Heute führen Barbara (68) und Wolfgang (70) Werner den Salon. Eine geplante Übernahme durch Sohn Sven zerschlug sich schon vor 20 Jahren: Er hatte einen schweren Unfall, das Traditionsunternehmen konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht leiten – „was allenthalben sehr bedauert wurde“, notierte Wolfgang Werner in einer Kurzbeschreibung der Geschichte des Unternehmens. Die Stadtverwaltung wollte zum 100-jährigen Bestehen eine Ausstellung in der Stadtbibliothek – die liegt schräg gegenüber dem Haus, in dem der Friseursalon untergebracht ist – machen, musste sie aber Corona-bedingt immer wieder verschieben. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Sobald es die Situation zulässt, soll sie in der Bibliothek aufgebaut werden, versichert die Stadtverwaltung.
Denn Wolfgang Werner hat viele Bilder aus der 100-jährigen Geschichte des Unternehmens. Vorerst werden die Fotos im Salon zu sehen sein. Vom Gründungstag, dem 8. Dezember, bis zur Schließung am 23. Dezember werden sie dort gezeigt. Die Vorbereitungen des Ehepaars Werner zu dieser hausinternen Ausstellung haben längst begonnen, Bilder sind in schwarze Rahmen gelegt, werden auf Stellagen gestellt. Von seinen Kunden haben sich die beiden bereits verabschiedet, jeder habe einen persönlichen Brief erhalten, sagt Wolfgang Werner. Denn der Salon hat vor allem Stammkunden, viele werden sicher kommen, um die kleine Ausstellung im Friseursalon anzuschauen.
Jedes Bild hat seine Geschichte. Da ist etwa eins aus dem Jahr 1958: Damals hatte Philipp Werner, der Gründer und Großvater von Wolfgang Werner, vom Obermeister der Friseurinnung, Matthias Zens, die Goldene Ehrennadel des Handwerks erhalten. Philipp Werner war selbst einmal Obermeister gewesen, auf dem Foto nahm er von seinem Amtsnachfolger die Ehrennadel in Empfang. 38 Jahre zuvor, 1920, gründete Philipp Werner einen Damensalon in der unteren Hauptstraße, zwei Jahre später kaufte er das Haus Herrmann in der Hauptstraße 366. Sohn Willi wurde geboren, acht Jahre später Tochter Gretel. Es war die Zeit, in der der Salon in den ersten Stock des Hauses umzog (1930) und zum führenden Damensalon von Oberstein mit vielen Mitarbeitern aufstieg, heißt es in der kleinen Chronik, die Wolfgang Werner zusammengestellt hat. Bubikopf war angesagt, Frauen ließen sich die Haare kurz schneiden. „Damals“, sagt Wolfgang Werner, „ging es im Salon gut voran“. Auch die handgelegte Wasserwelle war in Mode, 1933 kam die erste Kaltwellendauerfrisur. Die und weitere Innnovationen „brachten den Salon nachhaltig in seine Spitzenposition“, schreibt Werner.
Dann kam der Zweite Weltkrieg. Der Neustart danach war schwierig, nicht nur, weil es an allem fehlte: Die französische Besatzungsmacht quartierte sich im Haus ein. 1950 erfolgten weitere Umbauten im Haus, der Damensalon wurde umgestaltet, die Parfümerie im Erdgeschoss ausgebaut, der Geschäftsbereich wurde jetzt „Parfümerie & Salon Werner“ genannt. Im selben Jahr wurde Wolfgang geboren, der Sohn von Willi und Lore Werner, 1954 kam ihre Tochter zur Welt. Im selben Jahr wurde die Hausfront modern gestaltet. 1960 übernahmen Willi und Lore Werner das Geschäft, zehn Jahre später deren Sohn Wolfgang mit Ehefrau Barbara. Willi Werner starb 1970, seine Frau leitete noch fünf weitere Jahre die Parfümerie. Wolfgang Werner führte neue Frisurenmode aus England ein. 1975 wurde das Geschäft im Erdgeschoss geschlossen, und die Kosmetikkabine im Salon eingerichtet, die Methode Biostetique angenommen.
Das Jahr 1987 hat auch in den Annalen der Stadt Idar-Oberstein einen festen Platz: Im Zuge der Naheüberbauung wurde die Fußgängerzone Oberstein eingerichtet: Das Ehepaar Werner, das jetzt seinen Salon mit der Front zu dieser verkehrsfreien Zone hatte, reagierte. Es gab erhebliche Umbaumaßnahmen, die nur in Angriff genommen werden konnte durch die Übernahme des Hauses von der Erbengemeinschaft Familie Werner.
1996 wurde die Biostethique-Philosophie vertieft, Sohn Sven wurde Mitglied im Team der Biostethique-Academy. Vier Jahre später hatte Sven dann den Unfall, dass er den Salon Frisur und Kosmetik Werner übernehmen werde, war nicht mehr möglich. Und weitere 20 Jahre danach feiert der Salon sein 100-jähriges Bestehen – und schließt zwei Wochen später für immer. Karl-Heinz Dahmer