Megaprojekt auf dem Rilchenberg - Wie genau die Truppengattung gestärkt wird, ist noch unklar - Schießanlage unverzichtbar
500-Millionen-Euro-Projekt geplant: In der Artillerieschule Idar-Oberstein wird über Jahre gebaut
Oberstleutnant Jörg Presser, stellvertretender Leiter der Artillerieschule, ist 2018 in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Berichte, wonach die Ausstattung bei der Bundeswehr marode ist, kommentiert der 55-Jährige für den Standort Idar-Oberstein betont vorsichtig: „Die Ausbildung können wir noch gewährleisten.“ Foto: Kurt Knaudt
Kurt Knaudt

Idar-Oberstein. 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr: Wie sich diese Reaktion auf Putins Krieg in der Ukraine auf die Artillerie im Allgemeinen und die Artillerieschule in Idar-Oberstein im Besonderen auswirkt, sei derzeit noch nicht abzusehen, sagt deren stellvertretender Leiter, Oberstleutnant Jörg Presser.

„Im Rahmen der kontinuierlichen Weiterentwicklung gibt es natürlich Ideen und Ansätze, um die Fähigkeiten der Truppengattung zu verbessern. Die aktuelle Ausplanung der Projekte ist aber auf dieses zusätzliche Geld nicht ausgelegt, sodass zeitnah eine neue Priorisierung vorgenommen werden muss“, betont er. Schon längst beschlossene Sache ist indes der Aus- und Umbau der Rilchenbergkaserne, dem Sitz der Schule. Der Beginn der Megamaßnahme, für die bereits 2017 die Kosten auf rund 500 Millionen Euro geschätzt worden waren, lässt aufgrund Verzögerungen in den Planungs- und Genehmigungsprozessen weiter auf sich warten.

Kernauftrag kann erfüllt werden

Es wird kaum ein Stein auf dem anderen bleiben: Die Unterkünfte werden in den Bereich nahe Algenrodt verlegt, wo sich jetzt noch der technische Bereich befindet. Dadurch werde der Lärm für die Bewohner des Stadtteils gemindert. Als erste größere Maßnahme steht voraussichtlich 2025 der Neubau der Instandsetzungshalle an. Auch das geplante Facharztzentrum gehört zu den ersten Vorhaben auf der langen Liste. Oberstleutnant Presser geht davon aus, dass die Arbeiten deutlich über 2040 hinaus dauern werden. Zum Bestand gehört nach wie vor die Ausbildungswerkstatt, deren Ende zwischenzeitlich unabwendbar schien. Sie bleibt – und bietet pro Ausbildungsjahr fünf Plätze für Industriemechaniker und Kfz-Mechatroniker. „Die Bewerber rennen uns die Türe ein“, berichtet Presser.

Die Artillerieschule, deren Verbleib in Idar-Oberstein vor wenigen Jahren ebenfalls noch am seidenen Faden hing, steht inzwischen als Teil der Panzertruppenschule in Munster auf einem sicheren Fundament. Auch der Bestand der Klotzbergkaserne, deren Nutzung die Bundeswehr zunächst nur bis 2027 geplant hatte, ist jetzt endgültig gesichert. Wie sie genutzt wird, wenn das dort untergebrachte Artillerielehrbataillon 345 wie geplant auf den Rilchenberg umzieht, ist noch ungewiss.

Die Berichte und Klagen, wonach viele Waffen und Geräte bei der Bundeswehr nicht einsatzfähig sind, kommentiert der verantwortliche Leiter für Lehre und Ausbildung so: „Wir müssen mit dem klarkommen, was wir haben. Unseren Kernauftrag, die Ausbildung unseres künftigen Führungspersonals, können wir noch gewährleisten – insbesondere, weil wir klasse und motivierte Ausbilderinnen und Ausbilder haben.“ In Idar-Oberstein werden unter anderem alle Unteroffiziere und Offiziere der Artillerie ausgebildet, die derzeit vier Bataillone hat.

Simulatoren allein reichen nicht

„Es werden wieder deutlich mehr werden“, hatte Oberst Dietmar Felber, der Leiter der Schule, bereits im Mai 2019 im Interview mit der Nahe-Zeitung prognostiziert. Zum Vergleich: 1986 hatte die Bundeswehr noch knapp 90 Artilleriebataillone. Ein Umdenken in der europäischen Sicherheitspolitik hatte schon lange vor dem Ukraine-Krieg eingesetzt. Dafür hatte ebenfalls Putin mit seinem Einmarsch auf der Krim gesorgt. Lag der Schwerpunkt nach Ende des Kalten Krieges auf friedenserhaltenden Maßnahmen, so steht seitdem wieder die Landes- und Bündnisverteidigung im Fokus.

Ob Panzerhaubitze 2000, die nach Meinung von Oberstleutnant Presser immer noch das beste Artilleriegeschütz der Welt ist, Raketenwerfer oder auch Mörser: Für jedes System gibt es einen eigenen Simulator. Das könne allerdings nicht das „Üben im scharfen Schuss“ ersetzen, betont der gebürtige Idar-Obersteiner. Auch deshalb sei die Schießanlage in Algenrodt für Ausbildung und das Üben unverzichtbar. „Das Schießen mit Handwaffen ist die Basisbefähigung jedes Soldaten. Wenn das wegfiele, würde der Standort deutlich unattraktiver.“ Weder der auch bei den US-Streitkräften sehr begehrte und stark genutzte Truppenübungsplatz Baumholder und schon gar nicht der Standortübungsplatz der Artillerieschule seien hier ein Ersatz. Wenn die Schießanlage wegbräche, bliebe nur, auf andere, weiter entfernte Standorte auszuweichen.

Die an der Artillerieschule im Jahr 2019 eingerichtete multinationale Ausbildungs- und Übungseinrichtung lief nach Aussage des Oberstleutnants sehr gut an. Der Ansatz: An dem Traditionsstandort der Bundeswehr sollen unter dem Dach der Nato Soldaten aus verschiedenen europäischen Partnernationen ausgebildet werden. Dabei geht es im Kern um den koordinierten Einsatz von bodengebundener und luftgestützter Feuerunterstützung. Bis zum Beginn der Corona-Pandemie hatte rund ein Dutzend Nationen signalisiert, dass sie regelmäßig an Lehrgängen in Idar-Oberstein teilnehmen und gemeinsam mit nationalen Teilnehmern üben wollten. Nachdem internationale Reisetätigkeiten pandemiebedingt nahezu eingestellt wurden, nehmen mit Österreich, der Schweiz und Litauen jetzt wieder erste Nationen das Lehrgangsangebot der Schule wahr.

Von Kurt Knaudt

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