Auch wenn wir in Deutschland in Bezug auf Akzeptanz und Toleranz bei Genderthemen im internationalen Vergleich in politischer und juristischer Sicht relativ weit sind, gibt es in gesellschaftlicher Sicht vor allem rechts der Mitte noch viel zu verbessern. Travestieshows erweisen der Sache oft einen Bärendienst, vor allem wen sie künstlerisch und intellektuell fragwürdig daherkommen. Wenn also der Berliner Kabarettist Ulrich Michael Heissig sich als Irmgard Knef, 100-jährige Zwillingsschwester der unvergessenen Hildegard ankündigt, dann hätte das auch schief gehen können. Tat es aber nicht...
Mit diesem Programm eröffnete am Samstag der Hottenbacher Verein KaFF (Kultur auf Feld und Flur) seine neue Saison im Jahr eins nach dem Tod von Martina Helffenstein vor nahezu ausverkauftem Haus. Alleine diese Wahl, aber auch die höchsten Auszeichnungen für das Programm und den Künstler bis hin zum Deutschen Kabarettpreis ließen schon im Vorfeld auf Qualität hoffen – nach höchst erfreulichen Nachrichten des neuen Vorsitzenden von KaFF, der betonte, dass es mit dem Verein und seinem Angebot weitergehen wird. So steht das Programm für 2025 und 2026 schon, und auch für das Gebäude ist ein neuer Eigentümer gefunden, der bereits einige Investitionen getätigt hat und den Erhalt des Saals als Kulturstätte verspricht. Einzig der fehlende Nachwuchs bleibt ein großes Problem für den Verein.
Mit Stock und Perücke betritt Irmgard Knef die Bühne. Vom ersten Moment an glänzt Ulrich Michael Heissig mit außergewöhnlichem Wortwitz, der gesamte Abend lebt von seiner Wortakrobatik. Als Altenheimbewohnerin nimmt sie Stellung zu aktuellen Themen, aber immer kommen auch Erinnerungen an Historisches, an Stationen ihrer so wundervollen „Zwillingsschwester“. Die eingestreuten Lieder aus dem Repertoire „der Knef“ sind alle neu getextet mit dem gleichen Wortwitz wie die Moderationen. Man muss schon genau hinhören, um jedes Detail dieses Auftrittes mitzukriegen, die Schlagzahl der Wendungen und Pointen erinnert zeitweise an Reuschs Wochenrückblick bei SWR3.
Einzig die „Roten Rosen“ am Ende des Programms enthalten einige Textzeilen des Originallieds. Als Zugabe folgt noch das einzige selbstironische Liebeslied des Abends, von Irmgard Knef geschrieben mit 88 Jahren am Altglascontainer, ausgerechnet an einem Ort der Trennung…
Irmgard/Heissig ließ an dem Abend mehrfach eine wenig Bitterkeit durchblicken, dass ihr selbst Hildegards große Karriere verwehrt blieb. Mögen daher auch auf sie noch lange rote Rosen regnen – das wirklich tolle Programm ist es jedenfalls wert.
Zu Ehren von Martina Helffenstein wird das rheinland-pfälzische Kultusministerium im Laufe des Jahres eine Salü-Gala im Dorfsaal in Hottenbach veranstalten.