Das seit 1988 am Rand der Kreisstadt angesiedelte Werk gehört seit 2007 zum Voestalpine-Konzern. Die zu 100 Prozent für die Automobilindustrie produzierende Konzerngesellschaft Voestalpine Automotive Components Birkenfeld GmbH & Co. KG stellt für namhafte Autobauer hochwertiger Press- und Schweißteile für Karosserien her. Vom Birkenfelder Werk aus werden ausschließlich Kunden aus dieser Branche beliefert. Die dort produzierten Teile werden vor allem in Fabrikate des VW-Konzerns eingebaut. Aber auch Audi ist ein wichtiger Abnehmer.
Seitens der Voestalpine-Zentrale heißt es, „dass das runde Drittel des derzeitigen Personalstandes in einem mehrstufigen Sozialplan abgebaut wird. Mit den Sozialpartnern wurden frühzeitig Gespräche geführt und konstruktiv zusammengearbeitet.“ Die Entlassungen betreffen nach NZ-Informationen Angestellte aus mehreren Werksbereichen, also von der Verwaltung bis hin zur Produktion. Die Mitarbeiter wurden zuletzt bei einer Betriebsversammlung in Hoppstädten über die Pläne der Konzernspitze in Kenntnis gesetzt. Begründet wird die Entlassungswelle in der Kreisstadt damit, „dass die Corona-Pandemie und ihre Folgen den Voestalpine-Konzern vor große wirtschaftliche Herausforderungen stellen.
Durch massive Kapazitätsreduktionen beziehungsweise laufende Produktionsstillstände in der Automobil-, Luftfahrt-, Maschinenbau- sowie in der Öl- und Gasindustrie ist die Nachfrage in den wichtigsten Kundensegmenten der Voestalpine eingebrochen“, wird in Linz betont. Der aktiennotierte Konzern hatte Anfang August mitgeteilt, dass sein Umsatz in der Hochzeit der Corona-Krise vom 1. April bis zum 30. Juni mit 2,4 Milliarden Euro um 28,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken und ein Quartalsergebnis nach Steuern von minus 70 Millionen Euro hingenommen werden musste.
„Diese veränderten Rahmenbedingungen und notwendigen Anpassungen des bestehenden Produktportfolios“ würden insbesondere die ausschließlich in der Autozuliefererbranche agierende produzierende Konzerngesellschaft in Birkenfeld treffen, argumentiert die Zentrale gegenüber unserer Zeitung. Um den Werksstandort in der Kreisstadt, in dem im Geschäftsjahr 2019/2020 ein Umsatz von rund 58 Millionen Euro erzielt wurde, nachhaltig abzusichern, werde „zusätzlich zu den laufenden Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsmaßnahmen ein weiteres Restrukturierungsprogramm eingeleitet. Dieses umfasst eine Verkleinerung des derzeit breit gefächerten Produktportfolios, die mit einer für den Standort wesentlichen Personalreduktion einhergeht.“ Die Voestalpine-Spitze versichert aber, dass sie sich für die bestmöglichste Lösung für die betroffenen Mitarbeiter einsetze und um jeden Arbeitsplatz kämpfe.
IG Metall: Harte Verhandlungen
Ingo Petzold, der Geschäftsführer der IG Metall in Bad Kreuznach, erklärt im NZ-Gespräch, dass es „durchaus harte Verhandlungen“ mit Voestalpine gegeben habe. Der Stellenabbau sei zwar bedauerlich, immerhin sei es aber gelungen, „sich auf ein gutes Paket zu einigen, dass den verbleibenden Mitarbeitern eine Perspektive bietet“. Laut Petzold wurde ein sogenannter Zukunftstarifvertrag ausgehandelt, der Investitionen in die Digitalisierung und in die Qualifizierung des Personals vorsieht. Außerdem, so Petzold, sei mit Voestalpine eine Standorts- und Beschäftigungssicherung bis Ende 2026 vereinbart worden. Im Hinblick auf Abfindungszahlungen habe man sich zudem ein Bonus für Gewerkschaftsmitglieder verständigt. Petzold betont, dass sich durch Corona die Krise der Automobilzulieferer verschärft und neben Voestalpine auch andere Branchenbetriebe aus der Region unter „zunehmenden wirtschaftlichen Druck geraten sind“.
In einer „ganz schwierigen Situation“ befindet sich nach eigener Aussage Miroslaw Kowalski. Der Birkenfelder Stadtchef arbeitet seit 29 Jahren in der Firma, die zu Spitzenzeiten mehr als 800 Festangestellte hatte. Kowalski ist zurzeit als Koordinator der Disposition bei Voestalpine beschäftigt und zugleich Betriebsratsmitglied. „Das Unternehmen musste sich angesichts der Krise in der Autobranche so aufstellen, dass es zukunftsfähig bleibt. Sowohl als Betriebsrat, Koordinator und Stadtbürgermeister tut es aber natürlich weh, wenn allein in einer Firma 100 Stellen wegfallen. Das ist für Birkenfeld, wo wir um die Ansiedlung jedes neuen Arbeitsplatzes kämpfen, ein großer Einschnitt“, so Kowalski.
VG-Bürgermeister Bernard Alscher sagt, dass diese Entscheidung den Wirtschaftsstandort Birkenfeld „ganz brutal trifft. Wir sind ohnehin eine Auspendlerregion. Wenn nun hier vor Ort so viele Stellen wegfallen, wird es schwierig sein, dafür in unserem ländlichen Raum Ersatz zu finden.“
Landrat: Ärgerlicher Verlust
Landrat Mattias Schneider kommentiert: „Der Verlust der Arbeitsplätze ist gerade für unsere strukturschwache Region sehr ärgerlich, auch wenn die davon Betroffenen zunächst in einer Auffanggesellschaft unterkommen können. Dass die meisten von ihnen nicht aus unserem Kreis stammen, kann da nur wenig über die Gesamtsituation hinwegtrösten.“ Die Entwicklung bei Voestalpine sei aber in den vergangenen Monaten immer wieder prognostiziert worden. „Sie waren einerseits der Entwicklung am Automobilmarkt geschuldet, resultieren aber auch aus der zunehmenden Schere zwischen steigenden Eisenerzpreisen und fallenden Stahlpreisen.“