Der schwere Vorwurf wird vom Angeklagten nach wie vor hartnäckig bestritten – obwohl ihn in den zurückliegenden Verhandlungstagen auch Familienangehörige erheblich belastet hatten. Demnach soll der Angeklagte nicht nur bei der leiblichen Tochter übergriffig geworden sein, sondern auch als Jugendlicher gegenüber seinen beiden fünf und zwölf Jahre jüngeren Schwestern sexuell auffällig gewesen sein soll.
Die Schwestern hatten detailreich von zum Teil fast 20 Jahre zurückliegenden Kindheitserlebnissen berichtet. Erinnerungen, die durchweg glaubwürdig und überzeugend wirkten und vom Vater des Angeklagten vor Gericht mit deutlichen Worten kommentiert worden waren: „Ich glaube meinen Töchtern und meiner Enkelin.“
Erste Ermittlungen bereits 2005
Mit der Vernehmung der leiblichen Mutter des heute 18-jährigen Tatopfers sollte eine weitere Seite in der damaligen Paarbeziehung aufgeschlagen werden. Denn bereits 2005 liefen umfängliche Ermittlungen wegen einer von der Rechtsmedizin Mainz dokumentierten Verletzung – unter anderem Hämatome am Anus des erst dreieinhalb Monate alten Säuglings.
In ihrer Zeugenvernehmung berichtete die damals 21-jährige Kindesmutter ihre Erinnerungen: die Beziehung zum Angeklagten und die Entdeckung eines zunächst unklaren Verletzungsmusters. Demnach habe sie sich an das Klinikum Idar-Oberstein gewandt, als sie die blutunterlaufene Verfärbung gesehen habe. Zunächst habe es aber keine klare Diagnose gegeben. Möglich sei eine Blutgerinnungsstörung. Sie habe sich danach an eine andere Klinik in Bad Kreuznach gewandt. Dort war man eindeutiger: Verdacht des sexuellen Missbrauchs am Säugling. Die ebenfalls zur Begutachtung hinzugezogene Rechtsmedizin in Mainz bestätigte diese Vermutung.
Verfahren wurde mangels Beweisen eingestellt
So begann ein erstes Verfahren im Jahr 2005. Der Angeklagte behauptete seine Unschuld, die Kindesmutter ihre ebenfalls. Letztlich wurde das Verfahren trotz sehr weitreichender Ermittlungen der Kripo eingestellt. Eine Täterschaft war mit der zur Verurteilung notwendigen Überzeugung damals nicht zu belegen.
Die heute 39-jährige Bäckereifachverkäuferin hinterließ den Eindruck, dass sie die vom Jugendamt eingeleitete Trennung von ihrem Kind und dessen Betreuung in einer Pflegefamilie nicht verarbeitet hat. Sie habe ihr Kind nur einmal im Monat gesehen, eine Umarmung sei nicht zugelassen worden.
Ab dem elften Lebensjahr habe es Besuche gegeben, auch über Nacht. Zu dem Zeitpunkt waren weitere sexuellen Handlungen an ihrer Tochter noch nicht bekannt. Während sich die Großeltern sehr um das Wohlergehen ihrer Enkelin bemüht hätten, sei sie von den Pflegeeltern „quasi im Stich gelassen worden“. Ihre Tochter habe sich bei den Großeltern sehr wohlgefühlt. Sie selbst wollte in der schwierigen Entwicklungsphase deshalb keine erneute Verantwortung übernehmen, als ihr Kind danach in neue Pflegschaft zu den Großeltern kam.
Schwierige Gespräche mit der Mutter
Vom späteren erneuten sexuellen Missbrauch habe sie von ihrer Tochter per WhatsApp am 17. Juni 2021 erfahren. Zuvor habe diese mit der Schulsozialarbeiterin über den Missbrauch gesprochen – der Anfang des heutigen Verfahrens. Von weiteren Straftaten an den Schwestern des Angeklagten habe sie erst jetzt erfahren. Sie habe zwar nach 2021 oberflächlich mit ihrer Tochter die Gründe der damaligen Pflegschaft erwähnt, aber der Tochter sei es unangenehm gewesen, über den sexuellen Missbrauch zu reden.
In der gemeinsamen Zeit mit dem Angeklagten sei dieser ruhig und zurückhaltend gewesen, so ihre Antwort auf die Frage des Sachverständigen Christoph Summa, Chefarzt der forensischen Psychiatrie Alzey. Nach den Hinweisen auf sexuellen Missbrauch 2005 habe sie sich vom Angeklagten getrennt. Sie sei später in einer anderen Beziehung erneut schwanger geworden. „Der Sohn lebt auf eigenen Wunsch heute beim Kindesvater“, antwortete sie auf die entsprechende Frage von Verteidiger Knut Kirchhoff (Idar-Oberstein). „Das Jugendamt wollte das so: Entweder geht der Sohn zum Vater oder in eine Pflegefamilie.“ Die weitere Verteidigerfrage zu den Umständen des Kennenlernens ließ sie kryptisch offen: „Ich verdränge das. Es belastet mich einfach. Es war ein normales Kennenlernen in der Dorfgemeinschaft“.
Pflegemutter spricht von “schwierigem Umgang"
Auch die erste Pflegemutter, eine 52-jährige Druckereiarbeiterin, erläuterte anschließend die grobe Kenntnisnahme des Verdachts auf sexuellen Missbrauch im Jahr 2005. Sie berichtete in der Folgezeit von einem „schwierigen Umgang mit der Kindesmutter“. Nach Besuchen habe der Säugling auffallend geschrien, der Umgang zwischen beiden sei aus ihrer Sicht problematisch gewesen. Sie selbst habe bis heute noch Kontakt zu ihrer inzwischen 18-jährigen Pflegetochter, die sich in der Familie bis zur Trennung des Paares wohlgefühlt habe.
Der Angeklagte sei freundlich gewesen. Nur einmal habe sie Alkoholgeruch bei ihm festgestellt. Körperliche Auffälligkeiten oder ein seltsames Verhalten seien ihr nicht in Erinnerung. Die heutigen Vorwürfe seien mit ihr vor 2021 nie besprochen worden. (Weiterer Bericht folgt.)