Schaut man sich die Wahlgrafik der VG Herrstein-Rhaunen auf der Seite des Landeswahlleiters an, offenbart sich einem ein ganz neues Farbenspektrum: War da früher nach einer Bundestagswahl alles schwarz und rot, dominiert diesmal die Farbe Blau – und ganz oben im Norden gibt es auch einen grünen Sprengsel.
Zwar hat sich bei den Zweitstimmen am Ende dann doch die CDU mit 30,7 Prozent klar durchgesetzt. Die AfD liegt aber mit 24,4 Prozent vor der SPD (20,1) – und das, obwohl die „Blauen“ in den politischen Gremien der Doppel-VG gar nicht vertreten und auf VG-Ebene auch nicht organisiert sind. Die restlichen Ergebnisse: Grüne 5,6 Prozent; FDP 4,6 Prozent; FW 2,4 Prozent; Linke 4,9 Prozent; BSW 4,6 Prozent.
Bei den Erststimmen lag Julia Klöckner (CDU) mit 33,0 Prozent vor Joe Weingarten (SPD/26,2 Prozent) und Nicole Höchst (AfD/23,4 Prozent). Die „Kleinen“ lagen bei 3,5 Prozent (BSW), 3,4 Prozent (Grüne, Linke und Freie Wähler) und 3,0 Prozent (FDP). Die Wahlbeteiligung lag mit 84,5 Prozent noch über dem Bundesschnitt (82,5). Zum Vergleich: 2021 wählten gerade mal 78,0 Prozent.
SPD gewinnt nur noch fünf Ortsgemeinden
Die SPD hat bei den Zweitstimmen in der Doppel-VG nur noch fünf Ortsgemeinden gewonnen (Allenbach, Hausen, Sienhachenbach, Niederhosenbach und Berschweiler bei Kirn), Weingarten siegte zusätzlich in Bergen, Niederwörresbach, Fischbach, Dickesbach und Oberreidenbach – dagegen verlor er Hausen an Julia Klöckner.
Die AfD lag bei den Zweitstimmen in Wirschweiler, Langweiler, Kempfeld, Hellertshausen, Weiden, Horbruch, Krummenau, Oberkirn, Rhaunen, Bundenbach, Griebelschied, Herrstein, Niederwörresbach, Gerach, Fischbach und Dickesbach vorne.

Immerhin konnte sich Julia Klöckner bei den Erststimmen in Langweiler, Weiden, Oberkirn und Horbruch durchsetzen, Weingarten schaffte es in Niederwörresbach, Dickesbach und Fischbach, Nicole Höchst zu distanzieren. Kurios: Bei den Direktstimmen lagen die CDU-Kandidatin und ihr SPD-Widerpart in Hintertiefenbach mit 33,9 Prozent gleichauf (bei den Zweitstimmen siegte die CDU im Pulverloch). Zu beachten ist bei dieser Betrachtung auf Ortsgemeindeebene, dass hier die Briefwähler fehlen – die werden seit 2021 auf VG-Ebene ausgezählt und sind nicht mehr ihrer Wohnortgemeinde zuordenbar.
In Rhaunen schafft die AfD fast 50 Prozent
Ihr bestes Ergebnis fuhr die AfD in Rhaunen mit 49,1 Prozent der Zweitstimmen ein (Kandidatin Höchst kam sogar auf 49,4 Prozent). Überdurchschnittliche Ergebnisse gab es auch in Krummenau (38,9 Prozent), Bundenbach (37,6), Herrstein (36,1), Gerach (35,6) und Weiden (34,0). Mehr als 30 Prozent gab es darüber hinaus in Griebelschied, Hellertshausen, Oberkirn und Kempfeld. Das schlechteste AfD-Zweitstimmenergebnis vermeldete mit 6,3 Prozent Wickenrodt.
Die CDU hatte ihr stärkstes Zweitstimmen-Ergebnis mit 47,9 Prozent in Wickenrodt, auch in Vollmersbach (44,1), Asbach (42,4), Hettenrodt (41,2) und Oberwörresbach (40,0), waren die Christdemokraten stark. Das schlechteste Abschneiden gab es in Fischbach mit 17,2 Prozent.

Die SPD konnte sich in Sienhachenbach mit 33,7 Prozent, Hintertiefenbach (30,9) und Hausen (30,5) über ein überdurchschnittliches Zweitstimmenergebnis freuen. Tiefpunkt war Schwerbach mit 2,7 Prozent (das war eine Stimme...). Dort erlebten die Grünen ihren Höhenflug – mit 32,4 Prozent gab es die Mehrheit im kleinen Örtchen an der nördlichen Kreisgrenze. Knapp zweistellig wurde es dahinter nur noch in Weitersbach und Horbruch. Eine Nullnummer erlebten die Grünen hingegen in Langweiler.
Die bittere Erfahrung „zero points“ (null Stimmen) mussten die Freien Wähler in Asbach und Hausen machen, in Weitersbach gab es mit 9,5 Prozent das beste Ergebnis. Die Linke konnte sich über gute Ergebnisse in Berschweiler (11,7 Prozent) und Fischbach (11,4 Prozent) freuen, während es in Oberwörresbach nur eine Stimme (das sind umgerechnet 1,7 Prozent) gab. Ihr direkter Konkurrent BSW erreichte in Langweiler 11,1 und in Hausen 11,0 Prozent, während es in Asbach und Weitersbach Nullnummern gab.
Stephan Dreher: Engagierter Wahlkampf belohnt
In einer ersten Analyse zeigt sich der CDU-Kreisvorsitzende und Sprecher der VG-Rats-Fraktion, Stephan Dreher, zufrieden mit dem Ergebnis seiner Partei auf VG-Ebene: „Das Zweitstimmenergebnis lag bei uns über dem Bundesdurchschnitt – das ist erfreulich. Und bei den Erststimmen den Wahlkreis zurückgewonnen mit einem ordentlichen Ergebnis. Und bei den Erststimmen die VG auch gewonnen. Das ist sehr gut. Es freut mich, dass die bisherige Wahlkreisarbeit und der engagierte Wahlkampf in unserer Verbandsgemeinde Früchte getragen hat.“ Erschreckend sei, wie sich „über den Stimmenanteil der AfD die Unzufriedenheit der Menschen widerspiegelt. Das ist Auftrag an die kommende Bundesregierung, dieser Unzufriedenheit zu begegnen.“
„Wir müssen endlich raus aus dieser Nazi-Betroffenheit. Ständig auf den Gegner einhacken und selbst keine Ideen haben – das hat keinen Sinn!“
Markus Schulz (SPD)
Markus Schulz (SPD) kann nicht verstehen, wie die AfD auf solch ein Ergebnis in der VG kommen kann: „Den meisten geht es doch gut hier auf dem Land, wir haben kaum Auswirkungen von Migration – ich raffe es nicht...“ Er empfiehlt jetzt den SPD-Strategen in Berlin, „sich auf den Arsch zu setzen, alle Ideologien über Bord zu schmeißen und die wirklichen Probleme, die wir haben, anzupacken“ – alles müsse auf Neuanfang. Mit dem VG- und Kreis-Ergebnis könne man nicht zufrieden sein: „Die SPD ist auf dem Weg, den Titel ,Volkspartei’ zu verspielen.“ Er habe einen „Riesenrespekt vor der Arbeit, die da auf uns alle zukommt in den nächsten Jahren – es steht viel auf dem Spiel.“
Joachim Mix, Sprecher der FDP im VG-Rat, sagt: „Ich hätte uns 6 Prozent und vier Jahre Opposition gewünscht. Meiner Ansicht nach hätte Herr Lindner sofort nach seiner Entlassung als Minister zurücktreten sollen, nicht erst jetzt. Die FDP muss die Chance für einen Neuanfang nutzen und die gemachten Fehler aufarbeiten.“ Der hohe Anteil der AfD-Stimmen beunruhigt auch Mix: „Offensichtlich glauben einige Wähler, dass die AfD die anstehenden Probleme löst. Ich glaube das nicht und hoffe, dass sich die Wähler in den nächsten Jahren eine objektive Meinung bilden.“