Von unserem Redaktionsleiter Stefan Conradt
Das Alpenforschungsinstitut nannte in seiner im Juni 2014 präsentierten Untersuchung eine mögliche Verdreifachung der Touristenzahlen und einen zusätzlichen Umsatz in der NLP-Region von bis zu 10,3 Millionen Euro jährlich in Tourismus und Gastronomie. 110 000 zusätzliche Übernachtungsbesucher und bis zu 240 000 Tagesbesucher könnte der NLP anlocken – allerdings durch den Neugierdeeffekt nur im ersten Jahr. Danach müssen zusätzliche Attraktionen her.
Diese Zahlen hält die von der Rheinland-Pfalz-Tourismus GmbH abgestellte Projektmanagerin Britta Baums für durchaus realistisch, das zeigten Erfahrungen in anderen Nationalparks. Aber sie sagt auch: „Vorher müssen die Hausaufgaben ordentlich gemacht werden.“ Aber genau da gibt es noch zahlreiche Defizite, das weiß nicht nur die 35-jährige Diplom-Raumplanerin, die seit November in Rinzenberg, direkt am Nationalpark, wohnt.
Vor allem die Kleinteiligkeit der Region, die länderübergreifende Kommunikation, aber auch die verworrenen Touristikstrukturen im Hunsrück und an der Nahe, vor und hinterm Wald machen derzeit eine einheitliche Vermarktung der Nationalparkregion schwierig. Daran wird aber im Hintergrund schon eifrig gearbeitet. Schon in Kürze wird das neue Touristische Servicecenter (TSC), in dem die TIs Idar-Oberstein und Herrstein effizienter zusammenarbeiten sollen, vorgestellt. Es könnte Modellcharakter für die ganze Region haben.
Zu wenig Werbung im Vorfeld
Auch ohne TSC arbeiten die Touristiker im Landkreis und auch darüber hinaus schon seit längerem eng zusammen. Ein größeres Problem ist derzeit die Schnittstelle mit dem Nationalparkamt. Dort ist die Stelle für Öffentlichkeitsarbeit bis zum heutigen Tag nicht besetzt. Es gibt bis auf eine Liste von Rangertouren – die aber gar nicht buchbar sind – keinerlei Angebote, die die Touristiker bewerben oder verkaufen könnten. Und dabei werden die TIs schon seit Wochen mit Anfragen überhäuft. Wer ist für die Entwicklung welcher Angebote zuständig? Auch in diesem Punkt gibt es hinter den Kulissen allerlei Gerangel. Ideen gibt es genug.
Die Nationalparkübersichtskarte, die kostenlos an alle Besucher verteilt werden soll, liegt am heutigen Tag der Parkeröffnung noch längst nicht in allen TIs. Die Flyer mit dem Eröffnungsprogramm kamen erst Mitte der Woche in den touristischen Anlaufstellen der Region an. Plakate, Banner, überregionale Werbung, Radiospots? Fehlanzeige. Selbst der Schienenzweckverband, der in solchen Fällen gern die dank Bahn und Shuttlebussen sehr attraktiven Möglichkeiten einer Anreise ohne eigenen Pkw bewirbt, wurde nicht kontaktiert. „Woher sollen die Menschen denn wissen, was bei uns läuft, wenn es nicht kommuniziert wird?“, beklagen die Touristiker offen die mangelnde Öffentlichkeitsarbeit von Ministerium und Nationalparkamt.
Landrat Matthias Schneider und der kommissarische Leiter der Regionalentwicklung, Michael Dietz, hoffen, dass sich die Anlaufprobleme schnell beilegen lassen. Dietz unterstreicht die Chancen, die der Nationalpark für die Region birgt: „Wir haben die Möglichkeit, der Welt da draußen mitzuteilen, dass es sich bei uns sehr gut leben lässt.“ Ziel sei, das Wohn- und Berufsangebot in der Region ans Champions League-Niveau des Schutzgebiets anzugleichen. Mit der mittlerweile sehr guten Internetanbindung sei es jetzt schon möglich, per Telearbeit kostengünstiges Leben im grünen Umfeld mit dem Broterwerb bei internationalen Firmen zu kombinieren. In den Bereichen Kindergarten und Schulen ist die NLP-Region bereits jetzt sehr gut aufgestellt, bei der Hochschulausbildung dank des Umwelt-Campus auch, listet Dietz auf. „Der Nationalpark hat bereits dazu geführt, dass im Landkreis Birkenfeld weitaus intensiver über Gemeindegrenzen hinweg miteinander geredet und kooperiert wird.“ Das gelte es jetzt auch über die Kreis- und Ländergrenzen hinaus zu gewährleisten. Dann wäre der Weg geebnet für ein offensives Außenmarketing: „Wir haben viel zu bieten – nicht nur in der Natur.“
Fördermittel fließen ab Herbst
Klar ist aber auch: Das finanziell klamme Land wird keine Abermillionen Euro in das Projekt pumpen. Investitionen in Sachen Attraktivitätssteigerung werden von außen kommen müssen. Aber auch die Kommunen sind hier am Zug, wenn ab Herbst die neue Leader-Förderperiode anläuft, die ganz auf die Nationalparkregion zugeschnitten ist. Insgesamt 4,3 Millionen Euro stehen hier aus Töpfen der EU und des Bundes zur Verfügung. Eines der Projekte, die dann verwirklicht werden, ist ein 82-Kilometer-Radweg um das Schutzgebiet.