Versuchter Mord in Baumholder
Die Stunde der Rechtsmedizin
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Sonja Wurtscheid. Sonja Wurtscheid/dpa/Symbolbild

Manchmal menschelt es im Gerichtssaal – selbst wenn es um einen so harten Tatvorwurf wie versuchter Mord geht.

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Der zweite Verhandlungstag in der Hauptverhandlung wegen eines versuchten Mordes in Baumholder stand im Zeichen der Rechtsmedizin. Die Vorsitzende Richterin am Landgericht, Dr. Claudia Büch-Schmitz, wollte von der als Sachverständige Zeugin geladenen Direktorin der Rechtsmedizin Mainz, Prof. Dr. Tanja Germerott, Einblicke in das Verletzungsbild des 48-jährigen Tatopfers haben. Er war am 28. Dezember 2024 gegen 3.10 Uhr von dem offenbar eifersüchtigen Lebenspartner seiner Noch-Ehefrau mit sieben Messerstichen niedergestreckt worden.

Was am ersten Verhandlungstag bereits für eine schwierige Situation gesorgt hatte, hätte bei diesem Vortrag der habilitierten Rechtsmedizinerin für eine traumatische Situation im Zuschauerraum sorgen können. Denn die 15-jährige Tochter des Tatopfers sollte diesen in den Gerichtssaal begleiten. Und dort würden absehbar nicht nur Einblicke in Familien- und Sexualleben ihrer Eltern thematisiert, sondern auch die Verletzungen jener Tatnacht in den Zuschauerraum via Großbildschirm übertragen. Harte Kost für einen unbedarften Zuschauer – erst recht für eine 15-Jährige, die schon mit der Begleitung des Vaters überfordert schien.

Oberstaatsanwältin Nicole Frohn wusste in Kenntnis des Akteninhaltes, was dabei erörtert werden würde. Und die Strafprozessordnung lässt da wenig Spielraum – es war eine öffentliche Hauptverhandlung, in der es keine Tabus gibt. Die erfahrene Anklägerin fühlte sich in diesem Stadium weniger an Rechtsformeln gebunden und wurde beeindruckend menschlich und fürsorglich. Sie bat um eine kurze Sitzungsunterbrechung und redete mit der Tochter. Die Oberstaatsanwältin ließ ihr am Ende selbst die Entscheidung, ob sie weiterhin Zuschauerin bleiben wolle. Worte mit Wirkung, die die 15-Jährige letztlich überzeugten: Sie verließ freiwillig den Zuschauerraum und kehrte auch für den zweiten Prozesstag nicht mehr zurück.

Gerichtsmedizinerin bestätigt potenzielle Lebensgefahr

Der drastischen Beschreibung eines als Zeugen gehörten Mannes und dessen Lebensgefährtin zufolge sah man kurz nach der Tat ein besorgniserregendes Verletzungsbild mit Gewebeaustritt, mit einem Küchenmesser, Klingenlänge 18,5 Zentimeter, beigebracht. Wissenschaftlich nüchtern sprach die Institutsleiterin in ihrem Gutachten von sieben multiplen Stichverletzungen mit glattrandigen Hautdurchtrennungen - beidseitig an Rumpf, Hals und Ellenbogen links. An der Verwendung eines später in der Hauptverhandlung vorgelegten Tatmessers ließ die Rechtsmedizinerin keinen Zweifel.

Auch die Schwere der Verletzungen mit potenzieller Lebensgefahr, erst recht in einem dynamischen Angriffsgeschehen, wurde neben diversen Prellmarken und Hämatomen erörtert: Stich in den Oberbauch rechts mit oberflächlicher Leberverletzung, Stiche in den rechten und linken Lendenbereich mit Verletzung der Nieren. Die Verletzungen seien nach Angaben des Niedergestochenen inzwischen voll ausgeheilt. Gegen ärztlichen Rat hatte sich das Tatopfer später eigenverantwortlich weiterer erforderlicher stationärer Behandlung im Klinikum entzogen und war offenbar danach nie wieder in ärztlicher Behandlung.

Taubheitsgefühl im rechten Bein ist geblieben

Heute klagt der 48-Jährige über „ein Taubheitsgefühl im rechten Bein, das in der lückenhaften medizinischen Dokumentation“ keine nachvollziehbare Kausalität fände, wie die Rechtsmedizinerin auf Nachfrage der Vorsitzenden betonte. Juristisch penibel wollte auch die Anklägerin wissen, ob das vorgelegte Tatmesser geeignet sei, die Verletzungen zu verursachen – was klar bejaht wurde. Denn das Tatopfer hatte das Messer als Tatwaffe ausgeschlossen – ein Betätigungsfeld für sicherlich weitere erwartbare Gutachten des LKA Mainz zu DNA- und Fingerspuren.

Hatten die beiden Bekannten des Opfers und zugleich Ersthelfer noch geglaubt, Darmgewebe habe sich durch die offene Wunde nach außen gedrückt, so verneinte die Fachärztin dies. „In dem OP-Bericht sind keine Darmverletzungen beschrieben.“ Hier könne es sich um eine Art Schürze vor dem Gedärm handeln, das auch teilweise entfernt worden sei. Dadurch könnten Infektionen und Schmerzen verursachende Narben entstehen. Irritierend sei die Benennung eines faustgroßen Hämatoms an rechter oder linker Niere – oder beiden. Bei einem hohen Blutverlust wäre der Blutdruck dann niedrig und der Normalpuls hoch. Vorliegend sei jedoch alles im Normbereich geblieben.

Prozess wird am Montag fortgesetzt

Schürfungen an Handinnenflächen und Knie seien am ehesten einem Sturzgeschehen zuordenbar. Scharfrandige Verletzungen seien an den Händen ansonsten nicht feststellbar gewesen. Abschließend betonte die Vorsitzende für einen etwaigen und möglichen Vergleich einen „Akt des guten Willens“ im Adhäsionsverfahren zwischen Täter- und Opferseite. Allerdings warf Nebenklagevertreter Philipp Fuchs (Freisen) ein, dass die Kommunikation mit seinem Mandanten schwierig sei und nur über die minderjährige Tochter laufe, die deswegen zeitweise die Schule nicht habe besuchen können. Was die Oberstaatsanwältin („Die minderjährige Tochter kann nicht die Sekretärin des Vaters sein“) und Verteidiger Hardy Hollinka (Bretzenheim) sehr kritisch betrachteten: „Keine schöne Situation, wenn man vom eigenen Mandanten so vorgeführt wird.“ 

Der Prozess wird am Montag, 16. Juni, 9 Uhr, am Landgericht Bad Kreuznach fortgesetzt.

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