Sechs ehemalige Studierende der Fachrichtung Edelstein und Schmuck des Campus Idar-Oberstein der Hochschule Trier haben in den vergangenen Wochen in verschiedenen Wettbewerben im Kunst(handwerks)- und Schmuckbereich hoch dotierte Preise gewonnen. Darauf weist die Hochschule in einer Pressemitteilung hin.
Sharareh Aghaei, die nach ihrem Studium in Idar-Oberstein blieb und hier in Vollzeit als Steingraveurin arbeitet, stellte Ende Oktober neben den beiden ehemaligen Studentinnen Julia Obermaier und Helena Renner auf der Grassimesse im Grassi-Museum für angewandte Kunst in Leipzig aus. Auf der Messe werden verschiedene Preise vergeben. Für ihre Schmuckkollektion „Second Chance“ wurde ihr der mit 3000 Euro dotierte Grassipreis der Carl-und-Anneliese-Goerdeler-Stiftung verliehen. Die Schmuckkünstlerin stellt sich die Frage, wie man Edelsteine im Schmuck nachhaltig nutzen kann. „Wie lassen sich in der zeitgenössischen Kunst der Bezug, die Nutzung und die Wiederverwendung dieses kostbaren Materials reflektieren? In der Mode- und Schmuckindustrie werden Steine mit unperfekten Merkmalen wie kleinen Einschlüssen oder Rissen oft aussortiert. Diese Praxis führt dazu, dass viele Rohsteine als ,Abfall’ betrachtet und nicht weiterverwendet werden.“
Ausgesonderten Edelsteinen ein neues Leben geben
In ihrer Laudatio heißt es: „In ihrer Kollektion, Second Chance’ gibt Aghaei diesen ausgesonderten Edelsteinen ein neues Leben. Durch die Dekonstruktion der Materialien, bei der einige pulverisiert und mit Kunststoff kombiniert werden, schafft sie einen Dialog zwischen verschiedenen Epochen der Erde. Ihre fragmentarischen und gleichzeitig harmonischen Designs stellen das Material und dessen Entstehungsgeschichte in den Vordergrund, während sie die Eigenschaften und Formen von Edelsteinen wie Amethysten, Lapislazuli und Kristallen zitiert. Die Arbeiten von Sharareh Aghaei verdeutlichen, wie Vergangenheit und Gegenwart im Schmuck im wahrsten Sinne miteinander verschmelzen können.“

Helena Renner, die nach ihrem Abschluss als Assistentin am Campus Idar-Oberstein und als freischaffende Künstlerin arbeitet, wurde auf der Grassimesse für ihre körperbezogenen (Schmuck-)Objekte mit dem auf 2000 Euro dotierten Grassipreis der Sparkasse Leipzig ausgezeichnet. Auf Basis persönlicher Erfahrungen erforscht Renner in ihren Arbeiten die äußere und innere Wahrnehmung der körperlichen Erscheinung im Spannungsfeld zwischen Realität, individuellem Wunsch und gesellschaftlichen Normen. In ihren zeitaufwendig von Hand gefertigten „Shapewear“- und Unterwäsche-Designs spiegelt Renner Schönheitsnormen und gesellschaftliche Erwartungen wider und zeigt Wege zur Selbstakzeptanz. Die teils nach innen gerichteten Schmuckelemente und Perlen revolutionieren die Art und Weise, wie Dekor eine innige Beziehung zu sich selbst schaffen kann – sie laden ein, das Streben nach einem sich ständig verändernden, unerreichbaren Ideal zu hinterfragen.
Im August wurde Renner für ihre Abschlussarbeit bereits einer der Marzee Graduate Prizes 2024 verliehen. Die Galerie zählt zu den bekanntesten zeitgenössischen Schmuckgalerien der Welt und stellt jährlich die besten internationalen Abschlussarbeiten im Schmuckbereich aus. In diesem Rahmen werden einzelne Absolventen besonders hervorgehoben. Regelmäßig stellen dort Studierende aus Idar-Oberstein aus und werden mit Preisen ausgezeichnet. In diesem Jahr wurden Werke von sieben Idar-Obersteiner Absolventen in der Graduate Show gezeigt und drei Absolventen geehrt: Erik Lijzenga, Helena Renner und Miriam Strake.
Edelsteine werden zu „Objekten der Alltagskultur“
Felicia Mülbaier wurde im September mit dem Staatspreis Baden-Württemberg „Gestaltung Kunst Handwerk 2024“ ausgezeichnet. Der Wettbewerb um die Staatspreise Gestaltung Kunst Handwerk mit der Landesausstellung Kunsthandwerk findet alle zwei Jahre statt. Seit 1953 werden mit dieser traditionsreichen Veranstaltung besondere Leistungen im Kunsthandwerk ausgezeichnet. Veranstalter sind das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, der Bund der Kunsthandwerker Baden-Württemberg (BdK) und jeweils eine baden-württembergische Stadt. Die Künstlerin, deren Atelier sich in Mannheim befindet, hatte bereits 2020 den Förderpreis des Staatspreises Baden-Württemberg und 2022 den Bayerischen Staatspreis verliehen bekommen.

In den bildhauerischen Arbeiten und Zeichnungen von Mülbaier spielt die Zeit eine zentrale Rolle. Die Künstlerin baut auf und trägt ab, wodurch im künstlerischen Dialog mit dem Material flüchtig wirkende Zeitzeugnisse entstehen. Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist oft ein unregelmäßig geformter Brocken Material, den sie Schicht für Schicht abträgt, ohne vorher zu wissen, was sich darunter verbirgt. Jede Entscheidung im Prozess muss sie spontan treffen, da kein Schritt rückgängig gemacht werden kann – die Übergangsstadien werden vollständig zerstört und in ihre Grundbestandteile aufgelöst. Die 18 archaisch und magisch anmutenden Objekte, die „Talismane“ aus versteinertem Holz, für die sie in diesem Jahr die Auszeichnung erhielt, sind noch bis zum 17. November 2024 im Museum im Kleinhues-Bau in Kornwestheim zu bewundern.
Julia Obermaier, die seit 2016 ein eigenes Atelier in Kempten im Allgäu betreibt, wurde für Objekte ihrer Serie "Koh-I-Noor & Friends" in diesem Jahr bereits mit zwei Preisen ausgezeichnet. Im August gewann sie mit ihrer Arbeit „Du bist dran“, die aus drei Objekten besteht, den mit 5000 Euro dotierten Hauptpreis der 73. Kunstausstellung in Kempten. Aus verschiedenen Edelsteinen schliff sie einen abgerissenen Schreibblock mit eingravierten Zeichnungen, einen Bleistift und einen anradierten „Ratzefummel“. Sie schreibt: „Diese Objekte unserer Alltagskultur verkörpern Vergänglichkeit, Flexibilität, Korrektur und Flüchtigkeit. Doch werden sie hier einem sehr traditionellen, harten und beständigen Material – dem Edelstein – gegenübergestellt.“
Ein Blick zurück in die Kindheit
Die Jury schreibt: „Obermaier stellt Verbrauchsprodukte wie Bleistift, Radiergummi und Papierzettel mit edelsten Materialien dar und hinterfragt damit unser Verständnis sowohl des Materials als auch der Produkte. Sie überträgt ihr fantastisches handwerkliches Können und die Materialien, die wir eigentlich aus dem Bereich des Kunsthandwerks und des Schmucks kennen, und übersetzt sie in autonome Kunstwerke. Sie löst den Widerspruch auf, solch banale Gegenstände in wertvollen Materialien umzusetzen.
Ihr Werk ist auch ein Blick zurück in die Kindheit, in der die Verwendung dieser Materialien zur handschriftlichen Überlieferung noch selbstverständlich waren. Dadurch ergibt sich ein Gegensatz zur heutigen Zeit, die durch Tablets, Computer und Smartphones geprägt ist. Neben dem perfekten Umgang und der Bearbeitung des Materials beinhaltet das Werk auch einen hochaktuellen Subtext. Denn in der digitalen Gegenwart sind Fragen danach, was real und was fake, was echt und was Imitation, was handgemacht und was KI ist, wichtiger als je zuvor.“ Mit 15 weiteren aus Edelsteinen geschliffenen Radiergummis der Serie „Koh-i-Noor & Friends“ nahm Obermaier an der Ausstellung „Homo Faber“ in Venedig teil. Hier wurde sie unter über 400 Künstlern für den Young Ambassadors Award ausgesucht, der ein Preisgeld von 10.000€ beinhaltet.
„Das Team des Campus Idar-Oberstein gratuliert seinen Absolventen und ist auf zukünftige Arbeiten und Auszeichnungen seiner Studierenden gespannt“, heißt es in der Pressemitteilung abschließend.
Einige der prämierten Arbeiten werden am 30. November 2024 von 14 bis 18 Uhr am Tag der offenen Tür des Campus Edelstein und Schmuck in der Saarstraße 2 in Idar-Oberstein zu sehen sein.