Ein Nachruf auf den Magier der Edelsteine
Ein Hunsrücker Kosmopolit: Zum Tode von Bernd Munsteiner
Mit Bernd Munsteiner verliert nicht nur die Edelsteinregion Idar-Oberstein, sondern die Branche weltweit einen großen Vordenker.
Picasa. Atelier Munsteiner

Stipshausen. Mit Bernd Munsteiner verliert die Edelsteinregion eine ihrer herausragendsten Persönlichkeiten. Der am 2. März 1943 geborene Edelsteingestalter starb am 6. Juni nach kurzer schwerer Krankheit.

Der in Stipshausen lebende und arbeitende Künstler gilt nicht nur als Erneuerer des zeitgenössischen Edelsteinschliffs von Weltgeltung. Vielmehr hat er die Welt der farbigen und luziden Kristalle als Gegenstand jenseits der handwerklichen Tradition neu interpretiert und für die Kunst der Gegenwart erschlossen. Und er hat mit seinem Werk Generationen von Edelstein- und Schmuckgestaltern künstlerische Impulse gegeben, dafür seinerseits vielfach Preise errungen sowie Auszeichnungen und Ehrungen erfahren.

Nach Beendigung seiner Edelsteinschhleiferlehre treibt den seiner Hunsrücker Heimat eng verbundenen Sohn eines Achatschleifers die Liebe zum Stein 1962 zum Studium in die Schmuckstadt Pforzheim. Seine Professoren, insbesondere Karl Schollmayer und Klaus Ulrich, können ihm wenig über Steine und das Schleifen von Steinen beibringen. Aber sie lehren ihn, sein Material mit den Augen der Kunst zu sehen und zu deuten. Und sie führen ihn an das Werk der Künstler-Gruppe Zéro sowie Friedrich Beckers und Hermann Jüngers heran, die damals zur Avantgarde der deutschen Kunst- und Schmuckszene zählen.

Als Edelstein- und Schmuckgestalter selbstständig

Zunächst weiterhin seiner Hochschule verbunden, macht Munsteiner sich nach Abschluss des Studiums in der Pforzheimer Region als Edelstein- und Schmuckgestalter selbstständig, um schließlich 1967 in den geliebten Hunsrück zurückzukehren und in Stipshausen das Atelier Munsteiner zu errichten. Von hier aus startet er eine beispiellose Weltkarriere.

In seinem eigentlichen Metier im Bereich der Steine, in denen er als vorbildloser künstlerischer Autodidakt seinen Stil entwickelt hatte, musste er seit seinen Studienjahren einen eigenen Weg selbst bereits in der Beschaffung von Rohmaterial suchen. Denn zumeist erreichen nur auf die industrielle Bearbeitung zugerichtete Steine aus den Fundländern den europäischen Markt, denen die für das künstlerische Auge oft verlockendsten Bestandteile als Abfall bereits entfernt worden sind.

„Lichtzyklus“ ist eines der bedeutendsten Werke Bernd Munsteiners aus Bergkristall und mit einem Silbersockel. Fotos: Jörg Rodighiero/Atelier Munsteiner
Jörg Rodighiero

Bei aller Experimentierlust in der Formgebung bleibt der Blick auf das den Stein im Kern romantisch: In Abwandlung des berühmten Satzes von Adorno geht es darum, die „Feensprache der Natur mit den Augen der Kunst zu lesen“. Diesem Leitsatz blieb Bernd Munsteiner im Laufe seines fast 60-jährigen künstlerischen Lebens treu. In seinen frühen Achatbildern wie auch in seinen späteren Skulpturen aus luziden Steinvarietäten versuchte er einerseits, dem natürlichen Auftritt des Gesteins eine Bühne zu geben; andererseits war es ihm bis zu seinen aktuellen Wandbildern immer ein Anliegen, auch die geometrische Struktur des Kristallinen sichtbar zu machen, da in dieser Textur des Steins auch die Wege des Lichts bis hin zur Totalreflexion angelegt sind.

Geheimnisvolle Botschaften

Mit unterschiedlichen künstlerischen Strategien hat sich Bernd Munsteiner in jedem Werk jeweils aufs Neue auf den Weg gemacht, den geheimnisvollen Botschaften des Kristalls auf den Grund zu gehen und sie für den Betrachter erfahrbar zu machen, ohne das Faszinosum des Kristalls zu beschäftigen. Das ist ihm gelungen, indem er sich von Anfang an radikal dem Denken und Handeln in Schablonen der Edelsteinindustrie verweigert hat und den respektvollen Umgang mit dem natürlichen Material gesucht hat. Er wolle den Stein in seinem „Recht“ zeugen, ohne ihn auf eine optimierte, lupenreine glitzernde Restgröße zu schleifen.

Persönliche Begegnungen formten Bernd Munsteiner zum Kosmopoliten mit lebenslangen Freundschaften in aller Welt. Persönliche Begegnungen, die ihm einerseits Zugang zu den von ihm geschätzten Rohstoffen ermöglichten oder ihm andererseits als Sammler oder einflussreiche Förderer Türen öffneten. Hierzu zählten frühe Freunde wie der Katalane José Farras, der mit ihm ab 1974 in regelmäßigen Abständen die brasilianischen Minen bereiste, um als sprach- und sachkundiger Verhandler den Einkaufserfolg zu sichern und ihn darüber hinaus bei der Anbahnung neuer Kontakte zur Seite zu stehen.

Großer Bericht in der New York Times

Bei einer dieser Reisen wurde er von Hans Stern, dem Inhaber einer bedeutenden Handelsfirma in Rio de Janeiro, eingeladen, der ihn künftig freundschaftlich zu unterstützen versprach. Dieses galt nicht nur für Brasilien. Stern organisierte für Bernd Munsteiner in der Firmenfiliale auf der 5th Avenue in New York mit einer eigenen Werkschau einen glanzvollen öffentlichen Auftritt, der mit einer von 56 Journalisten besuchten Preview und einem großen Bericht in der New York Times zu einem Grundstein des Erfolgs in den USA wurde. Der Idarer Händler Jürgen Henn stellte ihm den Kontakt zu Michael Scott, US-amerikanischer Eigentümer einer Sammlung von Mineralien und Steinobjekten von Weltgeltung, her, der in der Folge eine Vielzahl von Glanzstücken Munsteiners erwarb. Ein Paradestück seines Schaffens, der mit 10.363 Karat weltgrößte geschliffene Aquamarin „Dom Pedro“, wird heute im National Smithsonian Museum of Natural History in Washington D.C. (USA) gezeigt.

Im Hunsrück tief verwurzelt

Gleichzeitig blieb der Weltbürger Bernd Munsteiner im Hunsrück tief verwurzelt. Erwähnung verdient sein Engagement in der Region für die Errichtung der Fachhochschule für Edelsteine und Schmuck, für den Skulpturenweg und das Mahnmal für die von den Nazis verfolgten und ermordeten jüdischen Mitbürger am jüdischen Friedhof in Stipshausen sowie die beiden Kirchenfenster aus Achat, die er gemeinsam mit seinem an Weihnachten 2023 allzu früh verstorbenen Sohn Tom für die evangelische Kirche seiner Heimatgemeinde schuf. Nur wenige Monate und zuletzt noch Tage vor seinem Tod arbeitete er an der Verwirklichung eines Lebenstraums: der Gründung einer Sammlung von künstlerischen Edelstein- und Schmuckobjekten, die im Industriedenkmal Bengel eine dauerhafte Bleibe finden sollte.

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