Wie schwer wiegt der Fakt, dass die exakte Einwohnerzahl der US-Militärs weiterhin nicht in die Inzidenzberechnung einfließt?
Die Kreisverwaltung geht davon aus, dass die Inzidenz durch diese unfaire Berechnung (das Robert Koch-Institut berücksichtigt die US-Bürger nur bei den Infizierten, nicht aber bei der Einwohnerzahl) deutlich zu hoch ist – was bedeutet, dass bis zu einem Wert von etwa 110 die eigentliche Inzidenz unter dem kritischen Wert von 100 läge. Bei den Werten der vergangenen Tage kommt man aber dennoch über 100. Hinzu kommt, dass die US-Base seit Wochen keine Auffälligkeiten mehr meldet. Landrat Matthias Schneider spricht von einer guten Zusammenarbeit mit den US-Behörden in Sachen Corona-Bekämpfung.
Wie weit ist das Gesundheitsamt in Sachen Digitalisierung?
Da liegt weiterhin einiges im Argen – aber nicht nur im Landkreis Birkenfeld. Erst wenige rheinland-pfälzische Gesundheitsämter arbeiten schon mit „Sormas“ (eine vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung entwickelte Software zum Management von Maßnahmen zur Epidemiebekämpfung). Wegen der anhaltend hohen Belastung, vor allem durch die Kontaktnachverfolgung und das Quarantänemanagement (das läuft weiterhin hauptsächlich mittels handgeschriebener Listen und Excel-Tabellen), kommt man auch in Idar-Oberstein derzeit aber nicht recht weiter. Das Programm läuft mittlerweile auf den Rechnern der Mitarbeiter, ist laut Landrat Schneider aber „so komplex“, dass ein flächendeckendes Arbeiten und gezielte Schulungen erst ab einer Inzidenz von unter 50 möglich sind. Dieses Vorgehen sei mit dem Land so abgesprochen. Ähnliches gilt für das Andocken der Luca-App, die technisch bereitsteht, aber in absehbarer Zeit noch nicht angewendet werden kann.
Wieso varieren die täglichen Meldungen der Infektionszahlen des Landesuntersuchungsamts und des Gesundheitsamts?
Das hängt mit Verzögerungen im Meldewesen und den unterschiedlichen redaktionellen Schlusszeiten zusammen. Das LUA, das die landesweite Corona-Statistik führt und die täglichen Zahlen ans Robert Koch-Institut (RKI) für die bundesweite Statistik weiterleitet, fordert die Zahlen bis spätestens 14 Uhr an, samstags bis 11 Uhr. Das Gesundheitsamt beliefert die NZ (und auch Idar-Obersteins OB Frank Frühauf, der via Facebook ebenfalls täglich über die aktuelle Lage informiert) am späten Nachmittag oder frühen Abend mit zwischenzeitlich aktualisierten Zahlen. Wegen der Nachrecherche kommt es zudem immer wieder vor, dass der Zeitpunkt einer Infektion umdatiert werden muss (zum Beispiel von Mittwoch auf Dienstag). Das wiederum führt zu Korrekturen beim LUA. Unterm Strich stimmen die Zahlen der Infizierten, der Genesenen, der Toten aber überein.
Wieso ist die Zahl der aktuell Infizierten im Nationalparklandkreis laut Gesundheitsamt doppelt so hoch wie auf der LUA-Seite?
Bei den Zahlen der Infizierten ist es so, dass die Landesuntersuchungsämter diese automatisiert als Differenz aus der Gesamtzahl der laborbestätigten Fälle, der Verstorbenen und der Genesenen errechnen. Das Gesundheitsamt gibt stattdessen die tatsächliche aktuelle Zahl an – inklusive jener Covid-19-Erkrankten, die nach 14 Tagen Quarantäne immer noch positiv sind und damit weiterhin als erkrankt oder infektiös gelten – was laut Gesundheitsamt gar nicht so wenige sind. Das ergibt sich aus der Kontrolle- und Nachfragetätigkeit des Corona-Lagezentrums. Die NZ liefert also mit der täglichen Meldung die tatsächlichen Zahlen, LUA und RKI dagegen einen hochgerechneten Wert, der rein statistisch ermittelt wird. Dabei sind die nun in der dritten Welle überwiegend jüngeren Erkrankten einfach länger infektiös.
Die Diskrepanz hängt auch damit zusammen, dass das Gesundheitsamt Idar-Oberstein die Fälle über einen längeren Zeitraum nachverfolgt als andere Kommunen – nämlich über fünf statt der gesetzlichen Mindestanforderung von zwei Tage. Der Landrat nennt dies den „Fluch der guten Tat.“
Warum werden Zuwiderhandlungen gegen das Infektionsschutzgesetz und die entsprechenden Verordnungen (Maskenpflicht, Versammlungs- und Alkoholverbot, Ausgangssperre) nicht stärker verfolgt und geahndet?
Laut Landrat Matthias Schneider sind sowohl Ordnungsämter wie die Polizeidienststellen im Landkreis sensibilisiert, „genau hinzuschauen und zu kontrollieren“. Allerdings sind die personellen Kapazitäten begrenzt. Im Jahr 2020 wurden 249 Corona-Bußgeldbescheide erlassen, in diesem Jahr sind es bisher bereits 168 (Stand: 19. Mai). 2021 handelt es sich bei mehr als der Hälfte (etwa 60 Prozent) um Verstöße gegen die Ausgangssperre. Das kostet 50 Euro. Die Bußgelder reichen bis zu 25.000 Euro – das sind dann Verstöße von Betrieben, etwa bei illegaler Gastronomieöffnung. Stefan Conradt