Die Bürgermeister der vier Verbandsgemeinden im Kreis Birkenfeld und der Oberbürgermeister der Stadt Idar-Oberstein hatten schon im vorigen Jahr in einem Brandbrief fehlende Perspektiven und Planlosigkeit bei der NLT moniert. Von einem bereits beschlossenen Austritt war aber, anders als in der Pressemitteilung der Bad Kreuznacher Stadtspitze behauptet, keine Rede. Zumindest ihre Kritik nehmen nun aber Oberbürgermeisterin Heike Kaster-Meurer (SPD) und Bürgermeister Wolfgang Heinrich auf. Sie sprechen von einem „Versagen der Naheland-Touristik“.
Kreuznach zahlt jährlich 53.000 Euro
Diese werde seit Jahren ihrer Aufgabenstellung, nachhaltige Konzepte zu entwickeln und umzusetzen, um den Tourismus in der Naheregion dauerhaft voranzubringen, nicht gerecht. Die Stadt werde sich deswegen zukünftig in Richtung Mittelrheintal und Rheinhessen orientieren. Das sei das Ergebnis von Gesprächen, die man bereits mit den Spitzen der Stadt Bingen und des Landkreises Mainz Bingen geführt habe. Man wolle die Aktivitäten und Initiativen engmaschig miteinander vernetzen und abstimmen.
Das Ziel: „Die Touristen im Mittelrheintal und der Rhein-Main-Region von Mainz/Wiesbaden bis Frankfurt noch stärker als bisher zu erreichen“, wie Heinrich betont. Dass die Stadt Bad Kreuznach mit ihrer Steigerung bei den Übernachtungszahlen um 4,7 Prozent zwei Prozent über dem Landesdurchschnitt liege, ist für den Bürgermeister der Beweis, „dass sich die Stadt auf dem richtigen Kurs befindet“. Dies habe auch schon eine Wertschöpfungsstudie aus dem Jahr 2015 bestätigt, wonach allein im Tourismusbereich der Stadt ein jährlicher Nettoumsatz von 149,9 Millionen Euro erzielt wird.
Die Stadtspitze bemängelt, dass die NLT vorhandene Schwerpunkte, wie zum Beispiel die Klosterruine Disibodenberg, kaum fördere und vermarkte. Stattdessen habe man mit dem Hildegardweg einen Pfad geschaffen, „der im Irgendwo beginnt und im Nirgendwo endet, ohne dass eine hinreichende gastronomische Versorgung der Touristen gewährleistet ist“. Die NLT „hat es nicht geschafft, das Naheland als Marke am Tourismusmarkt zu etablieren. Die Mitgliedbeiträge könnten jedenfalls für die Stadt Bad Kreuznach künftig sinnvoller eingesetzt werden.“ In den vergangenen fünf Jahren hat die Stadt jeweils 53.000 Euro an die NLT gezahlt.
Landrätin Bettina Dickes findet es „ganz wichtig, dass wir unsere Fühler in Richtung Mittelrhein ausstrecken. Jedoch nicht nur, denn auch Rheinhessen, das Nordpfälzer Bergland und der Hunsrück finden sich in unserem Landkreis wieder“, gibt sie zu bedenken. Dickes plädiert dafür, sich nicht nur in eine Richtung zu orientieren, sondern in ganzer Breite. Es müsse allen klar sein, dass nur durch Zusammenarbeit etwas erreicht und bewegt werden könne.
Landrat Matthias Schneider empfindet die Aussagen der Bad Kreuznacher Stadtspitze als „eine Mischung aus Unwahrheiten und Unverschämtheiten“. Er verweist darauf, dass Bürgermeister Heinrich im Aufsichtsrat der NLT sitzt – jenem Gremium, „das doch beschließt, was gemacht wird“, sitze. Die NLT mit Geschäftsführerin Ute Meinhard hat laut Landrat „einen ganz schwierigen Stand, weil es nicht zu schaffen ist, allen Interessen gerecht zu werden“.
Alscher: Struktur zerschlagen
Meinhard selbst verweist auf eine Klausurtagung Anfang Juni, in der Gesellschafter, Aufsichtsrat und die Mitglieder des touristischen Arbeitskreises gemeinsam die strategische Neuausrichtung der NLT erörtern. Der Austritt aus einer regionalen Tourismusorganisation hätte nach ihrer Aussage für die betreffende Kommune zur Folge, dass sie das Netzwerk der digitalen Tourismusdaten als Wissensschatz der Nahe-Tourismusregion und von Rheinland-Pfalz nicht mehr nutzen könne.
Für Bürgermeister Bernhard Alscher, der den Ende 2014 vollzogenen Austritt der VG Birkenfeld aus der NLT vorangetrieben hatte, ist die Kritik der Stadt Bad Kreuznach „Ausdruck einer allgemeinen Unzufriedenheit“ mit der GmbH. Er spricht sich dafür aus, die bisherige Struktur zu zerschlagen und eine neue aufzubauen, „die besser passt“. Dabei gehe es auch um eine klare Verteilung von Aufgaben: „Daran hapert es zurzeit sehr.“