Knarrend öffnet sich die Containertür zum Spirituosenlager. Die Gerüche von Zitronen, Himbeere und Mirabellen, aber auch Kaffee und vor allem Alkohol liegen in der Luft. In abgedeckten Eisenfässern lagern die teils durchsichtigen, teils mit einem milchigen Schimmer behafteten Flüssigkeiten, die verantwortlich für die Geruchsexplosion sind. Hier lagert die Kleine Dorfwirtschaft (KDW) in Leisel einen Teil ihrer selbst destillierten Alkoholika.
2011 baute und eröffnete Thomas Petsch die kleine Dorfwirtschaft in Leisel, ein Gebäude im Blockhausstil, in dem die Gäste an der Leidenschaft des Besitzers für verschiedenste Alkoholsorten, von Bier über Whisky bis zu Bränden und Wein teilhaben können. Besonders die Whiskeysammlung der Dorfwirtschaft spannt sich über Kontinente. „Thomas Petsch hatte schon immer eine Leidenschaft für Spirituosen, besonders für Whiskey. Er ist ein echter Sammler“, sagt sein Freund und Kollege Markus Petry.
Diese Leidenschaft hob er später gemeinsam mit Petry auf ein neues Level. Gleich neben dem Lager, in einer kleinen Hütte, steht das Herzstück der eigenen Alkoholproduktion. Kupferne Kessel, über denen Druck- und Temperaturanzeigen befestigt sind, bilden verbunden mit Rohren einen Kreislauf. Die Destille erwarben Petry und Petsch 2022.
Der Weg zur eigenen Destille
„Ich bin schon immer sehr naturverbunden gewesen“, sagt Petry, der für die KDW-Destillerie hauptverantwortlich ist. Er und seine Familie besitzen eigenen Bienen, die für sie Honig produzieren, bauen ihr eigenes Obst und Gemüse an. „Ich dachte schon immer, da lässt sich mehr herausholen als nur das reine Naturprodukt“, sagt Petry. Sein da noch rein privates Interesse für die Alkoholproduktion ist geweckt.
Anfang des Jahres 2022 besucht Petsch privat eine bekannte Destillerie im Schwarzwälder Oberkirch. Gleichzeitig habe Petry am selben Tag und rein zufällig ebenfalls eine andere Destillerie besichtigt. „Wir haben uns ganz begeistert Bilder hin und her geschickt“, erzählt Petry lachend. „Es war um uns geschehen, und noch an diesem Tag haben wir entschieden: Das machen wir auch.“ Petsch und Petry kaufen eine Destille der Destillerie aus dem Schwarzwald. Ein freier Mitarbeiter des Betriebs, der die beiden bis heute begleitet, weist sie in die Feinheiten der Spirituosenproduktion ein. Doch bevor es losgehen konnte, seien noch einige bürokratische Hürden zu überwinden gewesen, erzählt Petry.
Denn um Spirituosen herstellen zu dürfen, braucht es eine Lizenz des Hauptzollamtes in Koblenz. Nach einer gewissen Zeit mit einer Probelizenz erhielten Petsch und Petry die volle Lizenz zum vergeistern. Das bedeutet, dass in der KDW kein Rohalkohol hergestellt wird. Der Geist, eine Art von Spirituose, wird aus Grundzutaten, wie Früchten, Obst oder Kräutern, hergestellt, die dann in der Destillieranlage mit durch die KDW zugekauftem Rohalkohol verbunden wird.
„Es gibt so manches Vorurteil gegenüber dem Geist, dass er weniger aromatisch sei als ein Brand, der mit Maische über Monate hergestellt wird“, sagt Petry. Diesen Vorurteilen stimme er nicht zu. „Unsere Destille verfügt über einen sogenannten Aromaten, der alles aus den Grundprodukten herausholt, indem der Prozess mehrmals durchgeführt wird“, erklärt Petry.
Dass sich der Geist aus Leisel vor keinem Brand verstecken muss, zeigt auch eine Auszeichnung des Geistes „Himbeere 22“ des KDW durch das österreichische Kulinarik-Magazin Falstaff im Rahmen der „Obstbrand Trophy Deutschland 2024“, das den Himbeergeist mit 87 von 100 Punkten bewertet. „Herb-erdige Himbeernoten in der Nase, dezentes Bukett. Im Mund fruchtig-weich, klare Himbeere, dezente Süße“, beschreibt das Magazin den Geist.
Von Rettich bis Lebkuchen: Experimente bei der Spirituosenproduktion
Doch die KDW-Destillerie hat noch einiges mehr auf Lager als den Himbeergeist. Denn Petry und Petsch zeigen sich dort experimentierfreudig. Neben den Klassikern Gin, Himbeere, Mirabelle und Williams-Christ-Birne stehen auch Exoten wie Lebkuchen auf dem Etikett der Flaschen im Regal neben der Destille. Dafür lassen Petry und Petsch sich überall inspirieren.
Der Vorschlag für den Lebkuchengeist kam vom freien Mitarbeiter, der auch die Destille im KDW aufbaute. „Ich wollte aber originalen Lebkuchen, nicht irgendeinen“, sagt Petry. Also lässt er sich von seiner Frau, die aus Nürnberg stammt, das Rezept für den originalen Elisen-Lebkuchen geben. „35 Kilogramm davon habe ich in der heimischen Küche gebacken und dann kam der in die Destille“, erzählt Petry. Destilliert wird in der KDW-Destillerie jeden Samstag für rund acht Stunden. Denn für Petry, der im Vertrieb einer Kunststoffirma arbeitet, bleibt die Geistproduktion ein Hobby. „Für so ein Hobby musst du schon etwas bekloppt sein“, meint Petry lachend.
Und bekloppt klingen zumindest auch einige der Ideen, die Petry und Petsch umsetzen. So lagert aktuell ein Rettichgeist in dem Container neben der Destillenhütte. „Wir wollen uns mit unseren Produkten sehr auf die Region beziehen, da haben wir uns überlegt: Was ist typisch für die Region? Natürlich der Spießbraten. Und was passt gut zum Spießbraten? Natürlich Rettich“, legt Petry den Gedanken hinter dem Experiment dar.
Rohstoffe aus der Region rund um den Kreis Birkenfeld
Natürlich seien solche Experimente auch immer risikobehaftet. „Wenn es nicht klappt, war nicht nur die Zeit umsonst, sondern auch die Mengen an Produkt, die wir für die Herrstellung brauchen“, erklärt Petry. Doch bisher habe es noch keinen Totalausfall gegeben. „Auch der Rettichgeist schmeckt, natürlich am besten zum Spießbraten“, sagt Petry mit einem Augenzwinkern. Aktuell tüfteln die Köpfe hinter der KDW-Destille an einem Mispelgeist.
Regionalität sei ihnen wichtig, fügt Petry hinzu. Das gelte nicht nur für die Inspirationsquellen, sondern auch für die genutzten Rohstoffe. „Unser Kaffee, für den Kaffegeist, kommt aus der Reismühle im Landkreis Kusel, Obst manchmal von Streuobstwiesen, oder von lokalen Anbietern, wie unsere extra kleinen Mirabellen, die wir aus Losheim beziehen“, zählt Petry auf.
„Wir leben in einer strukturschwachen Region, die allerdings etwas Besonderes zu bieten hat: Ihre Natur. Aus der wollen wir herausholen, was geht.“ Das sei das Konzept.
Verkauft werden die Leiseler Geiste vor allem über die kleine Dorfwirtschaft, allerdings gibt es sie auch im Globus in Idar-Oberstein oder im Haco in Wadern verkauft. Auch verschiedene Hotellerie- und Gastbetriebe hätten die KDW-Spirituosen bereits in ihr Sortiment aufgenommen, sagt Petry. „Wir sind eine kleine Destillerie aus und für die Region und das wollen wir auch bleiben.“