Idar-Oberstein
Ein Bummel durchs Idarer Oberdorf

Idar 1955: Im Oberdorf reiht sich ein Geschäft ans andere. Spätestens zum Feierabend war die Hauptstraße schwarz von Menschen, viele lassen sich in einer der zahlreichen Kneipen ihr Bierchen schmecken. Foto: Archiv

Verlag Gebhard und Hilden

Idar-Oberstein - Alte Idarer stimmt es traurig, wenn sie sehen, wie es in ihrem Stadtteil derzeit aussieht. Vor allen Dingen in der Hauptstraße reiht sich Leerstand an Leerstand. Einige Häuser wurden sogar bereits abgerissen. Das war in den 1950er- und 1960er- Jahren einmal ganz anders. damals pulsierte hier das Leben. Die NZ blickt in zehn teilen zurück auf diese Zeit. Menschenmassen in den Idarer Straßen gibt es heute fast nur noch an den Jazztagen. Vor 50, 60 Jahren war das ganz anders. In der Mittagspause oder zum Arbeitsschluss bei Zerfass und Fissler strömten die Menschen in die Stadt. Kaufen konnte man dort so gut wie alles. Gehen wir also mal in Gedanken durch die Idarer Straßen in den 1950er- und 60er-Jahren, erinnern uns an die Geschäfte und deren Besitzer, an Kneipen und Bars und an die eine oder andere Anekdote. Sollte ein Name vergessen sein oder etwa falsch geschrieben, bitten wir das zu entschuldigen - und uns mitzuteilen, damit die Geschichte abgerundet werden kann.

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Idar-Oberstein – Alte Idarer stimmt es traurig, wenn sie sehen, wie es in ihrem Stadtteil derzeit aussieht. Vor allen Dingen in der Hauptstraße reiht sich Leerstand an Leerstand. Einige Häuser wurden sogar bereits abgerissen. Das war in den 1950er- und 1960er- Jahren einmal ganz anders. damals pulsierte hier das Leben. Die NZ blickt in zehn teilen zurück auf diese Zeit.

Menschenmassen in den Idarer Straßen gibt es heute fast nur noch an den Jazztagen. Vor 50, 60 Jahren war das ganz anders. In der Mittagspause oder zum Arbeitsschluss bei Zerfass und Fissler strömten die Menschen in die Stadt. Kaufen konnte man dort so gut wie alles. Gehen wir also mal in Gedanken durch die Idarer Straßen in den 1950er- und 60er-Jahren, erinnern uns an die Geschäfte und deren Besitzer, an Kneipen und Bars und an die eine oder andere Anekdote. Sollte ein Name vergessen sein oder etwa falsch geschrieben, bitten wir das zu entschuldigen – und uns mitzuteilen, damit die Geschichte abgerundet werden kann.

Wo anfangen und wo enden? Eine durchaus schwierige Frage. Vielleicht im Oberdorf, wo einst unterhalb der alles beherrschenden Firma Lederwaren Zerfass und der evangelischen Kirche die Firma Bapp ihre Brillen verkaufte, Ernst Lind seinen Bürobedarfhandel betrieb und gegenüber die Firma Busch-Bosch alles rund ums Auto einschließlich Reparaturservice im Angebot hatte. Übernommen hatte die Firma Busch die Räumlichkeiten 1959 von der Firma Mercedes-Becker, die nach Tiefenstein umzog. Außerdem gab es in der Ecke auch einen kleinen Lebensmittelladen, die Bäckerei Wobito, zwei Kneipen – eine davon hieß „Schwarzer Diamant“ – und die einzige, bis zum heutigen Tag an ihrem Standort verbliebene Edelsteinfirma von Horst Wild mit einem kleinen Verkaufsraum, die heute von dessen Sohn, dem Schmuckgestalter und Goldschmied Wolfgang Wild, fortgeführt wird.

Die erste Anlaufstelle in Sachen Berufsbekleidung war das rein der Männerwelt vorbehaltene Bekleidungsgeschäft von Albert Weilemann. Auch Konfirmandenanzüge und recht preiswerte Jeans konnte man dort erstehen. Nach der altersbedingten Geschäftsaufgabe wurde aus dem Modegeschäft in den 80er-Jahren das „Café Carré“, das zu dem Treffpunkt für Jugendliche und Junggebliebene über Jahrzehnte hinweg in Idar wurde. Vor Weilemann befand sich hier der Kiosk von Albert Schuch und seinen Schwestern, wo es unter anderem Zeitschriften und Süßigkeiten zu kaufen gab. Später wurde der Kiosk aufgelöst, und die Familie Schuch eröffnete ihren Zeitschriftenladen neben dem Idarer Marktplatz (heute Schütz).

Kung-Fu-und Aufklärungsfilme

Gegenüber von Weilemann steht auch heute noch das „Hotel Schwan“. Dort waren über lange Jahre die „Schwan-Lichtspiele“ untergebracht, die in späteren Jahren das erste und einzige Porno-Kino in der Schmuckstadt beheimateten. Doch in den 1950er- und 60er- Jahren liefen dort noch unschuldige Heimatfilme, Liebesschnulzen, Krimis, Abenteuer- und Westernfilme. Auch die bei Jugendlichen damals sehr populären Rocker- und Kung-Fu-Streifen kamen dort zum Einsatz. Sehr zum Leidwesen von Emma Krieger, die an der Kasse saß und im Saal später für den guten Ton sorgte, wurden im „Schwan“ auch die ersten „Aufklärungsfilme“ gezeigt. Die waren, oh Wunder, immer recht gut besucht. Dafür dass keine Person unter 18 Jahren in diese Filme kam, garantiert die ansonsten sehr liebeswerte Dame .

Zwei andere stadtbekannte Frauen waren die Geschwister Schell. Dort wo heute der Fissler-Verkaufsshop sein Domizil hat, hatten die Schell-Schwestern ihr kleines „Kaufhaus des Westens“. Auf engstem Raum konnte man alles, was man im Haushalt brauchte, und noch mehr bei „de Schelle-Määd“ kaufen. Von der Backschüssel über Töpfe, Gläser, Vasen bis zum Nagel, es gab nichts, was die beiden nicht vorrätig hatten. Auch wenn es manchmal etwas länger dauerte, bis das Objekt der Begierde gefunden war – auf Lager war es. Wie eng es in den Gängen dort war, zeigte sich, wenn man froh war, wenn man sich unfallfrei an den Glas- und Porzellansachen vorbeigeschlängelt hatte.

Feierabendbierchen beim Willi

Neben „Schelle“ hatte eine andere bekannte Idarer Persönlichkeit im Oberdorf sein Reich. Bei „Hirschmanns Willi“, der auch eine kleine Metzgerei hatte, trank so mancher nach Feierabend sein Bierchen. Willi Hirschmann war im übrigen auch 1. Vorsitzender der IKG und hatte 1958 die Idee zur Gründung des IKG-Trios. Auch sein Nachfolger Willi Will wurde zu einer Idarer Kneipierlegende. Eine solche Legende war auch auf der gegenüberliegenden Seite Julius Baumann, der dort eine Konditorei und ein Café betrieb. Vom Fenster im zweiten Stock des Cafés, dem späteren Scotch-Club, aus, beobachte der schwergewichtige Baumann das Geschehen auf dem Alexanderplatz, dem Verkehrsknotenpunkt im Stadtteil.

Zwischen dem Café Baumann und dem Schwan lagen noch weitere Geschäfte. Darunter war das Einrichtungshaus Weichel und „de Becker Max“. Der Schuhhändler hatte eine Besonderheit zu bieten. Hier bekam man nicht einfach ein paar Schuhe verpasst; nein, der Max hatte schon vor 50 Jahren eine Art Röntgengerät. In dieses Gerät musste man seine Füße stellen. So wurde nicht nur die Größe festgestellt, sondern auch die Fußform, und danach wurden dann die passenden Schuhe ausgesucht. Erhard Hahn

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