Wie kam es überhaupt zu der Katastrophe? Nach der Französischen Revolution schlossen Preußen, Österreich und andere Staaten eine Koalition gegen die junge Republik. 1792 begann der Erste Koalitionskrieg, der sich schnell auf deutschen Boden verlagerte. 1795 schied Preußen aus der Koalition aus. Österreich setzte den Krieg fort. Am 29. Oktober 1795 gelang es dem österreichischen General Clerfait, den französischen Belagerungsring um Mainz zu durchbrechen. Nun gingen die Österreicher in die Offensive: Die französische Sambre- und Maas-Armee unter General Jourdan zog sich an die Mosel zurück, während die Rhein- und Mosel-Armee in Mannheim belagert wurde.
Um die in Mannheim eingeschlossenen Truppen zu entsetzen, zog Jourdan auf dem Hunsrück 60 Bataillone und zwölf Kavallerieregimenter, 35.000 Mann, zusammen und schickte General Marceau über die Nahe. Marceau wurde jedoch am 8. Dezember bei Alsenz geschlagen und kehrte, von den österreichischen Generälen Kray und Nauendorf verfolgt, auf den Hunsrück zurück. Am 12. Dezember war Nauendorf bis Birkenfeld vorgedrungen, Kray lag in Kirn, von wo er Oberst Elsnitz nach Sulzbach beorderte. Marceau musste den Durchmarsch der Österreicher zur Mosel verhindern. Am 14. Dezember griff er Elsnitz an, allerdings ohne Erfolg.
Nun begann der Albtraum für den Raum Rhaunen: Am 15. Dezember wiederholte Marceau mit neuen Truppen die Attacke gegen Sulzbach. Der Kampf war hartnäckig, endete aber ohne Entscheidung. Am 16. Dezember ließ Nauendorf die französische Stellung am Stumpfen Turm angreifen. 300 Franzosen fielen. Am 17. Dezember spitzte sich die Lage dramatisch zu: Im Morgengrauen rückte Marceau von Kirchberg aus gegen die Vorposten Krays in zwei Abteilungen vor: Die linke wandte sich gegen Schlierschied, die rechte, stärkere, rund 12.000 Mann, zog über Rhaunen und Hausen gegen Oberst Elsnitz. Gegen diese Übermacht konnten Elsnitz‘ Ulanen nichts ausrichten und verließen Sulzbach. Auch Oberst Szent-Kereszty in Hausen zog sich mit seinen Blankenstein-Husaren zurück. Beide Obersten vereinigten sich bei Bergen. Doch Marceau verfolgte sie nicht ernsthaft, sondern entsandte den größeren Teil seiner Truppen von Rhaunen aus gegen die Stellung von Nauendorf zwischen der Wildenburg und Bruchweiler: Der General hatte Kempfeld zur Deckung seiner rechten Flanke mit drei Kompagnien und zwei Kanonen besetzt. Major Strachwitz verteidigte Kempfeld vier Stunden gegen eine vielfach überlegene Übermacht, bis er ganz eingekesselt war und sich ergab.
Waffenstillstand vorgeschlagen
Am 18. Dezember erschien der 26-jährige General Marceau bei dem 60-jährigen Kray in Kirn und schlug einen Waffenstillstand vor. Er begann Ende Dezember 1795. Der Vormarsch der Österreicher war gestoppt. Die Vorpostenkette verlief vom Rhein über Stromberg, am Kellenbach entlang bis Simmertal, am rechten Naheufer bis zur Nahequelle bei Selbach und weiter nach St. Wendel.
Die militärgeschichtliche Darstellung deckt sich mit den Schilderungen der Augenzeugen in Rhaunen und Umgebung. Der katholische Pastor Monsieur in Rhaunen berichtete, dass das Dorf vom 15. bis zum 21. Dezember geplündert wurde. Jeder, der mutig genug war, „auch bey dem schrecklichsten Kanonen- und Pelotenfeuer (Gefechtsfeuer kleinerer Militäreinheiten) zu bleiben“, wurde auf offener Straße und in den Häusern durch Schläge und auf die Brust gesetzte Gewehre misshandelt. „Das Elend ist unbeschreiblich.“ Am 2. Januar 1796 starb Johann Nikolaus Gräf, der durch die Franzosen trotz Krankheit übel traktiert worden war. Die Rhauner Kirche und das Pfarrhaus wurden verwüstet und leer geräumt.
In Sulzbach diente die Kirche vorübergehend als Lazarett. Aus der Orgel verschwanden alle Metallpfeifen. In Hausen traf Pfarrer Horstmann mit den übrigen Einwohnern „das traurige Schicksal einer fünftägigen Plünderung, wodurch ich all meiner Habseligkeiten beraubt worden bin und dabei nach dem geringsten Anschlag mehr als 2000 Gulden verlor“.
Hottenbach, wo nur Pfarrer Faust und der Gastwirt Specht zurückgeblieben waren, wurde auf dem Höhepunkt der Schlacht, am 17. Dezember, überfallen. Faust erklärte: „Nichts blieb nebst angethanen Mißhandlungen und alten Kleidern auf dem Leibe übrig als das Leben, sogar meine Stiefel wurden durch sechs Kerls von den Füßen gerissen.“ Fausts Familie war zu seinem Schwager nach Herren-Sulzbach geflohen. Die meisten Hottenbacher fanden in Herrstein Schutz: Am 12. Januar 1796 wurde in Hottenbach Friedrich Philipp Heid getauft, „so auf der Flucht in Herrstein den 1. Januari geboren“. Andere Flüchtlinge irrten zwischen den Fronten umher. An allen Orten wurde gekämpft. Todesopfer unter der Zivilbevölkerung gab es in Hottenbach wohl nicht: Zwei Tage nach dem Überfall wurde die 70-jährige Maria Magdalena Steil in ihrem Hause tot aufgefunden, „doch ohne äußere Verletzungen“. Der Asbacher Hüttenherr Johann Ferdinand Stumm wurde Zeuge der Schlacht um Kempfeld. Er schildert, wie sich die Schlacht nach der Attacke bei Rhaunen immer mehr dem Hüttenwerk näherte. Angesichts der großen Gefahr und auf Anraten der fliehenden Landbevölkerung entschloss er sich mit seinem Bruder und dessen Familie zur Flucht. Augenblicklich brachen die Stumms auf und ritten durch den Wald zum Bruder auf die Abentheurer Hütte „unter dem Donner der Kanonen und dem Geheul der Streitenden“. Wenig später erfuhren sie, dass das Herrenhaus ganz ausgeplündert war. Die Soldaten hatten auch das Stabeisen in den Magazinen gestohlen und an die Schmiede und Bauern verkauft. Auf die Arbeiter, die sie daran hindern wollten, eröffneten sie das Feuer.
Zahlreiche Strafeinquartierungen
Das ganze Jahr 1796 war eine Zeit der Einquartierungen, Kontributionen, Wagenfrohnden und Schanzarbeiten. Die Franzosen stellten in den Dörfern Sicherheitswachen von zehn bis zwölf Mann auf. Mörschied aber musste mehr als 1150 Franzosen bei 56 Gemeindsleuten verpflegen. Eine fast ebenso große Strafeinquartierung erhielt Niederhosenbach. Fünf Monate lag das Kontingent in Mörschied. Als der Waffenstillstand im Juni 1796 ablief, blieb der Hunsrück französisch. Die Österreicher kehrten bis zum Kriegsende 1814/15 nicht mehr zurück.