Die Kreisfinanzen haben sich spürbar erholt, seit die Gewerbesteuermehreinnahmen aus Idar-Oberstein geflossen sind. Soll die Kreisumlage dennoch bei den aktuell 41 Prozent verbleiben?
Uwe Weber, Bürgermeister VG Herrstein-Rhaunen: „Für mich stellt sich eine ganz andere Frage: Wie geht der Landkreis mit den Überschüssen um, die zwischen Haushaltsaufstellung und Rechnungsabschluss liegen. Eine Aufstellung der vergangenen zehn Jahre gibt Aufschluss darüber, dass bei der Verabschiedung des Haushaltes viel mehr veranschlagt wurde, als letztlich im Rechnungsabschluss bestätigt wird. Gerecht wäre es, dass das geringere Defizit zumindest anteilmäßig, also was die Kreisumlage am Gesamthaushalt prozentual ausmacht, den Kreisumlagezahlenden (also den Kommunen; Anm. d. Red.), für einen kommenden Haushalt gutgeschrieben wird und natürlich auch umgekehrt nachgefordert wird. Da ich den Haushaltsentwurf für 2024 noch nicht kenne und die Haushaltsüberschüsse für 2022 und ansatzweise für 2023 nicht bekannt sind, wäre es unredlich, einen Spielraum für 2024 zu nennen.“
Frank Frühauf, Oberbürgermeister der Stadt Idar-Oberstein: „Aufgrund der hohen Kreisumlagezahlungen der Stadt Idar-Oberstein in 2023 und 2024 von voraussichtlich mehr als 200 Millionen Euro sowie der Aufnahme in das Entschuldungsprogramm des Landes ist der Landkreis Birkenfeld in der Lage, seine Verschuldung komplett abzubauen. Ich hoffe, dass dadurch die Möglichkeit besteht, die Kreisumlage zu senken, denn dann würden alle kreisangehörigen Kommunen von den vorgenannten Einnahmen profitieren. Sie wären dadurch spürbar entlastet und eher in der Lage, ihre Haushalte ohne die von den Aufsichtsbehörden verlangten Steuererhöhungen auszugleichen und wieder selbstbestimmend tätig zu werden.“
Bernhard Alscher, Bürgermeister der VG Birkenfeld: „Die Kreisumlage sollte keiner politischen Diskussion unterliegen. Da darf es kein Wünsch-Dir-Was geben. Sie muss entsprechend der Aufgaben und finanziellen Möglichkeiten angepasst werden. Hierbei sollte auch die Finanzkraft der kommunalen Einheiten berücksichtigt werden.“
Wird eine Bereitschaft vonseiten des Kreises erwartet, Aufgaben der Städte und Verbandsgemeinden zu übernehmen (Schulen, Hallen, Kultur)? Wenn ja, warum?
Weber: „Es ist ja gesetzlich geregelt, welche Ebene welche Aufgaben hat. Im Rahmen einer stärkeren interkommunalen Zusammenarbeit auf Landkreis- und VG-/Stadt-Ebene sollte im Rahmen einer Spezialisierung darüber nachgedacht werden, welche Aufgaben zum Beispiel eine Kreisverwaltung für andere übernimmt.“
Frühauf: „Wann immer es Möglichkeiten für Kooperationen gibt, sollten diese geprüft und wenn machbar und zielführend auch umgesetzt werden. Aufgaben soweit möglich zu bündeln, Standards und Prozesse zu hinterfragen, ist eine Aufgabe, der sich alle Beteiligten stellen müssen.“
Alscher: „Es würde ausreichen, wenn der Kreis seine Pflichtaufgaben vernünftig wahrnimmt. Ich wäre schon zufrieden, wenn diese zeitnah und vollumfänglich abgearbeitet wird. Es gibt Kreise, in denen Investitionen innerhalb von drei Monaten abgearbeitet werden, da ist so etwas Chefsache. Defizite im Brand- und Katastrophenschutz müssen gemeinsam gelöst werden. Hier hat sich der Kreis in der Vergangenheit einen schlanken Fuß gemacht.“
Ein Ziel der Zukunft lautet: Medizinische Versorgung in der Fläche sichern. Ließe sich das Zusammenspiel mit dem Kreis da optimieren?
Weber: „Das Zusammenspiel hinsichtlich der medizinischen Versorgung und der Förderungen mit dem Landkreis und im Landkreis läuft ganz gut. Die Notwendigkeit einer ausreichenden Versorgung wurde erkannt und man versucht, gemeinsam entgegenzuwirken.“
Frühauf: „Die gemeinsam auf den Weg gebrachte Niederlassungsförderung für Ärzte ist angelaufen und ein gutes Beispiel dafür, dass gemeinsam mit dem Landkreis und anderen Kommunen Herausforderungen angegangen werden. Das ist natürlich einfacher, wenn die finanziellen Rahmenbedingungen und die Finanzausstattung der Kommunen insgesamt dies hergeben. Ich wünsche mir sehr, dass wir, wie an diesem Beispiel deutlich wird, mehr Aufgaben gemeinsam angehen.“
Alscher: „Finanzielle Anreize alleine helfen nicht. Da sind wir in starker Konkurrenz zu anderen Regionen. Die Rahmenbedingungen müssen verbessert werden wie Unterstützung nach Standorten, schnelle Baugenehmigungen, weiche Standortbedingungen. Das gilt aber auch für andere Investoren wie Gaststätten, Hotels, Tierärzte et cetera.“
Welche Erwartungen haben die Verbandsgemeinden und die Stadt Idar-Oberstein in Bezug auf den Katastrophenschutz, Corona, Flutereignisse und Warnsysteme?
Weber: „Die Erwartungen hinsichtlich einer optimalen Umsetzung der Vorgaben aus dem Landesbrand- und Katastrophenschutzgesetz sind klar kommuniziert.“
Frühauf: „Der Katastrophenschutz ist und bleibt eine Daueraufgabe und setzt eine gute Vernetzung und enge Zusammenarbeit aller Gebietskörperschaften im Landkreis voraus. Dies gilt nicht nur für den Katastrophenschutz, sondern auch für alle anderen gemeinsamen Aufgaben.“
Alscher: „Eins steht fest: Die überregionalen Aufgaben, die wir für den Kreis erbringen, werden wir in Zukunft nicht mehr ehrenamtlich abarbeiten können.“
Würde eine Zusammenlegung der beiden Jugendämter Sinn ergeben? Wäre das erstrebenswert?
Weber: „Dazu kann ich nicht viel sagen, da mir die Kooperation und Kommunikation der beiden Jugendämter zu wenig bekannt ist. Nur eines darf nicht mehr passieren: Dass die Bereitstellung von Kindergartenplätzen in umliegenden Orten der Stadt Idar-Oberstein für Kinder aus der Stadt nicht möglich ist, weil hier zwei Jugendämter zuständig sind. Das ist ein Unding.“
Frühauf: „Das ist aktuell im Nachbarlandkreis Bad Kreuznach ein großes Thema. Allerdings ist zurzeit nicht klar, ob eine Zusammenlegung rechtlich überhaupt möglich ist. Somit stellt sich für uns diese Frage im Moment nicht.“
Alscher: „Ja, auf jeden Fall. Es muss gewährleistet sein, dass Arbeit überall nach gleichem Standard abgearbeitet wird. Und die Kosten wären für alle transparenter nachzuvollziehen.“
Wie stellt man sich ein gutes Miteinander mit der Kreisverwaltung beziehungsweise mit dem Landrat oder der Landrätin vor?
Weber: „Wie ein gutes Miteinander mit der Kreisverwaltung und der künftigen Landrätin oder dem künftigen Landrat funktionieren kann, werden wir intern besprechen, wenn es so weit ist.“
Frühauf: „Durch vertrauensvolle Zusammenarbeit, offenen Austausch und gute Kommunikation zum Wohl aller Bürgerinnen und Bürger im gesamten Landkreis handeln und entscheiden.“
Alscher: „Indem ernsthaft versucht wird, gemeinsame Themen regional und überregional zu identifizieren und aktiv zu moderieren. Neutralität ist eine der wichtigsten Eigenschaften, die ich von der Kreisspitze einfordere.“
Die Fragen stellten Axel Munsteiner, Vera Müller und Andreas Nitsch
- Anm. der Redaktion: Die VG Baumholder fehlt in diesem Artikel, weil Bürgermeister Bernd Alsfasser in Urlaub und nicht erreichbar ist und sein Stellvertreter Rouven Hebel selbst bei der Landratswahl kandidiert.