Boshaftigkeiten, wie sie unter Alliierten eher ungewöhnlich sind, prägten im Sommer 1945 den Übergang des Besatzungsregimes im linksrheinischen Deutschland von der 15. amerikanischen zur 1. französischen Armee. Demonstrativ zeigten die Amerikaner, wie sehr sie in den Franzosen bloße Trittbrettfahrer sahen, die nur einen untergeordneten Beitrag zum Sieg über Hitlers Wehrmacht geleistet hatten und nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands umso ungenierter die Früchte des hart erkämpften Kriegstriumphs ernten wollten. Dabei blendeten die Amerikaner aus, dass seit 1870 kaum ein Land unter dem preußischen Militarismus so sehr gelitten hatte wie Frankreich.
Obwohl sich die Alliierten über den Zuschnitt der Besatzungszonen einig geworden waren und auf dieser Grundlage zusätzlich ein Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich die künftigen Zuständigkeiten regelte, legten die Amerikaner bei der Übergabe ihrer Besatzungsbefugnisse keinerlei Eile an den Tag. Da nutzten selbst offizielle Beschwerden der Franzosen nichts.
Franzosen beschlagnahmten Privatgebäude
Noch viereinhalb Jahrzehnte später betonte der Nachrichtenoffizier Martin H. Weik, der in Idar-Oberstein stationiert war, in seinen Erinnerungen „The Young Lieutenant“, er habe nicht verstanden, warum die Vereinigten Staaten das Rheinland an Frankreich abgegeben hätten. Bürgermeister Bergér, den die US-Militärs trotz seiner NS-Vergangenheit im Amt gelassen hatten, stellte mit Blick auf die Amerikaner fest: „Sie taten nicht das Geringste dazu, den Franzosen den Einzug zu ermöglichen, im Gegenteil, sie widersetzten sich auf eine drastische Art, auch im Stadthaus. Naidoff [der Vertreter der US-Militärregierung] lehnte es ab, mit französischen Offizieren überhaupt zu sprechen“.
Leidtragende der Eitelkeiten waren deutsche Wohnungseigentümer. Weil die Amerikaner die Räumung der militärisch genutzten Anlagen und der von ihren Soldaten belegten Wohnungen über die Maßen hinausschoben, mussten die Franzosen für ihre Mannschaften notgedrungen auf die Flurschule zurückgreifen und außerdem Privatgebäude für Offiziere beschlagnahmen, was die Wohnungsprobleme in der Stadt weiter verschärfte und Empörung in der Bevölkerung hervorrief.
Lieutenant Ruinet erwirkte Entlassung von Bürgermeister Bergér
Als noch emotionsgeladener erwies sich der französische Zugriff auf lokale Lebensmittelbestände. Hatten die Amerikaner ihre Truppenangehörigen hinreichend mit Nahrungsmitteln versorgt und sogar Deutschen hin und wieder von ihren Vorräten etwas zukommen lassen, litt Frankreich im Sommer 1945, wie andere europäische Länder, kriegsbedingt unter beträchtlichen Ernteausfällen und war daher umso mehr darauf angewiesen, für seine Soldaten und deren Familien vor Ort Lebensmittel zu requirieren. Dabei beanspruchten die Franzosen pro Person 50 Prozent höhere Rationen, als sie den Deutschen zubilligten. Das fiel angesichts des geringen Anteils französischer Soldaten an der Gesamtbevölkerung bei der allgemeinen Versorgungslage nicht sonderlich ins Gewicht, wirkte aber gleichwohl psychologisch verheerend. Da half es wenig, dass die französische Militärverwaltung andererseits entschlossen gegen Schieber und Bauern vorging, die Ernteerträge zurückhielten, um sie zu Wucherpreisen unter der Hand zu veräußern.
Deutliche Unterschiede zwischen den Alliierten zeigten sich bei der Beaufsichtigung der Kommunalverwaltungen. In Birkenfeld löste Capitaine Poyetton den Chef der US-Militärregierung ab. Im Idar-Obersteiner Stadthaus nahm Lieutenant Ruinet seine Arbeit auf und agierte weitaus weniger zurückhaltend als sein amerikanischer Vorgänger Naidoff. Anfang August 1945 erreichte Ruinet bei Poyetton die Entlassung von Bürgermeister Bergér, dem vorgeworfen wurde, sich mit zwei „besonders nazistischen Dolmetschern“ umgeben zu haben. Darüber hinaus wurden die von Bergér in Abstimmung mit den US-Stellen eingesetzten kommunalen Selbstverwaltungsgremien abberufen.
Französische Soldaten holten ihre Familien nach
Wie die Amerikaner richteten die Franzosen ihre militärische Leitstelle in der Klotzbergkaserne ein, die fortan „Quartier Jeanne d’Arc“ hieß und zugleich als Artillerieschule diente. Weitere Einheiten belegten die Hohlkaserne und die Straßburgkaserne, die obendrein bis 1946 als überbelegtes Internierungslager für mutmaßliche Nazis herhalten musste. Das anfänglich vom US-Nachrichtendienst belegte Idarer Hotel „Schützenhof“ nutzten die Franzosen als Soldatenheim und Sitz einer Gendarmerie-Brigade, während ein zunächst im Saalbau eingerichtetes Kasino später in das heutige Deutsche Edelsteinmuseum umzog. In Warenlager wandelte das französische Militär, das großzügig den Nachzug der Familien seiner Soldaten zuließ und damit den eigenen Versorgungsbedarf deutlich ausweitete, das Obersteiner Kaufhaus Pielmeyer und das Idarer Gasthaus „Zur Börse“ um. Damit Einheimische den Badespaß französischer Familien nicht beeinträchtigten, wurden sie von 16 bis 19 Uhr vom Besuch des beliebten Kammerwoogbads ausgeschlossen.
Kaum dem nationalsozialistischen Überwachungsstaat entkommen, sahen sich die Menschen an der oberen Nahe einer Flut französischer Auskunftsforderungen ausgesetzt. Um die Bevölkerung ausreichend kontrollieren zu können, installierten die Franzosen ein eigenes Passwesen und sammelten akribisch Personal- und Wirtschaftsdaten. 1946 mussten alle Erwachsenen unter Strafandrohung schriftlich Auskunft darüber erteilen, ob sie Mitglieder und Funktionäre in der NSDAP und weiteren NS-Organisationen gewesen waren. Dabei ergaben sich ehrlichere Auskünfte als in den Entnazifizierungsverfahren. Bis heute stellen die Selbstauskünfte eine wichtige, von Regionalhistorikern allerdings wenig genutzte Quelle dar.

Erfasst wurden von der Militärverwaltung sämtliche Fahrzeuge einschließlich der Fahrräder. Ein eigens eingeführtes Besatzungskennzeichen trat an die Stelle der deutschen Autoschilder. Aus nachrichtendienstlichen Gründen interessierten sich die Franzosen für Brief- und Haustauben, erfassten alle Rundfunkteilnehmer und überprüften die vorhandenen Druckereien. Registriert wurden außerdem die heimkehrenden Soldaten sowie die Kriegshinterbliebenen und Evakuierten. Selbst Kinder und Jugendliche entgingen nicht dem Drang nach Daten der Besatzungsmacht. Zur Bekämpfung des Schwarzhandels wurden sämtliche Nutztierhalter und deren Bestände aufgelistet. Auch der Geldverkehr war für die Franzosen von Interesse, weshalb alle Bankkonteninhaber ermittelt wurden. Einer umfassenden Kontrolle unterlagen Firmengeschäftsbücher und schließlich zeichneten die Franzosen sogar die Geschäftsverbindungen zwischen örtlichen Fabriken und den beiden anderen Westalliierten auf.
Großen Wert legten die Franzosen auf die Einhaltung von Sicherheit und Ordnung. Wo immer sie ihren Nationalstolz verletzt wähnten, reagierten sie besonders empfindlich. Doch als im März 1947 mehrere junge Algenrodter um den „nationalistischen Haudegen“ Hans Biegel anlässlich einer wüsten Wirtshauskeilerei im Gasthof Fried französische Soldaten in die Flucht geschlagen hatten, verzichtete die Sûreté auf mögliche Strafverfahren gegen die Deutschen; stattdessen wurde – erstaunlich deeskalierend – den eigenen Soldaten für einige Zeit der Aufenthalt in Wirtschaften untersagt.
Einheimische wurden auf offener Straße durchsucht
Insgesamt war das Verhalten der französischen Polizei für die einheimische Bevölkerung nur schwer ausrechenbar. Es kam vor, dass auf offener Straße Deutsche angehalten, ihre Geldbeutel und Brieftaschen durchsucht und Geld konfisziert wurde. Keineswegs sanktionierten die Franzosen nur Taten der Deutschen. Auch eigene Soldaten wurden mitunter hart bestraft. Trotzdem kam es vor, dass französische Soldaten ohne erkennbaren Anlass in der Öffentlichkeit Einheimische schlugen, ohne dass dies für sie strafrechtliche Folgen hatte.
Besonders sensibel reagierten die französischen Gendarmen auf alles, was sie als politischen Widerstand empfanden. Im April 1946 nahm der Chronist Otto Conradt wahr, wie „sechs Buben von den Franzosen in Haft genommen“ wurden, weil sie „gleichermaßen eine Schlüsselblume im Knopfloch trugen“. Für die verunsicherte Besatzungsmacht handelte es sich dabei um ein verdächtiges „Gemeinschaftsabzeichen“.
Ausgangssperre wegen zerrissener Trikolore
In Birkenfeld und Idar-Oberstein feierte das französische Militär Jahr für Jahr am 14. Juli den Nationalfeiertag und am 11. November das Ende des Ersten Weltkriegs. Ende 1946 hatte das Folgen: Auf dem Idarer Marktplatz wurden Soldaten gegenüber deutschen Schaulustigen handgreiflich, weil die beim Hissen der Trikolore ihre Kopfbedeckungen nicht abnahmen. Auf deutscher Seite war die Verärgerung über diesen Zwischenfall noch nicht abgeklungen, da wurde die Trikolore zum Jahreswechsel 1946/47 vor der französischen Offiziersmesse in Idar abgerissen. Zwar blieben die Übeltäter unerkannt, trotzdem nahmen die Franzosen mehrere deutsche Männer fest – ohne der Sachverhaltsaufklärung damit näherzukommen. Daraufhin erfolgten kollektive Repressalien. Von 21 bis 5 Uhr wurde wieder eine Ausgangssperre verhängt und Unterhaltungsveranstaltungen blieben bis auf Weiteres verboten.
Nachdem sich Landrat Heep vergeblich um die Glättung der Wogen bemüht hatte und die Stadt eine Belohnung von 10.000 Reichsmark für Hinweise, die zur Täterfindung führen sollten, bereitstellte, setzte das französische Militär schließlich für den 10. Januar 1947 vor der Offiziersmesse das Aufziehen einer neuen Nationalfahne an. Es befahl den vier städtischen Beigeordneten sowie dem gesamten Stadtrat, dem feierlichen Akt „in dunklem Anzug und Zylinderhut“ beizuwohnen.
Erst nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Rückkehr amerikanischer Soldaten im Kalten Krieg entspannte sich allmählich das Verhältnis zwischen den einstigen „Erbfeinden“ Deutschland und Frankreich, die nach den Pariser Verträgen vom 5. Mai 1955, mit denen das Besatzungsstatut beendet wurde, endlich auf allen staatlichen Ebenen zueinanderfanden.