Birkenfeld
AfA-Leiter Jörn Patzak: Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist gigantisch
Reiner Drumm

Birkenfeld. Gut zwei Dutzend Bürger waren zur jüngsten Stadtratssitzung ins Rathaus gekommen, um zu erfahren, wie Jörn Patzak, kommissarischer Leiter der AfA-Außenstelle, seine erste Arbeitswoche in der Heinrich-Hertz-Kaserne beurteilt.

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Von unserem Redakteur Andreas Nitsch

Er sei selbst erst am 19. September, dem Samstag vor der großen Informationsveranstaltung in der Sporthalle Am Berg, über seine neue Aufgabe informiert worden. Nur wenige Tage später seien bereits die ersten Flüchtlinge in der Kaserne eingetroffen. Nach wie vor gelte es, Struktur in die Organisation zu bringen und den Menschen einen geordneten Tagesablauf zu bieten.

Patzak stellte die „gigantische Hilfsbereitschaft der Menschen hier“ heraus und bedankte sich für die hervorragende Zusammenarbeit mit allen beteiligten Kräften wie THW, Feuerwehr und DRK sowie den ehrenamtlichen Helfern. „Es geht in der Kaserne sehr gesittet zu“, betonte Patzak, der auch die Justizvollzugsanstalt Wittlich leitet. Gleichwohl werde er die Aufgabe „nicht ewig ausfüllen können, weil ich es ja nebenher mache“. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) arbeite an einer Lösung. Birkenfeld werde wohl den Status einer Außeneinrichtung der AfA Trier zugunsten eines eigenständigen Aufnahmelagers mit einer eigenen Leitung verlieren.

Stadtbürgermeister Miroslaw Kowalski hatte die Sitzung mit einer chronologischen Darstellung der jüngsten Ereignisse hinsichtlich der Flüchtlingssituation eröffnet. Danach ließ er Fragen – auch aus den Zuhörerreihen – an Patzak zu. Und die waren vielfältiger Natur.

Was ist das derzeit drängendste Problem?

Patzak: Da weiß ich gar nicht, was ich antworten soll. Es läuft eigentlich alles. Die Hilfsbereitschaft ist so enorm. Wir brauchen Kleidung der Größen S und M – und Mülleimer für die Zimmer. Anliefertermine werden vorbereitet.

Wie hoch sind die Sprachbarrieren?

Patzak: Es wurde jetzt noch ein hauptamtlicher Dolmetscher eingestellt, der auch schon vieles mitorganisiert. Darüber hinaus gibt es eine ganze Helferriege aus Reihen der Flüchtlinge, die beispielsweise in der Kleiderkammer oder bei der Essensausgabe helfen. Manche Leute sprechen fünf oder sechs Sprachen. Die Kommunikation läuft sehr gut.

Wie sieht der Tagesablauf eines Asylanten aus?

Patzak: Neuankömmlinge erhalten ihre Erstausstattung mit Kosmetika, Bürste und Handtuch. Danach geht's in die Kleiderkammer zum Einkleiden. Zudem erhalten sie ihre Essenskarte, werden registriert, und die Kreisverwaltung leitet die ersten Maßnahmen hinsichtlich des Asylverfahrens ein. Was die Menschen sonst so machen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich weiß nur, dass es von 8 bis 9 Uhr Frühstück, von 13 bis 14 Uhr Mittagessen und von 18 bis 19 Uhr Abendessen gibt.

Ist Deutschunterricht für die Flüchtlinge verpflichtend?

Patzak: Nein, das sind lediglich freiwillige Maßnahmen. Derzeit werden bereits solche Kurse in die Wege geleitet. Auf Helferlisten, die wir bekommen haben, stehen viele Bürger, die sich in dieser Hinsicht engagieren wollen. Und wie ich die Flüchtlinge bislang kennengelernt habe, werden sie diese Angebote sehr gern annehmen.

Welche Nationalitäten sind in der Hertz-Kaserne vertreten?

Patzak: Etwas mehr als 50 Prozent sind Syrer.

Bei der Elisabeth-Stiftung soll ein syrischer Arzt gerade ein Praktikum machen. Kann der nicht bei der medizinischen Versorgung in der Kaserne mithelfen?

Patzak: Der Mann hilft bei uns in der Tat schon mit. Er ist bei den täglichen Sprechstunden, die von 17 bis 19 Uhr angeboten werden, im Einsatz. Mit dabei ist dann noch ein zweiter Arzt, teilweise sind auch Notärzte im Einsatz. Sprachprobleme gibt es hier nicht. Allerdings leben derzeit mehrere Schwangere bei uns. Da ist die Situation schon schwieriger. wir sind dabei, ein entsprechendes Netzwerk aufzubauen.

Sollten ethnische Gruppen in der Kaserne getrennt werden?

Patzak: Wir nehmen keine Trennung vor, und ich denke, das ist eine richtige Entscheidung. Natürlich kann es zu Problemen kommen. Das ist klar. Aber das ist nicht auf die unterschiedliche Ethnologie der Menschen zurückzuführen. Rheinland-Pfälzer und Saarländer kommen im Grunde ja auch miteinander zurecht. Die Menschen hier wollen nicht warten. Sie wollen ihre Zeit nutzen und müssen stattdessen tatenlos rumsitzen – das schafft die Probleme.

Wenn die AfA – wie Sie sagen – eigenständig werden soll, wird das ja eine längere Angelegenheit. Wie lange?

Patzak: Da möchte ich mich raushalten, weil ich die Leitung nur kommissarisch ausübe. Stadtbürgermeister Kowalski ergänzt: Zunächst ist man von einem Minimum von fünf bis zehn Jahren ausgegangen. Mittlerweile denken die Abteilungsleiter und Staatssekretäre aber eher an 10 bis 15 Jahre.

Es gibt Gerüchte, dass es im Einzelhandel in Birkenfeld wiederholt zu Diebstählen gekommen ist, sodass sogar Sicherheitspersonal eingestellt werden musste.

Patzak: Da ist nichts dran. Mir ist nicht ein einziger Diebstahl bekannt. Polizeichef Rüdiger Ermel fügt hinzu: Bislang kam es lediglich innerhalb der AfA zu einem Diebstahl. Ein Mann hatte seine Tasche unbeaufsichtigt in einem Gang stehen gelassen. Wo viele Menschen sind, passiert so etwas auch schon mal.

Es gibt Geschäftsleute, die würden gern Kebab für die Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Ein Friseur bietet Haareschneiden zum Sondertarif an. Geht so etwas?

Patzak: Essensspenden müssen wir aus Hygienegründen ablehnen. Das ist ein unkalkulierbares Risiko. Wir können nicht alle Speisen untersuchen lassen. Für alle anderen Waren wird derzeit über einen Lieferservice nachgedacht. Da stellt sich allerdings die Frage, ob dies im Interesse der anderen Gewerbetreibenden ist. Versuche in anderen Einrichtungen haben allerdings gezeigt, dass dieses Angebot gar nicht so angenommen wurde.

Was machen Sie gegen – Originalzitat aus dem Publikum – „das braune Gesocks, das nachts durch unsere Straßen schleicht und rechte Parolen grölt“?

Patzak: Davon habe ich noch nichts gehört. Wenn es zu solchen Vorfällen kommen würde, wäre dies das höchste Alarmsignal. Polizeichef Ermel bittet in diesem Zusammenhang darum, bei solchen Vorfällen sofort die Polizei zu informieren.

Mit welcher Höchstzahl an Flüchtlingen ist zu rechnen? Und schafft es die Elisabeth-Stiftung, alle zu beköstigen?

Patzak: Der mir genannte Endstand beträgt 800. Nachdem am Montag noch einmal zwei Busse mit jeweils etwa 50 Personen kamen, sind es derzeit etwas mehr als 600 Flüchtlinge. Mit der Verpflegung klappt es bis jetzt sehr gut.

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