Wolfgang Herfurth stößt 2015 zufällig auf ein Foto aus dem Jahr 1963 – darauf zu sehen ist er selbst als Kind vor dem Apothekerbrunnen in Birkenfeld mit seinem ersten eigenen Fahrrad. „Ich hatte damals eine nicht so leichte, stressige Zeit, aber das Bild zu finden, hat ein sehr schönes Gefühl der Nostalgie in mir ausgelöst, hat mich in dieser für mich anstrengenden Zeit positiv gestimmt“, erzählt er. Und dieses Gefühl will er mit anderen Teilen und gibt sich dabei nicht mit halben Sachen zufrieden. Der gelernte Medienfachmann gründet die Facebookgruppe „Alte und Neue Ansichten der VG Birkenfeld“. Dort veröffentlicht Herfurth, wie der Name sagt, vor allem alte Fotos aus der Verbandsgemeinde Birkenfeld, von Orten, Straßen, Sehenswürdigkeiten und Personen. Die Bilder stammen größtenteils aus dem Archiv der Verbandsgemeindeverwaltung, mit der der Rentner eine Kooperation eingeht.
An der Vergangenheit erfreuen
Doch schlicht die Fotos zu teilen, das reicht Herfurth nicht. „Mich hat die Neugier gepackt, ich wollte wissen, welche Geschichten hinter den Fotos stecken“, sagt der gebürtige Birkenfelder, der mittlerweile in Abentheuer lebt. Und so beginnt er zu recherchieren, im Internet und in Ortschroniken, in Gesprächen mit Zeitzeugen oder Menschen, die sich an Erzählungen ihrer Vorfahren erinnern. „Wenn mich ein Bild besonders packt, dann lege ich los.“ Das sei, teils sehr viel Arbeit. „Du willst ja sichergehen, dass alles stimmt, was du in Erfahrung bringst, da muss alles doppelt und dreifach geprüft werden. Mir ist es sehr wichtig, als seriös wahrgenommen zu werden“, sagt der 71-Jährige. Natürlich sei es bei der Heimatgeschichte nicht immer einfach: „Manchmal werden Informationen fehlerhaft überliefert oder sind widersprüchlich.“
Doch das Wühlen in der Heimatgeschichte sei für ihn auch ein Herd der Freude. „Ich habe erst durch diese Beschäftigung mit der regionalen Geschichte viel über meinen Urgroßvater herausgefunden, dass er eines von ganz wenigen Ehrenmitgliedern des Turnvereins Birkenfeld (TVB) war, und als Gymnasialleiter tätig.“

Das Ziel von Herfurths Heimatgeschichtssammlung: „Dass Dinge nicht in Vergessenheit geraten, aber auch sich an der Vergangenheit zu erfreuen.“ Zu diesem Zweck hat der Rentner auch die Internetseite wolftensor.online ins Leben gerufen, auf dem Interessierte die Ergebnisse seiner Recherchen nachlesen und die passenden Fotos dazu sichten können. „Das war ein unglaublicher Aufwand, ich hatte ja vorher null Ahnung von Webdesign“, erzählt er lachend. Nächte habe er vor dem Computer verbracht und vieles ausprobiert. „Auch wenn es mich viele Nerven gekostet hat und ich manchmal fast aufgegeben hätte, hat es sich gelohnt“, sagt er. Ob Porträts der Ortsgemeinden in der VG Birkenfeld von Vereinen wie dem TVB, ein Rückblick auf die frühere Birkenfelder Landwirtschaftschule, die Rapsernte 1930 oder die Glockenweihe in Dienstweiler im Jahr 1951 – Fans der Heimatgeschichte finden hier viele Perlen. Dabei schreckt Herfurth auch nicht vor den dunklen Seiten der Historie in der VG Birkenfeld, wie der Vernichtung der großen jüdischen Gemeinde in Hoppstädten-Weiersbach zurück. „Da musst du natürlich nochmal genauer schauen, wie kannst du es präsentieren, wie gehst du damit um“, sagt der 71-Jährige. Für ihn sei aber eins klar: In Vergessenheit geraten dürfe nicht, dass die Verbrechen der NS-Zeit in Deutschland auch hier stattgefunden haben.
Heimatgeschichte als Ort der persönlichen Ruhe
15.000 Aufrufe verzeichne Herfurth auf seiner Internetseite seit deren Start mittlerweile. Ihn würden viele Rückmeldungen von Lesern erreichen. Manche davon berühren den 71-Jährigen persönlich. Wie die einer Frau, die erzählt, sie habe sich die alten Fotos, die Geschichten aus einer vergangenen Zeit gemeinsam mit ihrem an Demenz erkrankten Vater angeschaut. Der Vater würde im Normalfall kaum noch reden, doch als er die alten Bilder sah, sei er wieder aufgeblüht. „Das ist natürlich auch für mich etwas Besonderes, wenn mein Hobby einen solchen Einfluss auf andere Menschen haben kann“, sagt Herfurth. Solche Geschichten würden ihn motivieren weiterzumachen.
So schwebten ihm viele Ideen im Kopf herum, wie er das Projekt ausweiten könne. „Ich möchte zum Beispiel Veranstaltungen im Altersheim organisieren, wo ich Geschichten präsentieren aber auch sammeln kann und man sich einfach gemeinsam zurückerinnert.“ Auch aktuelle Fotos aus der VG Birkenfeld nimmt Herfurth selbst auf: „Das sind schließlich die Archivbilder von morgen.“
Er ziehe auch persönlich sehr viel aus dem Hobby Heimatgeschichte. „Für mich ist sie ein Ort der Ruhe geworden, an den ich mich zurückziehen kann.“ Damit er diesen Ort mit möglichst vielen Menschen teilen kann, hofft er, dass die Seite lange besteht. „Ich hoffe, dass es diese Sammlung auch noch gibt, wenn ich einmal nicht mehr bin, dass sie weitergeführt wird.“