Bad Kreuznach – Um einen ungewöhnlichen Fall von Nachbarschaftsstreit geht es am Landgericht Bad Kreuznach: Mit einer Kerze bewarf eine 60 Jahre alte Frau aus einem Hunsrückort ihren Nachbarn, der dadurch eine Rippenprellung erlitten haben will. Das Amtsgericht Idar-Oberstein hatte die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte die Frau Berufung ein.
Jetzt wurde vor dem Kreuznacher Landgericht neue verhandelt, das Verfahren aber ausgesetzt. Es müssten erst einmal zivilrechtliche Dinge zwischen der Angeklagten und ihrem Opfer geklärt werden, bevor eine strafrechtliche Entscheidung gefällt werden könne, stellte die Vorsitzende Richterin Dr. Caroline Walper fest.
Die Vorgeschichte ist nicht alltäglich: Der ehemalige Lebensgefährte der Frau hatte ihr noch zu Lebzeiten ein lebenslanges Wohnrecht in seinem Haus zugestanden. Nach dem Tod des Mannes erbte dessen Sohn das Anwesen, der den verbliebenen Anteil an ein Ehepaar verkaufte. Das installierte, weil es immer wieder zu Sachbeschädigungen kam, eine Kamera, von der sich die 60-jährige Mitbewohnerin belästigt fühlte. Im Gegenzug filmte auch sie die neuen Hausbesitzer, allerdings mit einer mobilen Kamera. Bereits 2011 wurde ein Vergleich geschlossen, in dem sich beide Parteien bereit erklärten, sich gegenseitig nicht mehr zu fotografieren oder zu filmen, doch die Fronten verhärteten sich, der Streit schaukelte sich hoch.
Als der neue Hausbesitzer seinem Rechtsanwalt ein Foto von besagter Kamera machen wollte, griff die Frau zu einer Kerze. Nach ihrer Darstellung habe sie das etwa 300 Gramm schwere Teil ungezielt aus dem Fenster geworfen. Der Hauseigentümer berichtete, wie er einen dumpfen Schlag im Rücken verspürt habe. Sein Anwalt will später eine etwa handtellergroße Verfärbung, womöglich ein Bluterguss, bei seinem Mandanten festgestellt haben.
Es müsse geprüft werden, inwieweit die Angeklagte an der negativen Atmosphäre beteiligt gewesen sei, so Richterin Walper. Der neue Hauseigentümer und seine Frau, die beide kurz vor Gericht gehört wurden, beteuerten, an ihnen liege es nicht. Die Kamera hätten sie zu Überwachungszwecken eingebaut, nicht aber um damit die Mitbewohnerin zu überprüfen. Verschiedene Vergleiche, auch wegen anderer Dinge, seien nicht an ihnen, sondern an der Mitbewohnerin gescheitert. Man sei auch gewillt, das Wohnrecht auszulösen. Das müsse aber finanziell tragbar sein, so das Ehepaar.
Für die unter anderem wegen Betrugs und Sachbeschädigung vorbestrafte Angeklagte geht es um viel. Den Kerzenwurf beging sie nämlich noch unter laufender Bewährung. Sollte die Frau in dem neuen Verfahren nicht erneut Bewährung erhalten, wird sie nicht nur sechs Monate, sondern gleich eine längere Zeit hinter Gittern verbringen müssen. rm