St. Wendel – Ein Experiment sollte es sein, ein Turnier mit Bedingungen und Regeln wie vor 500 Jahren. Rund 12 000 Zuschauer kamen nach St. Wendel, um die besten Ritter der Welt zu sehen. Diese wiederum zogen aus Schmerzen Konsequenzen für ihre gelebte Archäologie.
Am Ende waren es Vier gegen Einen. Doch der eine hatte einen Trumpf in der Hinterhand: Joram van Essen. Die dritte und letzte Melée, der Massenkampf zu Pferde, des St. Wendeler Ritterturniers, erregte die Zuschauer. Burgunder gegen Kaiserliche: Vier Kämpfer auf jeder Seite traten an, um mit gezielten Kolben- und Schwertschlägen das gegnerische Team zu besiegen. Nach zwei Treffern aus verschiedenen Richtungen musste der Geschlagene das Feld räumen. Schnell dezimierten die Burgunder den Gegner, bis nur noch der Norweger Per Estein Prøis-Røhjell in seiner Rüstung übrigblieb.
Regelgemäß hatte er einen Knappen an seiner Seite, der zwar nicht angegriffen werden, durch reiterliches Geschick jedoch seine Teammitglieder vor den Gegnern schützen konnte. Am Sonntag übernahm van Essen diesen Part, da er sich beim Tjost verletzt hatte. Der temporäre Knappe zeigte Einsatz, drängte die Gegner ab, ritt schützend neben Prøis-Røhjell. „Der Mann war einfach unglaublich“, urteilte der Norweger nach der Melée.
Statt Pokal ein Schwert
Van Essen, gebürtiger Neuseeländer, begeisterte drei Tage lang mit seinem ritterlichen Können die zahlreichen Besucher. Am Sonntagabend, nach dem Turnier, hielt er sich die Hand. Seine frisch genähte Wunde war aufgeplatzt. Dennoch war er glücklich: „Das war das beste Turnier, an dem ich jemals teilgenommen habe.“ Glücklich war er auch, weil er die Gesamtwertung gewonnen hatte. Sein Preis: das Schwert von St. Wendel, von englischen Waffenschmieden eigens hergestellt.
Auch Arne Koets, einer der Ritter und maßgeblich an der Organisation des Turniers beteiligt, strahlte, trotz dreier anstrengender Tage im Sattel: „Ich glaube, die Leute waren begeistert, und ich bin es auch. Ich freue mich, dass die Stadt uns so etwas ermöglich hat.“ Dazu gehören auch die zahlreichen Schausteller und Gruppen, die für mittelalterliches Flair sorgten. Alles zu Ehren des Kaisers Maximillian I., der vor 500 Jahren St. Wendel besuchte.
Ein Wermutstropfen: Neben van Essen wurde auch Tobias Capwell durch die Lanze eines Gegners verletzt. Koets: „Bei jedem Turnier lernen wir dazu. Nun wissen wir, dass an die Lanzen Brechscheiben gehören, um die Hände zu schützen.“ Jeder Kampf, ob mit Lanzen oder Knüppeln, werde analysiert. Das Ziel: so nah wie möglich an die Turniere, wie sie vor 500 Jahren stattfanden, heranzukommen. Daher waren die Tjoster und ihre Pferde mit Kameras ausgestattet. Um es beim nächsten Mal noch besser zu machen. Und um blutende Finger zu verhindern.
Glückwünsche aus New York
Bürgermeister Klaus Bouillon und Kulturamtsleiter Thomas Wüst wollen nach dem Erfolg das historische Potenzial St. Wendels künftig noch stärker nutzen und in lebendiger Form statt hinter festen Mauern präsentieren. Der Kurator des Metropolitan Museums in New York, Dirk Breiding, der das Geschehen online verfolgte, beglückwünschte St. Wendel per E-Mail und fand das Turnier „phantastisch“.
Von unserem Mitarbeiter
Lukas Kowol