort hatten die beiden Polizeistreifen eine völlig unklare Lage vorgefunden. Die Frau sei aus der Wohnung gekommen und habe von einem „gefährlichen Mann in der Wohnung“ gesprochen. Jener sei dann ebenfalls rausgekommen und habe gefragt, was los sei. Kurz danach habe er zu flüchten versucht, sei aber bei der sofortigen Verfolgung gestürzt. Die Schürfungen an Handinnenseiten und Knien seien fotografisch gesichert worden.
Insgesamt vielschichtige Ansätze für die Verteidigung: Wusste das Tatopfer, auf was er sich beim Gang ins Freie einließ? Hatte der Mann gar eine Verteidigungswaffe mitgeführt? Bislang hatte er sich zum Tatablauf selbst noch nicht geäußert – anders als am ersten Verhandlungstag zunächst angekündigt.