Eine Auszählung mit Hindernissen wegen externer Softwareprobleme bescherte erst zum Dienstag, 12.04 Uhr, ein Ergebnis der Stadtratswahlen in Idar-Oberstein Die Verwaltungsmitarbeiter waren quasi rund um die Uhr im Einsatz, bis endlich Licht am Ende des Tunnels zu sehen war. Die Wahlbeteiligung lag bei 50 Prozent (2019 waren es 46,5 Prozent). Alle verlieren: die einen mehr, andere weniger. Alleiniger Gewinner ist die AfD, die erstmals in den Stadtrat einzieht und gleich acht Sitze für sich beanspruchen kann. Die CDU (die Partei erhielt mit 28 Prozent die meisten Stimmen) erreicht zwölf Sitze, die SPD (25,6) zehn: also kein Patt mit jeweils zwölf Sitzen wie bislang.
Dem Rat, der 40 Sitze hat, werden elf Frauen angehören, bisher waren es neun. Oberbürgermeister Frank Frühauf betont im Gespräch mit der NZ: „Die Gegebenheiten ändern sich. Ich hoffe, ich kann die politischen Parteien von unserem Weg überzeugen. Es geht nur miteinander.“
Freude mit gewissem Beigeschmack – anders kann ich die Gefühle zu diesem Wahlergebnis nicht nennen.
Frederik Grüneberg (CDU) zum Ausgang der Wahl in Idar-Oberstein.
Frederik Grüneberg (CDU) kommentiert: „Freude mit gewissem Beigeschmack – anders kann ich die Gefühle zu diesem Wahlergebnis nicht nennen. Ich freue mich sehr über das starke Ergebnis der CDU und bin überwältigt von meinem persönlichen Ergebnis.“ Dennoch gieße das unerwartet gute Ergebnis der AfD auf allen Ebenen etwas Wasser in den Wein: „Wir werden schnellstmöglich erfahren müssen, wie ein derart zusammengesetzter Rat arbeiten kann und ob sachlich und zielorientiert an einem Strang, zum Wohle unserer Stadt, gezogen wird. Ich freue mich auf die weitere Ratsarbeit und hoffe sehr, dass wir viele Themen und Projekte weiterführen können.“
Das Ergebnis der Sozialdemokraten beschreibt Moritz Forster (SPD) als absolut positive Überraschung. „Ich habe ja mit zehn Plätzen gerechnet – jetzt sind es zehn geworden. In Anbetracht dessen, dass wir im Vergleich zu 2019 nun zwei neue Wählergruppen im Rat haben, war das eine realistische Einschätzung. Wir stehen aktuell im Bund in den repräsentativen Umfragen bei 14, 15 Prozent. Wenn ich sehe, dass wir im Vergleich dazu in der Stadt nun 10 Prozent draufgepackt haben, muss ich sagen, dass ich wahnsinnig stolz bin. Wir haben als Team funktioniert – und nicht nur intern, sondern auch bei der Betrachtung der Stimmergebnisse. Das, was wir durch Personenstimmen gut gemacht haben, ist einfach der helle Wahnsinn. Das zeigt einfach, wie wichtig gute Leute vor Ort sind, denen die Bürgerschaft auch vertraut. Das ist unser Kapital.“
Der beste Wahlkampf sei eine solide Arbeit im Rat, “die wir natürlich auch in den vergangenen fünf Jahren unter Beweis gestellt haben – das werden wir auch so fortführen. Wir vor Ort haben Vernunft und Besonnenheit und treffen auch so unsere Entscheidungen – vollkommen ohne Ideologie, aber immer mit ganz viel Herzblut.“
SPD-Spitzenkandidat nur bedingt verwundert
Über das Ergebnis der AfD zeigt sich der bisherige Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidat der SPD nur bedingt verwundert. „Dass diese Partei als Newcomer in der Lokalpolitik hier vor Ort derart punkten kann, hätte ich nicht in diesem Ausmaß erwartet. Zwar bin ich kein Freund von verfrühten Wahlanalysen, aber hier ist ganz klar, dass sich bei der Kommunalwahl das unter dem Brennglas gezeigt hatte, was im Bund sowie aus Landesebene sich bereits abzeichnete. Das Ergebnis war von den übergeordneten Ebenen und der politischen Großwetterlage geprägt.“
Forster stellt klar: „Wir schonen niemanden! Damit ist die Zeit abgelaufen, in denen mit Stammtischplattitüden Stimmung gemacht wird – jetzt wird sich zeigen, wie schnell die AfD in der Realität ankommen wird. Ich vermute ja: leider nie.“
Stadtratssitzungen vor Ort anschauen
Sein Wunsch: Jede und jeder möge sich die Stadtratssitzungen vor Ort anschauen. „Damit jeder sieht, was er oder sie sich selbst – nicht uns als Politik – damit für einen Gefallen getan hat. Ich akzeptiere das Wahlergebnis, will aber was den Stadtrat angeht, nicht von einer Protestwahl sprechen. Wir haben bereits jetzt einen Meinungspluralismus. Das Problem ist nur, dass viele Menschen leider von den Informationen abgeschnitten sind, die den Stadtrat betreffen – das muss sich ändern, damit die Leute auch sehen mit welcher Leistung die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger ihr Amt wahrnehmen.“ Nicht alles laufe rund: „Keine Frage, aber das wird sich auch nun nicht ändern. Die Sitzungen sind öffentlich – oft sind viele Plätze frei. Dann haben wir in fünf Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit ein anderes Bild, das nicht entsprechend blau-braun verfärbt ist.“
Richard Brunk, der für die FDP auf Listenplatz eins stand, aber nicht in den Stadtrat kommt, kommentiert: „Wir freuen uns, dass mit Bernhard Zwetsch und Karoline Hautmann-Strack die Wähler zwei kommunalpolitische Schwergewichte voller Kompetenz honoriert haben, die beide ein super Ergebnis eingefahren haben.“ Nichtsdestotrotz sei das Wahlergebnis natürlich sehr schmerzhaft für die FDP, „da wir die Hälfte unserer Sitze im Stadtrat verloren haben, dies werden wir – wie es in unserer Partei üblich ist – in Ruhe intern analysieren und die daraus resultierenden Schlüsse ziehen.“
Das Wahlergebnis ist klar bundespolitisch geprägt.
Monja Roepke (Bündnis 90/Die Grünen) zur Wahl des Idar-Obersteiner Stadtrats.
Monja Roepke (Bündnis 90/Die Grünen) kommentiert: „Das Wahlergebnis ist klar bundespolitisch geprägt. Kommunalpolitik spielte hier eine untergeordnete Rolle. Das konnte man beim Kontakt mit den Einwohnerinnen und Einwohnern der Stadt bereits merken. Es wurden überwiegend bundespolitische Themen angesprochen.“
Vieles, das sich in den Köpfen als Meinung festgesetzt habe, sei im Vorfeld der Wahlen ohne Wahrheitsgehalt verbreitet worden: „Da gab es kaum eine Chance, mit der Wahrheit gegenzusteuern. Viele wichtige Punkte sind nicht mit wenigen Worten erklärt aber viele wünschen sich drei Worte für eine umfängliche Lösung.“ Dafür sei Politik aber zu komplex, denn sie müsse die Interessen aller Beteiligten abwägen: „So kurz und polemisch eine Antwort ausfällt, so viel mehr Menschen werden darin ihre Rechte und Wünsche nicht finden. Wir werden den Kopf jetzt nicht in den Sand stecken. Auch wenn es schwer wird, wir werden weiter für unsere Themen einstehen. Jetzt erst recht.“
Sabine Brunk wenige Wochen vor der Wahl aus der CDU-Fraktion ausgetreten und dann für die Liste Worst/Bürger für Bürger angetreten, gehört dem Stadtrat nicht mehr an. Stefan Worst (Liste Worst) kommentiert: „Insgesamt ein schwieriges Ergebnis. Ich hoffe auf fünf erfolgreiche Jahre für Idar-Oberstein. Mit Blick auf jene, die jetzt neu einziehen: Die müssen sich der Verantwortung stellen, und wir werden überprüfen, ob sie das können.“
Schnadthorst wünscht sich breites demokratisches Bündnis
Frank Schnadthorst (Freie Liste) fühlt sich angesichts des AfD-Abschneidens geschockt: „Auch wir hätten uns für die freie Liste natürlich mehr Stimmen gewünscht. Aber alle haben Federn gelassen. Das Ergebnis macht die Arbeit im Rat schwieriger, keine Frage.“ Es werde spannend zu beobachten, mit welchen Themen die AfD denn an den Start gehe. Er wünscht sich im Rat ein breites demokratisches Bündnis.
Dirk Rohde (AfD) sagt: „Ich bin überglücklich, wir sind überwältigt. Die Leute vor Ort haben kapiert, dass es so nicht weitergeht. Jetzt gilt es, das Vertrauen zurückzugeben. Wir haben Themen auf unserer Agenda. Die Probleme in der Stadt sind ja offensichtlich. Wir werden uns einbringen und hoffen auf ein Miteinander.“ Mit Frederik Grüneberg habe er am Montag schon gesprochen.
"Das radikale Potenzial der AfD wird nicht wahrgenommen. Vermutlich im Blindflug wurden Kreuze gemacht – mit Schaum vor dem Mund, aus Protest, aus Unsicherheit oder tatsächlich aus Überzeugung: den Etablierten den Mittelfinger zeigen, ohne bislang (!Kommentar zur Stadtratswahl in Idar-Oberstein: Breites Bündnis muss das Streiten lernen – auch mit der AfD
Michael Schmolzi (LUB) findet es „erschreckend, wie der AfD nun der Durchmarsch gelungen ist, aus dem Stand“. Und zwar vor allem auf dem „Rücken der kleinen Parteien und Listen“.
In der nächsten Woche kommt der Ältestenrat zusammen, die konstituierende Sitzung ist für den 3. oder 10. Juli geplant.
Die Sitzverteilung im Stadtrat Idar-Oberstein
SPD (10 Sitze): Moritz Forster (4846), Eva-Maria Budau (3925), Eva Sturm-Milisenda (3682), Jörg Petry (3420), Stefan Becker (3355), Horst Hotschicke (3223), Jürgen Hiebel (3074), Franz Josef Gemmel (2981), Stephanie Schepp (2832), Rouven Voigt (2792)
CDU (12 Sitze): Frederik Grüneberg (4821), Christian Knapp (4221), Wolfgang Röske (4172), Reimund Engbarth (4070), André Bender (3650), Peter Müller (3429), Christina Schwardt (3293), Steffen Schneider (3215), Meike Fuchs (3117), Karl-Heinz Totz (3089), Jana Heller (3042), Bärbel Voigt-Stöcker (2968)
Bündnis 90/Die Grünen (2 Sitze): Eduard Erken (2256), Monja Roepke (1904)
AfD (8 Sitze): Dirk Rohde (6381), Michael Fuhr (6202), Volker Mayer (6173), Nikolaus Manstein (6112), Maria Luise Reichert (6067), Dominik Gilcher (6019), Oliver Thalmann (5991), Holger Stiefelhagen (5968)
FDP (2 Sitze): Bernhard Zwetsch (2133), Karoline Hautmann-Strack (1397)
Freie Liste (2 Sitze): Frank Schnadthorst (2305), Peter Erbach (1715)
LUB (2 Sitze): Benjamin Augenstein (1530), Michael Schmolzi (1319)
Die Linke (1 Sitz): Sonja Gottlieb (809)
Wählergruppe Worst (1 Sitz): Stefan Worst (1758)