Was hätte an diesem frühen warmen Frühlingsabend besser in die vom Sonnenlicht durchflutete heilige Halle von Sankt Barbara gepasst als dieses ergreifende Konzert des Kammerchors 2.0 mit dem Motto „Northern Lights“? „So viele Lieder, bei denen ich einfach glücklich zugehört habe“, empfand eine Zuhörerin. Ihre Nachbarin bekannte: „Ich hatte Tränen in den Augen...“
Zusammen mit ihrem Dirigenten Christian Kurtzahn boten die neun Damen und sechs Herren auf hohem Niveau eine musikalische Reise durch die Welt der skandinavischen und baltischen Chormusik. Im Norden Europas pflegt man den Chorgesang in besonderer Weise. Jede kleine und große Stadt ist stolz auf ihren Sängergrund mit einer Konzertmuschel. Etwa 120 Gäste waren gekommen. Vielen von ihnen kannten aus früheren Jahren den Kammerchor, der in ähnlicher Besetzung schon häufig anspruchsvolle Chormusik aufgeführt hat. Sie eröffneten mit dem fröhlichen „Laudate Dominum“ des Norwegers Knut Nystedt. Er ist vor gut zehn Jahren fast hundertjährig gestorben.
Statt Beifall zu klatschen, blieben die Zuhörer andächtig still. Sie schufen so eine besonders konzentrierte Atmosphäre, die im Lauf des 75 Minuten dauernden Konzerts erhalten blieb. Die schönen Stimmen, der ausgewogene, sehr gepflegte Gesang und die geschickt gewählte Literatur, mal komplex, mal eingängig, fesselten alle.
Gabriele Werle bereichert häufig Kurtzahns Konzerte durch Lesungen und eigene Texte , diesmal verwebte sie auf fast poetische Weise die Titel miteinander und gab dezente, kluge Anstöße zum Nachdenken oder Meditieren. Auf ihrem Weg zum Mikrofon begleitete Kurtzahn sie mit hübschen Improvisationen, Nachklänge aus den zuvor gestalteten Stücken.
Nystedts Landsmann Ola Gjeilo, 1976 geboren, war mit drei Werken vertreten, darunter dem titelgebenden „Northern Lights“. Darin fängt er das geheimnisvolle Phänomen der Polarlichter ein. „Ich sah sie in den bunten Flecken, die die Sonnenstrahlen überall im Kirchenraum verteilten“, schwelgte eine Zuhörerin nach dem Konzert – eine innige, klangintensive Musik. Flötistin Julia Schmidt unterstützte häufig mit schönem Ton die Melodie.
Lieder von Liebe, Heimat, Natur, Weite und Freiheit
Von Liebe, Heimat, Natur, Weite und Freiheit handelten die schwedischen Volkslieder „Wer kann segeln ohne Wind“, „Blaubeeren am Rain“ und das Värmelands-Lied. Im ersten beklagt ein Liebender den Verlust seines Schatzes. Im zweiten werden die saftig blühenden Sommerwiesen zu einer Musik, deren hübscher Rhythmus zum Tanzen geeignet ist. Chor und Kurtzahn hatten das Lied sehr ruhig angelegt. Und die Hymne aufs Värmland ergreift durch ihre weit ausgreifende Melodie mit ihrem melancholischen Reiz.
Fleißig hatten die Chormitglieder an ihrem schwedischen Akzent geübt. Zum Eintauchen in die nordische Welt trug bei, dass Andreas Grub Texte im Original sprach. Bekannte Titel aus dem Film „Wie im Himmel“ wie Lenas und Gabriellas Song setzten Nadine Prinz in Szene, deren klarer, schnörkelloser und kraftvoller Sopran über dem Chorsound das Kirchenschiff füllte. In Anders Nybergs verträumter Ballade im Dreiertakt „Mountain and Sea“ stieg Andrea Sihlers volltönender Mezzosopran aus dem Chor auf.
Die moderne Klassik war vertreten mit Nystedts „The Benediction“ und Gjelos „Ubi Caritas“, das an gregorianische Melodiegestaltung erinnerte. Der Komponist scheint hier mit komplexen Klängen die Sorgen der Menschheit auffangen zu wollen. Die Antwort darauf findet sich in der Kraft der Musik und eben in der Liebe zum Nächsten. In Hugo Alfvéns Klangstück „Der Abend“ mit den vielen Tönen und seinen lang gehaltenen, spannungsvollen Akkorden auf dem Vokal „u“ konnte man sich vorstellen, dass genau so das stille Ende des Tages klingt.
Der Beifall brach sich zum Schluss mächtig Bahn. Kurtzahn und der Chor bedankten sich mit einem schwedischen Sommerlied und entließen die vom Wohlklang beseelten Zuhörer in den lauen Frühlingsabend.