Mit ihrer Ankunft hat die Schülerzahl an der Bildungsstätte, an der bekanntlich schon lange Raumnot herrscht, die 700er-Marke überschritten – und in naher Zukunft werden wegen des Kriegs wohl noch einige weitere Kinder und Jugendliche dazukommen. „Davon gehen wir sicher aus, obwohl wir derzeit noch keine Ahnung haben, was uns erwarten wird“, sagt Rektorin Sigrid Schöpfer. Denn die Diskussion auf höchster politischer Ebene, wie die Ukraine-Flüchtlinge innerhalb Europas und Deutschlands verteilt werden sollen, ist erst in Gang geraten.
In der Stadt Birkenfeld sind es aktuell zwei Kinder, die in der Grundschule aufgenommen wurden. An der RS plus sind es Maksim und Dimar. Die genannten Ukraine-Flüchtlinge wurden von Familien aus Hoppstädten-Weiersbach, Brücken und Birkenfeld aufgenommen.
Mit Schülern mit Migrationshintergrund hat die RS plus viel Erfahrung. Schöpfer sagt im NZ-Gespräch selbst, dass „wir eine große Schule mit vielen Nationen und Kulturen sind“. Allein seit den Herbstferien 2021 seien 25 Kinder aus dem Ausland angemeldet worden, darunter beispielsweise Mädchen, deren Eltern nach der Machtübernahme der Taliban aus Afghanistan geflohen waren, oder auch Kinder, deren Väter aus osteuropäischen Ländern wie Bulgarien oder Rumänien zurzeit als Wanderarbeiter, etwa beim Glasfaserausbauprojekt im Kreis, beschäftigt sind.
„Der Bildungsbackground der Kinder ist natürlich sehr heterogen“, erläutert die Rektorin. Die Spanne reiche von Kindern, die kaum lesen und schreiben können, bis zu solchen, „die auch das Abitur schaffen könnten“. Der Umgang mit jungen Menschen aus Flüchtlingsfamilien ist für die Schule also nichts Neues.
Klassenlehrerin schickt E-Mail
Beim Anmeldetag der beiden Jungen aus der Ukraine hat es für Schöpfer eine Begebenheit gegeben, die sie sehr bemerkenswert findet. Maksim habe Arbeitsblätter mitgebracht, die ihm seine in der ukrainischen Heimatstadt zurückgebliebene Lehrerin per E-Mail zugeschickt hat. Dieses Zeichen, dass sich diese Lehrerin weiter für ihren Schüler verantwortlich sieht, sei imponierend, findet auch der Birkenfelder VG-Bürgermeister Bernhard Alscher, der beim NZ-Besuch ebenfalls anwesend war.
Im Unterschied zu anderen Bundesländern gibt es in Rheinland-Pfalz keine sogenannten Willkommensklassen. Die Klassenzuweisung erfolge nach pädagogischen Aspekten und der Einschätzung, in welcher Jahrgangsstufe die Neuankömmlinge am besten aufgehoben sind. Bei Maksim und Dimar habe man beschlossen, dass sie zusammen mit Gleichaltrigen lernen sollen. Beide sprechen bisher kein Deutsch. Deshalb gehört auch für sie ein ergänzender Intensivsprachkurs zum Programm, das sie erwartet. „Wir raten auch den Eltern aller neuen Kinder, die keine Deutschkenntnisse haben, dass sie die Ganztagsschule besuchen“, sagt die Rektorin. Denn so haben sie länger Zeit, die Sprache ihrer neuen Heimat zu hören und sie selbst anzuwenden.
Ein Vorteil, den die jetzt und auch in Zukunft aufgenommenen Kinder aus der Ukraine haben werden, besteht darin, dass es an der Schule Helfer für die Verständigung gibt. Beim Übersetzen können beispielsweise Jessica Prokaev, die an der Schule als Respektcoach arbeitet, und Katja Medynski, die über das Jugendamt eine Stelle im Bereich der sogenannten familienorientierten Schülerhilfe innehat, Unterstützung leisten. Außerdem gibt es mehrere Schüler, die aufgrund ihrer familiären Wurzeln russisch oder ukrainisch sprechen. Dazu zählen die Neuntklässler Iwan und Irina. Sie haben sich schon am Ankunftstag dazu bereit erklärt, sich sozusagen als Paten um Maksim und Dimar zu kümmern.
Natürlich gebe es manchmal auch kleinere Konflikte, aber es sei schon sehr beeindruckend und lobenswert, „wie an dieser Schule trotz der vielen Nationalitäten und der beengten Verhältnisse alles so friedlich abläuft und eine so gute Arbeit gemacht wird“, lobt Alscher. Auf der politischen Ebene läuft bekanntlich schon seit mehreren Monaten eine Debatte über die künftige Kostenträgerschaft der Bildungsstätte. Die VG will diese komplett an den Kreis abgeben, der offizieller Schulträger ist. Der Startschuss für die Errichtung eines Anbaus, dessen Bedarf schon lang vom Land anerkannt ist, lässt weiter auf sich warten.
Gebäude platzt aus allen Nähten
Dabei war das in den 1970er-Jahren errichtete Gebäude ursprünglich nur für 440 Schüler angelegt. „Die Schülerzahl ist aber kontinuierlich gewachsen, und jetzt sind wir also schon bei 700 angelangt“, sagt Schöpfer. Fürs neue Schuljahr 2022/2023 seien zwar zwei zusätzliche Unterrichtscontainer zugesagt, und der schon nahe dem Gymnasium aufgestellte Container werde nun neben die Großsporthalle versetzt, die direkt an den Realschulpausenhof grenzt, eine langfristige Lösung für die Raumnot an der Schule sei das aber nicht, betont Schöpfer.
Nach der Corona-Pandemie warte nun mit einem wahrscheinlich weiteren Schülerzuwachs gleich die nächste große Herausforderung, die das Problem der beengten Verhältnisse noch verschärfen wird. Ihr abschließender Appell an die Verantwortlichen in der Kommunalpolitik lautet daher: „Wir machen unsere Arbeit gern und wollen sie auch weiter gut machen. Aus pädagogischer Sicht müssen wir dann aber auch einige Dinge verändern können. Dafür brauchen wir aber mehr Platz.“