Schöffengericht: Einige Taten als schwere Bandendiebstähle angeklagt
Aktenturm am Schöffengericht: Diebstahl in Idar-Obersteiner Juweliergeschäft steht im Fokus
Ein nicht alltäglicher Fall beschäftigt das Schöffengericht Idar-Oberstein.
dpa

Keinen alltäglichen Fall hatte das Schöffengericht Idar-Oberstein unter Vorsitz von Richter Marcel Oberländer jetzt abzuarbeiten. Inzwischen gibt es eine feste Kontrollstelle, um den Gerichtssaal zu betreten. Drohungen werden anscheinend selbst in Zivilprozessen alltäglich.

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Während die Aktenstapel in früheren Zeiten noch vom Vorsitzenden in den Gerichtssaal getragen wurden, wartete diesmal zu Beginn des Prozesses ein regelrechter Aktenturm auf den Richter. Auch die von Staatsanwalt Dr. Peter Karfeld in den Anklageschriften vorgetragenen Delikte fielen aus dem Rahmen: schwerer Bandendiebstahl gemäß Paragraf 244a Strafgesetzbuch (StGB) – das ist Schwerkriminalität mit Strafandrohung zwischen einem und zehn Jahren Freiheitsstrafe. Ein Verbrechenstatbestand also, bei dem man zunächst an die gefährliche, gesellschaftlich zersetzende „Hochkultur der Vermögensdelikte“ denkt: organisierte Kriminalität. Die Taten geschahen zwischen September 2019 und Juni 2020.

Zwei Männer im Alter von 40 und 37 Jahren sowie eine 31-jährige Frau, allesamt mit deutschen Wurzeln und derzeitigem Wohnsitz in Idar-Oberstein sowie in einem größeren Ort in der Nähe, saßen dem Richter gegenüber. Der 37-Jährige war pünktlich erschienen: Ihn führten zwei Justizbeamte der JVA Rohrbach in den Gerichtssaal – in Fußfesseln. Die drei Angeklagten legten ihr weiteres Schicksal in die Hände der Rechtsanwälte Frank Schubert, Olaf Möller und Lars Nozar, alle aus Saarbrücken. Und Letztgenannter suchte – in Abstimmung mit seinen Kollegen – gleich nach Verlesung der Anklageschrift durch Staatsanwalt Karfeld das sogenannte Rechtsgespräch.

Gut einstündige Unterbrechung

Während es früher noch „Deals im stillen Kämmerlein“ gab, ist dies heute Rechtsgeschichte und gesetzlich anders geregelt – angesichts des Aktenbergs auf dem Richterpult, mehr als einem Dutzend geladener Zeugen und Sachverständigen und einem zweiten, bereits anberaumten Fortsetzungstermin Mitte Dezember nicht die schlechteste Lösung.

Dem Antrag stimmten alle Prozessbeteiligten zu, sodass jenes Rechtsgespräch mit einer zielgerichteten Verständigung seinen Lauf nehmen konnte. Dazu mussten alle Nichtprozessbeteiligten einschließlich des psychiatrischen Sachverständigen, die Angeklagten, die Protokollführerin sowie die Zuschauer den Sitzungssaal verlassen. Das Rechtsgespräch dauerte mehr als eine Stunde. Eine Verständigung kam auch nach dieser Sitzungsunterbrechung nicht zustande, wie Vorsitzender Marcel Oberländer der Protokollführerin später diktierte: Man habe sich demnach vor allem über das angeklagte Tatbestandsmerkmal des Bandenbegriffes ausgetauscht.

Wohl ein Kernziel der Verteidigung – denn damit könnte verknüpft sein, dass nahezu alle Taten mit Mehrfachbeteiligungen „Taten einer Bande“ sein könnten – mit der Folge hoher Freiheitsstrafen. Richter Oberländer diktierte weiter die vorläufige Auffassung des Schöffengerichts, dass hier auch ein minderschwerer Fall in Betracht kommen könnte – was die mögliche Bestrafung vom Verbrechen zum Vergehen abstufen würde.

Hier liegt der Strafrahmen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Freiheitsstrafe. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte 2013 in einem richtungsweisenden Urteil Folgendes ausgeführt: „Unter Bande versteht man den Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Delikttyps zu begehen.“

Für den Fall glaubwürdiger und umfänglicher Geständnisse sei in dem Gespräch zudem die zu bildende Gesamtstrafe erörtert worden: Beide Männer sollten nach Vorstellung der Staatsanwaltschaft Freiheitsstrafen von rund drei Jahren erhalten, wobei der zurzeit in Haft Sitzende etwas weniger erwarten könnte. Für die angeklagte 31-jährige Frau sei eine Bewährungsstrafe möglich. Seitens des Gerichts bestünden dagegen „keine grundsätzlichen Bedenken“, formulierte Oberländer.

Knackpunkt war wohl ein Einbruch in ein Schmuckgeschäft in Oberstein, bei dem im Jahreswechsel 2019/20 ein Schaden von fast 100.000 Euro entstand. Der Umgang mit dieser Tat dürfte die sogenannte Verständigung wohl verhindert haben. Deren Nichtzustandekommen diktierte der Vorsitzende Richter am Ende sachlich zu Protokoll.

Zeugenaussage macht betroffen

Die Einzelvernehmungen der drei Angeklagten verliefen unkompliziert – sie waren umfassend geständig zu einem Ladendiebstahl, bei dem ein Taschenmesser ohne Gebrauchsabsicht mitgeführt und freiwillig übergeben wurde (dennoch bleibt dies „Diebstahl mit Waffen“), einem Einbruch in eine Shisha-Bar, eine Bar, eine Musikkneipe, eine Betonfirma und einen Kfz-Betrieb im Stadtgebiet von Idar-Oberstein. Und vor allem eben der Einbruch in das Schmuckgeschäft um Silvester 2019 und Neujahr 2020.

Als die 72-jährige Geschäftsinhaberin als Zeugin davon berichtete, wie sehr sie der Einbruch in das Schmuckgeschäft mitgenommen habe, war im Gerichtssaal Betroffenheit auf allen Seiten zu spüren. Die angemieteten Geschäftsräume waren vermeintlich einbruchssicher und versichert. Aber die Täter kamen nicht durch Türen oder Fenster, sondern vom Gebäudeinneren durch eine Leichtbauwand mit Rigipsplatten.

Diese Schwachstelle sei ihr nicht bekannt gewesen. Für sie sei es eine ganz normale Wand gewesen, die mit Regalen zugestellt war. Die Leichtbauweise war aber offensichtlich Grund für die Versicherung, eine Schadensregulierung zu verweigern. Ihrer Einlassung nach sei der Schaden übernommen worden, „wenn die Täter den Weg durch Türen und Fenster genommen hätten“.

Selbst Verteidiger Nozar riet ihr, dies nicht hinzunehmen. „Wie denn? Der Anwalt ist nicht kostenlos, und ich musste bereits einige Tausend Euro an einen Kaufmann zahlen, dessen Kommissionsware zum Teil verschwunden blieb, auch wenn die Kripo einen durchaus beachtlichen Teil der Diebesbeute bei den Angeklagten beschlagnahmen konnte.“ Wenn sie auch für den Rest zahlen müsse, sei die Insolvenz nicht abzuwenden, erläuterte sie. Ähnliche Verzweiflung sprach aus dem Bericht eines geschädigten Automatenaufstellers, der an mehreren aufgebrochenen Automaten Totalschäden feststellen musste – und keinen Versicherungsschutz hatte.

Der Prozess wird am Dienstag, 13. Dezember, 9 Uhr, am Amtsgericht Idar-Oberstein fortgesetzt.

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